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Alt 13-05-2005, 22:08   #217
Starlight
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Starker Verbraucher, schwacher Verbraucher

Die USA sind ein gespaltenes Land. Das ist nicht unbedingt neu, wird am Freitag aber durch zwei Zahlen binnen einer Stunde erneut belegt. Auf der einen Seite boomt der Edel-Juwelier Tiffany, auf der anderen Seite sinkt das Verbrauchervertrauen auf ein Zwei-Jahres-Tief, was wiederum zu den jüngst schwachen Einzelhandelsdaten passt.

Wer durch die heil’gen Hallen von Tiffany an der Fifth Avenue streift, trifft auf drei Sorten von Menschen: Im ersten Stock werfen Touristen aus aller Welt mit großen Augen einen Blick in die Vitrinen, in denen Gold- und Platinschmuck von internationalen Designern liegt, und in denen selbst vor einem einfachen Ohrstecker Preisschilder stehen, die locker den Wert des ganzen Familienurlaubs oder des eigenen Reihenhauses auf der anderen Seite des Atlantiks widerspiegeln.

Im vierten Stock des Juweliers findet sich dann der untere Teil der amerikanischen Oberschicht und kauft Designerschmuck, Uhren und edle Füllfederhalter, die weitgehend hinter dreistelligen Preisschildern liegen.

Im zweiten und dritten Stock wiederum kauft die Oberschicht des Landes. Hier können Millionäre dem Nachwuchs eine Babyrassel aus Sterlin-Silber kaufen, und hier kümmern sich Kundenberater persönlich um gut betuchte Damen und Herren, die an einem einfachen Shopping-Tag auf der Fifth Avenue gerne mal ein paar Hunderttausend Dollar liegen lassen.

Gemeinsam tragen diese drei verschiedenen Typen – internationaler Tourist, gut verdienender Schmuckkäufer und sorgenfreier Multi-Millionär – ihren Teil zur amerikanischen Konjunktur bei. Und das tun sie gut, wie die Quartalszahlen des Juweliers belegen. Tiffany blickt für die abgelaufenen drei Monate erneut auf erstaunliche Wachstumsraten. Innerhalb der Staaten läuft das Geschäft mit teurem Schmuck sogar derart gut, dass die schwache Performance in Japan ausgeglichen werden kann.

Tiffany gehört zu einigen wenigen Einzelhändlern, die sich über solche Trends freuen können. Man verdankt das der Tatsache, dass die Umsätze nur von den drei genannten Kundentypen abhängen und nicht von der breiten Masse – erst recht nicht von der Konjunktur. Mit dem großen Teil der amerikanischen Verbraucher, der seit Monaten über hohe Spritpreise klagt und deshalb den Gürtel wieder enger geschnallt hat, hat Tiffany wenig bis gar nichts zu tun.

Andere umso mehr, wie nicht zuletzt Wal-Mart immer wieder beteuert. Der amerikanische Durchschnittskunde hat Probleme, wie sich zum Wochenschluss im Verbrauchervertrauen zeigt. Das ist in den letzten Tagen auf ein Zwei-Jahres-Tief gefallen. Die Hoffnungen der Wall Street, dass sich der Indikator nach fünf Monaten im Sturzflug wieder etwas erhole, haben sich nicht bestätigt. Vielleicht werden aber auch einfach die falschen Leute befragt.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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