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Alt 12-05-2005, 20:34   #216
Starlight
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Wal-Marts Wachstum geht zurück - es muss!

Wer an der Spitze fährt hat den meisten Gegenwind. Das merkt an diesem Donnerstag wieder einmal Wal-Mart. Der weltgrößte Einzelhändler ist der große Verlierer im Dow, dabei waren die Quartalszahlen gar nicht so schlecht. Deutlich besser schlägt sich Target, obwohl der Konkurrent von dem gleichen Verbraucher lebt.

Diesem amerikanischen Verbraucher ging es schon besser. Man betrachte nur einmal das aktuelle Umfeld: Der Arbeitsmarkt lässt zu wünschen übrig. Die Preise steigen. Vor allem Benzin ist teuer, doch braucht der US-Konsument ein (möglichst großes) Vehikel, um aus seiner Vorstadtsiedlung überhaupt zum Laden zu kommen.

Diesem amerikanischen Verbraucher ging es allerdings auch schon schlechter: Immerhin ist das Land längst aus der Rezession wieder aufgetaucht. Der Arbeitsmarkt ist wesentlich stärker als noch vor einem Jahr. Die steigenden Verbraucherausgaben belegen den Trend.

Ein großer Teil der Verbraucherausgaben fließt in den Einzelhandel, und da vor allem zum Branchenführer Wal-Mart und dem größten US-Konkurrenten Target. Beide Konzerne haben gerade Zahlen vorgelegt. Für das abgelaufene Quartal blickt Target auf ein Umsatzwachstum von 13 Prozent auf 11,17 Milliarden Dollar. Der Gewinn kletterte um 15 Prozent auf 494 Millionen Dollar. Das alles ist besser als erwartet, weshalb die Aktie im grünen Bereich notiert. Targets Zahlen sind aber schwächer als die von Wal-Mart.

Der Branchenführer bilanziert einen Quartalsumsatz von 70,91 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 2,46 Milliarden Dollar. Was die Börse stört: Beide Zahlen liegen unterhalb der Erwartungen, und das Wachstum enttäuscht. Prozentual betrachtet steht Wal-Mart mit einem Zuwachs von 9,5 Prozent nämlich vergleichsweise schwach da.

Dass dies die Aktie am Donnerstag derart belastet ist eigentlich unverständlich. Sicher, Anleger haben tausend Gründe, das Papier von Wal-Mart nicht zu kaufen. Allen voran steht die Unsicherheit, die den Konzern außerhalb der Bilanz plagt. Ermittlungen wegen diskriminierender Personalpolitik, Verbraucherproteste gegen Niedriglöhne, verzweifelte Image-Attacken überrollter Konkurrenten, immer stärkere Versuche von Angestellten, sich doch noch in Gewerkschaften zu organisieren,… nein, Wal-Mart ist kein sorgenfreies Unternehmen, obwohl – oder gerade weil – man die Nummer Eins unter allen amerikanischen Unternehmen ist.

Das vergleichsweise niedrige Wachstum des Konzerns zu kritisieren, macht indes nicht viel Sinn. Immerhin sollte einer solchen Kritik zugrunde liegen, wie die Ausgangsposition des Einzelhändlers ist – und die lässt Wachstumsraten wie in den vergangenen Jahren einfach nicht mehr zu. Das hat nichts mit Wal-Mart und dem Management zu tun, sondern schlicht und einfach mit Resourcen, vor allem mit Platz.

Würde Wal-Mart nämlich in den nächsten 15 Jahren weiter so stark an Verkaufsfläche zulegen wollen wie in den vergangenen 15 Jahren, dann müssten sich die Super-Center unter dem gelben Preis-Smiley bald über 388 Quadratkilometer hinziehen – das entspräche etwa der Größe von Las Vegas, wiederum der schnellst wachsenden Stadt in den Vereinigten Staaten.

Das gleiche Problem stellt sich im Personalbereich: Würde Wal-Mart weitere 15 Jahre mit der gleichen Geschwindigkeit Jobs schaffen wie in den letzten 15 Jahren, dann würden bald 8,2 Millionen Amerikaner im blauen Kittelschurz stecken. Das entspricht nach einer Berehcnung des Wirtschaftsmagazins „Fortune“ der Gesamtbevölkerung von Los Angeles und San Francisco, St. Louis und Cleveland, Miami und Atlanta, Philadelphia und Boston.

Ein solches Szenario ist allerdings so wenig realistisch wie wünschenswert. Die Wachstumsraten von Wal-Mart werden in den nächsten Jahren weiter sinken, die Börse kann sich darauf schon einmal einstellen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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