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Alt 09-02-2005, 20:38   #160
Starlight
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Der Abschied einer CEO

Sie war die mächtigste Frau in Corporate America. Sie war die einzige Frau an der Spitze eines Dow-Unternehmens. Sie war Vorbild für eine ganze Generation von Business-Frauen. Doch vor allem war Carly Fiorina bei Hewlett-Packard eines: CEO. Diese Bezeichnung ist geschlechtsneutral, und so sollte man den Abschied der Chefin auf behandeln.

Schließlich ist es völlig egal, ob Carly Fiorina – deren ausgeschriebener Vorname Carlton ohnehin nicht sehr weiblich klingt – eine Frau ist oder nicht. Als CEO sie wie niemand sonst dem Erfolg ihres Unternehmens verpflichtet. Und dieser Erfolg blieb in den letzten Jahren aus.

Die schwache Performance von HP spiegelt sich zunächst einmal im Aktienkurs wieder: Der lag im Jahre 2000 einmal bei fast 70 Dollar, fiel dann mit dem Platzen der Hightech-Blase ebenso steil ab wie alle verwandten Aktien. Was HP hingegen nicht gelang: mit den anderen Aktien wieder aufzusteigen. Seit drei Jahren dümpelt das Papier in einer festen Spanne zwischen 13 und 23 Dollar – es gab keinen einzigen Ausrutscher, schon gar nicht nach oben.

Anlasten muss man das ganz direkt Carly Fiorina. Die hatte sich als CEO von HP in den Kopf gesetzt, den Computerhersteller Compaq zu übernehmen. Es gab seinerzeit durchaus Gegenstimmen, unter anderem seitens der Gründerfamilie Hewlett. Vor allem Enkel Walter Hewlett wusste um die satten Margen, die den Druckerhersteller über die Jahre zu einem der stärksten Unternehmen im Hightech-Sektor gemacht hatten. Die Margen in der Computersparte hingegen schienen immer mehr unter Druck zu geraten, zumal mit Dell, IBM und Gateway starke Konkurrenz lauerte.

Die Kritiker sollten am Ende Recht behalten. Die Compaq-Sparte verwässerte das Ergebnis von Hewlett-Packard stark, die Aktie verlor an Beliebtheit. Die Bilanz für Fiorina fällt entsprechend bitter aus: Die Aktie hat seit ihrem Amtsantritt im Jahre 1999 ganze 32 Prozent an Wert verloren, beim Konkurrenten Dell blickt man in derselben Zeit auf ein Minus von gerade einmal 5 Prozent.

Auf die Frage eines amerikanischen Börsenreporters, ob Carly Fiorina als Opferlamm herhalten müsse, gibt sich Frank Gillett vom Analystenhaus Forrester entsprechend überrascht. „Wenn ein Unternehmen schlecht gemanagt ist und sich keine Erfolge abzeichnen, dann muss man an der Spitze anfangen“, rechtfertigt er das Aus für Fiorina, das natürlich nur vordergründig als freiwillige Kündigung dargestellt wird. In Wahrheit hatte die Chefin zuletzt einfach keinen Rückhalt mehr im Vorstandsgremium und wurde daher aufgefordert, den Hut zu nehmen.

Die Reaktion der Börse lässt am Mittwoch auch keinen Zweifel daran, dass Fiorinas Abschied bei HP überfällig war. Kaum war die Personalie über den Ticker, kletterte die Aktie um satte 12 Prozent. „Niemand mochte ihren Führungsstil“, meint Robert Cihra von Fulcrum Global Partners.

Inwiefern sich der Stil im Hause ändert, ist indes offen. Immerhin hat HP mit dem bisherigen Finanzchef Robert Wayman nur einen Interim-Chef verpflichtet. Doch wird das Management einen CEO suchen, der sich von vorneherein nicht gegen radikale Maßnahmen wehrt. Die Zukunft von HP, da ist sich die Wall Street einig, könnte durchaus in einem Splitting bestehen. Einerseits könnte die profitable Druckersparte ausgegliedert werden, raten Experten, andererseits könnten sich zwei unabhängige Unternehmen künftig getrennt um die Verbraucher- und um die Geschäftskunden kümmern.

Allzu schnell rechnet man indes nicht mit großen Veränderungen. So ist Merrill Lynch am Mittwoch auch das einzige große Brokerhaus, dass mit einer Aufstufung auf „Kaufen“ auf die HP-Nachrichten reagiert. Die anderen Brokerhäuser lassen den Dow-Wert auf „Halten“.

Halten können wird sich indes auch Carly Fiorina. Die Chefin verlässt die Konzernzentrale in Palo Alto mit einer Abfindung von 21 Millionen Dollar plus Aktienoptionen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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