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Alt 10-02-2005, 20:35   #162
Starlight
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Immer Ärger mit Wal-Mart

Der Einzelhändler Wal-Mart ist in den USA so etwas wie ein Wirtschaftswunder. Als das Unternehmen vor einigen Jahren zum weltgrößten Konzern aufstieg und die Gewinn sogar Industriegiganten wie General Electric oder ExxonMobil übertrumpften, feierte Corporate America diesen Erfolg. Doch gleichzeitig mehrten sich die Gegenstimmen, denen Wal-Mart ein Dorn im Auge ist.

In diesen Tagen geht der Ärger um den Einzelhandlesriesen in eine neue Runde. Das Unternehmen, sonst für fast grenzenloses Wachstum bekannt, schließt einen ihrer Läden. Das Problem ist indes nicht, dass die Filiale in Jonquiere in der kanadischen Provinz Quebec nicht hoch profitabel wäre. Oder dass die Kunden ausblieben. Vielmehr stehen zweihundert Mitarbeiter nach jahrelangen Bemühungen kurz vor dem Beitritt in die lokale Einzelhandelsgewerkschaft – und die ist Wal-Mart ein Dorn im Auge.

Bislang hat es der Konzern aus Bentonville, Arkansas, geschafft, seine Läden absolut gewerkschaftsfrei zu halten. Und während das bei manchem Unternehmen durchaus ein gutes Zeichen sein und von einem optimialen Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zeugen kann, so liegt die Sache in diesem Fall anders. Wal-Mart verbietet Angestellten schlicht und einfach, sich einer Gewerkschaft abzuschließen. Mitarbeiter mit entsprechenden Ambitionen werden gemobbt und gefeuert.

Ähnlich lief es auch im Jahr 2000, als sich elf Angestellte in der Fleischabteilung im Wal-Mart von Jacksonville, Texas, der Gewerkschaft anschließen wollten. Als alle Gegenmaßnahmen scheiterten, machte das Management kurzerhand die Fleischerei dicht und verlegt sich seither auf den Verkauf von abgepackter Wurst, die von Zulieferern beigesteuert wird.

Auch in Kanada scheint man nun nicht mehr weiter gekommen zu sein und greift zum letzten Strohhalm. Doch Analysten sehen das Unternehmen damit auf dem besten Weg zu neuen Schwierigkeiten.

Zur Erinnerung: Wal-Mart hatte es in den vergangenen Jahren ohnehin nicht leicht. Dass der Konzern Mitarbeiter unter Mindestlohn bezahlt und zu Überstunden zwingt, dass Frauen diskriminiert werden und Konkurrenten durch Preisdumping gezielt ausgeschaltet werden, hat Verbrauchergruppen gegen das Unternehmen aufgebracht. Eine Filiale in Inglewood nahe Los Angeles konnte im letzten Jahr nicht genehmigt werden, nachdem die Wähler in eienr Volksabstimmung gegen Wal-Mart Front machten, und auch in Chicago darf von zwei geplanten Läden nun nur einer gebaut werden.

Die neuesten Schlagzeilen kommen nun aus New York City, wo man Wal-Mart bisher nur von Hörensagen kannte. Während Einwohner aus dem Bundesstaat zwischen dem Hudson und den Niagara-Fällen schon seit Jahren von den „always low prices“ Gerbauch machen, hat sich der Dow-notierte Brachenriese bisher aus vielerlei Gründen aus dem Stadtgebiet ferngehalten. Zunächst standen dem Unternehmen die immens hohen Baupreise und Mieten in der Weltmetropole entgegen, und nicht zuletzt verschreckte auch die Einkaufskultur der New Yorker den Konzern. Denn im Big Apple herrscht eine Deli- und Supermarktkultur, da viele Kunden ohne Auto einkaufen und kleine Stadtwohnungen mit mageren Speicherkapazitäten die Großeinkäufe ländlicher Haushalte auch nicht gestatten.

Woher Wal-Marts plötzlicher Sinneswandel kommt, ist unklar. Tatsache ist jedoch, dass der Konzern einen Bauplatz im Vorort Queens für seine Zwecke entdeckt und damit bereits die erste Welle von Verbraucherprotesten losgetreten hat. Diese dürften sich bis zu den jeweiligen Abstimmungen im Stadtrat und in verschiedenen Wirtschafts- und Planungsgremien so hoch schaukeln, dass Wal-Mart den Standort New York am Ende doch wohl wieder fallen lassen muss.

Solange ist der Einzelhändler in der Stadt am Hudson ein Politikum wie sonst zurzeit nur noch das umstrittene geplante Football- und Olympiastadion an der Westseite Manhattans. Während dies zumindest manchen Lokalpolitiker – darunter Bürgermeister Michael Bloomberg – zu seinen Unterstützern zählen kann, hat Wal-Mart in der Tat keine guten Karten. Bloomberg hält sich mit warmen Worten für Wal-Mart zurück, und seine bereits bekannten Gegenkandidaten für die Wahl im nächsten Jahr haben sich längst auf die Planung aus Arkansas eingeschossen.

Gegen Wal-Mart zu sein dürfte sich in einem Wahlkampf auf jeden Fall als bessere Strategie erweisen. Zuviele Nachteile drohen der Stadt, wenn sich die Aufregung um kleinere Preise erst einmal gelegt hat. So würde die Eröffnung eines der berühmten Supercenters das Aus zahlreicher traditioneller Einzelhändler in der Nachbarschaft mit sich bringen und letztlich ebensoviele Arbeitsplätze und damit auch Steuern vernichten wie schaffen.

Zudem kommt ein kulturelles Problem, das der erzkonservative Konzern aus dem Süden anderswo zwar auch spürt, aber sicherlich nicht so stark wie in New York zu erwarten wäre. Eine überwiegend demokratische Kundschaft nämlich würde sich die Zensur von Magazinen und CDs wohl ebensowenig gefallen lassen wie die diskriminierende Personalpolitik, die Wal-Mart nun in Kanada bereits zum Verhängnis geworden ist.

© Wall Street Correspondents Inc.
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