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Alt 29-03-2005, 22:19   #187
Starlight
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Benzinpreis drückt auf die Stimmung

Amerika ist ein großes Land, so groß, dass sich ohne Auto nicht viel erreichen lässt. Väter pendeln meilenweit mit dem Auto, während die Mütter mit dem Zweitwagen ihre Kids zum Sport fahren. Am Nachmittag geht es mit dem geräumigen Geländewagen einkaufen… und dabei wird so manche Gallone Benzin verbrannt.

Seit der anhaltend hohe Ölpreis erst richtig auf das Benzin durchgeschlagen ist, machen sich die Amerikaner noch größere Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft. Sicher, ganz so hoch wie in Europa sind die US-Preise noch lange nicht, doch notiert der Sprit in allen Klassen auf einem historischen Hoch.

Das hat Folgen: Das Verbrauchervertrauen ist nun zum zweiten Mal in Folge deutlich gefallen. Sechzig Prozent der befragten Bürger rechnen mit anhaltenden Schwierigkeiten und einem konjunkturellen Umfeld, in dem es vor allem in eine Richtung geht: nach unten.

Die Zahlen in der neuesten Studie vom Umfrageinstitut Gallup geben zu denken, denn sie sind so schlecht wie seit der Zeit vor dem Irakkrieg nicht mehr. Den hat die Regierung Bush vor allem wegen der immensen Öl-Vorräte im arabischen Wüstensand geführt – doch lief bislang nicht alles nach Plan. Weder scheinen die aktuellen und künftigen Öl-Exporte die Kosten von Krieg und Wiederaufbau decken zu können, noch kamen die USA an billigeres Öl. Im Gegenteil: Das schwarze Gold wird teurer und teurer.

Dazu kommt, dass die Nachfrage weltweit und in den USA weiter steigt. Für die Autofahrer ist dieser Umstand noch schlimmer als der hohe Rohstoffpreis, denn die Raffinerie-Kapazitäten zwischen New York und Los Angeles sind erschöpft. Per Schiff und Pipeline kann Öl schicken wer will, es kann einfach nicht schnell genug in Benzin oder andere Destillate wie Heizöl umgesetzt werden.

Dass am Karfreitag eine Explosion auf einer BP-Anlage in Texas die drittgrößte Raffinerie teilweise stillgelegt hat, verschärft die Situation kurzfristig. Langfristig ist aber auch keine Besserung in Sicht, denn Baupläne für neue Raffinerien sind derzeit nicht bekannt und dürften wohl auch in den nächsten Jahren nicht genehmigt oder gar umgesetzt werden.

Die Öl-Lager können sich folglich lange füllen, die Benzinlager bleiben knapp. An der Zapfsäule greifen John und Jane Doe immer tiefer in die Tasche, und das drückt nicht nur auf die Stimmung, sondern indirekt auch auf Konjunktur und Börse.

Denn einerseits sorgen die immer höheren Lebenshaltungskosten – und das Auto samt Benzin gehört dazu – dafür, dass für andere Anschaffungen immer weniger Geld zur Verfügung steht. Und andererseits investiert Otto Normalanleger nicht mehr so gerne wie sonst an der Börse, wenn ihm zuhause das Geld zum Volltanken fehlt. Es überrascht nicht, dass vor allem Investoren mit einem Anlagevolumen zwischen 10 000 und 100 000 Dollar über den hohen Benzinpreis klagen. Folglich dürfte sich aber auch keiner wundern, wenn genau dieser Investorenkreis seine Mittel bald ganz aus dem Markt zieht.


Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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