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Alt 09-05-2005, 20:45   #213
Starlight
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Der Kampf um eine hässliche Braut

Der Montag steht wieder einmal im Zeichen zahlreicher Übernahmen, doch lässt vor allem eine Börsianer die Stirne runzeln. Nicht die beiden neuen Deals im Trading- und im Energiesektor lassen manchen Insider stutzen, sondern eine Nachricht aus dem Telekomsektor, wo der Streit um MCI immer noch weiter geht.

Der Kampf um den Ferngesprächsanbieter MCI – der manchem Anleger unter dem früheren Namen Worldcom viel eher ein Begriff ist – zieht sich schon seit Monaten hin. Zwei Konkurrenten waren an dem Unternehmen interessiert, das zwar durch schlechtes Management und Bilanzbetrug von sich reden machte, dessen Leitungen und Kundendatei aber dennoch viel wert sind. Wie viel? – Darüber stritten sich Verizon und Qwest Communications.

Im Nachhinein ist die Frage schnell beantwortet. MCI ist 8,5 Milliarden Dollar wert. So viel zahlt der Dow-notierte Branchenriese Verizon für das Unternehmen, das von Qwest Communications mehr Geld gesehen hätte. Das Management des Ferngesprächsanbieters blickte allerdings nicht nur auf die Zahlungssumme selbst, sondern auch ein wenig hinter die Kulissen. Und da stellte sich Verizon erwartungsgemäß besser dar: Die Nummer eins auf dem Telekommarkt bot schließlich gegen ein hoch verschuldetes Unternehmen, dessen Zukunft auf einem wackligen Fundament steht.

Analysten stellen nun aber die Frage, ob 8,5 Milliarden Dollar ein angemessener Preis sind. Immerhin: Als Verizon im Februar erstmals ein Angebot für MCI einreichte, hatte dies bei 6,7 Milliarden Dollar gelegen – das hat man nun um fast dreißig Prozent überboten.

Angesichts einer fetten Prämie für MCI-Anleger fällt der Zugewinn für Verizon und seine Aktionäre bescheiden aus. Zumal sich diese mit MCI nicht gerade einen sorgenfreien Gewinnbringer angeeignet haben. Im Gegenteil: Während Verizon zuletzt vor allem auf die satten Gewinne und das gesunde Umsatzwachstum der Handy-Tochter Verizon Wireless hinweisen konnte, geht es im Ferngesprächsbereich abwärts.

Allein in 2005 sollen die Umsätze bei MCI um 10 Prozent fallen, die Tendenz dürfte angesichts der technischen Neuerungen anhalten. Denn Kabelanbieter dringen immer mehr ins Geschäft ein und schnappen sich dank niedriger Gebühren einen Teil des Marktkuchens weg. Und Telefonate über das Internet – VoIP genannt – werden von Firmen wie Vonage mit Erfolg ausgebaut.

Bei Lehman Brothers fürchtet man, dass die schwachen Aussichten bei MCI die gesamte Performance von Verizon drücken dürften. Statt der bisher prognostizierten 4 Prozent Umsatzwachstum, die der Dow-Wert in diesem Jahr ausweisen wollte, dürften mit MCI nur etwa 1,1 Prozent übrig bleiben.

Dazu kommt, dass sich die Investitionen, die Verizon in das um MCI erweiterte Netz stecken muss – man will das neben AT&T größte Sprach- und Datennetz auf Glasfaser umstellen – erst in sieben bis acht Jahren amortisiert haben werden. Langfristig könnte sich das zwar auszahlen, zumal Verizons härtester Konkurrent und Dow-Nachbar SBC Communications AT&T übernehmen wird. Doch ist der Weg für das Unternehmen weit und steinig.

Einige Aktionäre von Verizon dürften also mit dem Deal genauso unzufrieden sein wie die Anleger von MCI, denen Qwest Communications zwar eine schwächere Positionierung gezeigt aber zumindest mehr Cash versprochen hatte. Qwest will nun diese Anleger auf seine Seite ziehen und strebt eine feindliche Übernahme von MCI an. So geht die unendliche Geschichte um ein recht unattraktives Unternehmen und den sich rasch konsolidierenden Telekomsektor in dieser Woche schon wieder in eine neue Runde. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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