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Alt 10-03-2005, 17:25   #182
Starlight
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Jubiläum: Vor fünf Jahren platzte die Hightech-Blase

Der Blick der Wall Street geht – das ist bekannt – immer nach vorne, schließlich wird an der Börse die Zukunft gehandelt. Ganz ohne Vergangenheit ist der Handel aber nicht, und am heutigen Donnerstag blickt so mancher Börsianer wehmütig zurück auf ein historisches Ereignis: Vor fünf Jahren schloss die Nasdaq bei 5 048 Punkten – dann platzte die Blase.

5 048 Punkte… diese Zahl wird so manchem Börsianer ein Leben lang im Kopf bleiben. Im Intraday-Handel hatte der Hightech-Index sogar 5 132 Punkte geschafft. So hoch dürfte die Nasdaq wohl auch in den nächsten Jahren nicht mehr klettern. Zur Erinnerung: Genau zweieinhalb Jahre nach Beginn des Bärenmarktes erreichte die Nasdaq einen Tiefstand von 1 108 Punkten und hatte damit fast 80 Prozent an Wert verloren. Weitere zweieinhalb Jahre später – also heute! – dümpelt der Index gerade mal bei 2000 Zählern, und zwar ohne Aussicht auf plötzlicht, deutliche Kursanstiege.

Fast alle, die heute im New Yorker Finanzviertel arbeiten, haben das Nasdaq-Hoch erlebt und noch gut in Erinnerung. Viele Börsianer sind seither gegangen, kaum welche dazugekommen. Damit ist das Thema heute der Renner auf dem Parkett. Man hat Geschichte erlebt, man hat Geschichte geschrieben. Und man fragt sich, ob sich die Geschichte etwa widerholen könnte.

Und da gehen die Meinungen auseinander. Eine gute Mehrheit der Börsianer glaubt heute, dass sich eine Blase wie damals heute gar nicht mehr entwickeln könnte. Und für diese Ansicht spricht vieles. Immerhin war mit der Erfindung und Kultivierung des Internets ein Marktsegment angeschnitten, das nicht nur neu und unbekannt, sondern auch extrem schwierig zu durchschauen war:

Niemand wusste seinerzeit, wieviel Geld die Internet-Riesen – damals Yahoo, AOL, Amazon und Ebay - wirklich verdienen könnten. Sicher, Anleger hätten stutzig werden können als Aktien der Online-Briefmarkenhändlers Stamps.com eines Tages mit einem Kgv von 83 handelten und Akamai Technologies mit einem Kgv von 509. Auch als Cisco Systems mit einem Börsenwert von 600 Milliarden Dollar die alten Schwergewichte ExxonMobil und General Electric weit abgehängt hatte, hätte sich mancher Geldbeutel schließen müssen.

Doch zeichnete sich der Markt seinerzeit durch einen Mangel an fundamentalem Wissen aus. Je weniger Anleger die Erfolgsaussichten einer Website und eines Netzwerk-Händlers einschätzen konnten, desto einfacher wurde es für Analysten wie Mary Meeker und Henry Blodget, einzelne Aktien zu hypen. Ob Anleger den Analysten gegenüber heute vorsichtiger geworden sind, ist schwer zu sagen. Sicher ist jedoch, dass sich Analysten in ihren Zahlenwerken nicht mehr völlig frei auf Wolke sieben schwingen und auch bei Rekordpreisen noch Kaufempfehlungen aussprechen können.

Andererseits stehen heute die Aktien von Google hoch im Kurs… und zwar sehr hoch. Laut war der Aufschrei, als die Suchmaschine ihre Papiere für 150 Dollar emittieren wollte. Nach einem Börsenstart bei 83 Dollar hat sich die Aktie mittlerweile aber doch auf über 200 Dollar geschwungen, obwohl sich vieles bei Google ganz so anhörte wie bei anderen Firmen vor fünf Jahren. Wachstumsstrategien erklären die Google-Boys nur schwammig, ein hohes Kgv hemmt die Kauflust der Anleger dennoch nur bedingt.

Und doch ist es unwahrscheinlich, dass sich der Hype an der Nasdaq je wiederholen wird. Nicht zuletzt zeigt das ein Blick auf die Branchenriesen, die das Feld dominieren. Unter den Online-Werten mit der höchsten Marktkapitalisierung finden sich mit Ebay, Amazon, Yahoo und der diversifizierten Interactice Corp. alle bewährten Namen der Branche, AOL ist über die Muttergesellschaft Time Warner kein unsicheres Investment, und MSN als eine der meist gefragten Seiten gehört zu Microsoft und damit als einziger Online-Wert sogar zu den Blue Chips.

Einige kritische Beobachter werden indes nicht müde, zu einem Jubiläum wie am heutigen Donnerstag den Mahner zu geben: Der Markt sei vor weiteren Blasen keineswegs gefeit, sagen sie – mit Recht. Man schaue doch nur auf den Ölpreis: Der lag jahrelang in den Dreißigern und schob sich dann gen 40 Dollar. Die Wall-Street-Gemeinde schrie laut auf und warnte vor einem Ölpreis von 50 Dollar. Der ist längst erreicht, jetzt stehen 60 oder gar 80 Dollar im Raum. Die Zahlen sind so willkürlich wie einst die Umsatz- und Gewinnprognosen der Hightechs, und die Gefahr einer Blasenbildung ist ungleich größer.

Immerhin: Die steil steigenden Preise für Hightech-Aktien schadeten seinerzeit keinem. Der weiter kletternde Ölpreis hingegen greift die Konjunktur und Corporate America an, für die sich der wichtigste Rohstoff verteuert. Diese Entwicklung kann und wird nicht lange gut gehen, und so wird eines Tages die Blase auf dem Öl-Markt platzen. Ähnliche Entwicklungen sind auf dem Immobilienmarkt zu beobachten.

Die Geschichte wiederholt sich also doch, denn nicht immer wird man aus Schaden kluf. Auch fünf Jahre nach dem Allzeit-Hoch der Nasdaq und nach schmerzlichen Verlusten für Anleger in aller Welt lassen sich Investoren zu unsinnig hohen Käufen verführen. Manche von ihnen machen damit das Geschäft ihres Lebens, andere werden den Ausstieg verpassen und Kursverluste einfahren, wie man sie zuvor eben nur an der Nasdaq erlebt hatte.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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