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Alt 27-04-2005, 20:24   #207
Starlight
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Amerika sucht neue Energiequellen

Für den Kriegspräsidenten George W. Bush wird es eng: Die Unterstützung der Bevölkerung für Aktionen in Afghanistan und Irak schwindet seit Monaten, und jüngst schaffte die Armee auch ihre Rekrutierungsvorgaben nicht mehr. Immer mehr Kasernen werden eines Tages leer stehen. Dies wiederum ist gut für den Energiepräsidenten Bush, denn der hat die frei werdenden Areale längst verplant.

Bush, das ist bekannt, kämpft an mehreren Fronten. Die Demokratie muss in die Welt hinausgetragen und die Ölzufuhr indie USA sicher gestellt werden. Da die steigende Energienachfrage im Land aber dennoch nicht in den Griff zu bekommen ist, wird gleichzeitig nach neuen Resourcen gesucht. So soll bekanntlich in den Naturschutzgebieten Alaskas nach Öl gebohrt werden, und die verlassenen Kasernen sollen Raffinerien und Atomkraftwerke beherbergen.

Dieses Konzept legt Bush zur Wochenmitte vor – gerade einmal zwei Tage nach einem Treffen mit dem saudischen Kronprinzen Abdullah, der seinen Freund und Großkunden auf der Ranch in Crawford, Texas, besucht hatte. Der Kronprinz, einer der einflussreichsten Köpfe auch in der Opec, schimpfte einen Ölpreis von 50 Dollar pro Fass Bush gegenüber als zu hoch, zeigte aber keinen Weg aus der Preiskrise auf.

Damit dürfte die Argumentation Bushs vor dem Kongress klar sein: Amerika sucht weiter nach Unabhängigkeit von ausländischem Öl, was die höchst umstrittenen Bohr-Vorhaben in Alaska vorantreiben soll. Und Amerika muss mehr Öl aufbereiten, da bekanntlich die Produktionsengpässe in den Raffinerien den Benzinpreis zuletzt in konjunkturell gefährliche Höhen getrieben haben.

Dass sich der Kongress nicht einfach auf die Vorschläge aus dem Weißen Haus einlassen wird, dürfte angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre deutlich sein. Die Öl-Politik unter George W. Bush ist höchst umstritten, zumal Energiespar-Modelle noch immer eine untergeordnete Rolle spielen. Um die Kritiker zumindest für ein paar Tage ruhigstellen zu können, fordert Bush auch Steuervergünstigungen von bis zu 2,5 Milliarden Dollar zur weiteren Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativ betriebenen Motoren und den so genannten Hybriden.

Abzuwarten sind hingegen die Reaktionen von Abgeordneten und Wählern auf die neue Atom-Offensive aus Washington. Die kommt zwar auch nicht aus heiterem Himmel, wurde aber längst nicht so offen diskutiert wie das Thema Öl. Dass Bush die Lizensierung weiterer Atomkraftwerke vorantreiben will, dürfte auf großen Widerstand stoßen. Das letzte Atomkraftwerk in den USA – insgesamt gibt es 104, die zusammen 20 Prozent des Energiebedarfs in den Staaten decken – wurde 1973 genehmigt. Seit einem Unfall im Kernreaktor Three Mile Island in Pennsylvania im Jahre 1979 steht Amerika der Atomenergie genauso kritisch gegenüber wie andere Ländern.

Während Öl und Atomkraft nun also verstärkt im eigenen Land gewonnen werden sollen, will Bush den Import von Gas vorantreiben. Künftig sollen die Bundesbehörden neue Häfen ausfindig machen, die Flüssiggas-Lieferungen empfangen können. Vier solche Docks gibt es zur Zeit, weitere 32 sind geplant. Nach einer Rechnung des Energieministeriums könnten Gas-Importe bis zum Jahr 2020 ganze zwanzig Prozent der US-Nachfrage decken. Heute sind es nur drei Prozent, obwohl die Importe im vergangenen Jahr auf ein historisches Hoch von 18,5 Milliarden Kubikmetern gestiegen sind.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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