07.02.2005
Die Beschäftigung mit der Wirtschaft und der Wirtschaftstheorie bietet einen großen Fallstrick. Hier werden nämlich Begriffe aus der Umgangssprache verwandt, die jedoch innerhalb der Theorie eine bestimmte Bedeutung haben, die mit dem der Umgangssprache nicht identisch ist. Damit finden wir uns in einer Situation, in der eine Kommunikation nur schwer möglich ist, weil die einen exakt argumentieren, die anderen jedoch die Begriffe so benutzen, wie es ihnen gerade gefällt – und damit natürlich auch alles „beweisen“ können, was sie gerne beweisen wollen.
Bedeutsam ist dabei insbesondere, dass kaum einer der sogenannten „Börsenexperten“ sich einmal wirklich ausgiebig mit Wirtschaftstheorie befasst hat. Die meisten sind Autodidakten, im besten Fall sind sie Betriebswirte, ausgebildete und reflektierte Volkswirte gibt es hier jedoch so gut wie keine. Und so könnte das Chaos des Redens und des Nichtverstehens kaum größer sein.
Über das Geld habe ich in diesem Zusammenhang schon öfter geschrieben. Heute und am Mittwoch möchte ich mich einmal der Ersparnis widmen. Hier hört man gegenwärtig wirklich die wildesten Dinge über die geringen Ersparnisse der Japaner und der Amerikaner. Und gestern sagte sogar jemand in der „Dresdner Sonntagsbörse“, die Leute würden ihre Gelder aus den Aktienfonds abziehen, weil sie sparen müssten. Brrrrrrrrrrr!!!
Das Geld oder das Einkommen, das ich in der Vergangenheit gespart habe, hat nichts (!) mit der volkswirtschaftlichen Ersparnis zu tun. Dieses „Ersparte“ ist Vermögen, es ist ein Bestand, der auf einen bestimmten Zeitpunkt definiert ist. Ersparnis hingegen ist das, was innerhalb einer Periode, also innerhalb eines Rechnungszeitraumes/eines Jahres nicht konsumiert wird. Die Ersparnis ist also eine Stromgröße und kein Bestand und sie muss in jeder Periode immer der Höhe der Investition zuzüglich des Außenhandelssaldos entsprechen.
Ersichtlich wird daran bereits, wie kompliziert es ist, mit der Ersparnis zu argumentieren. Denn einerseits ist die Ersparnis etwas, das direkt aus wirtschaftlichen Sparentscheidungen der Haushalte resultiert, auf der anderen Seite ist sie jedoch gleichzeitig auch eine Restgröße, die aus völlig verschiedenen und mit dem „eigentlichen“ Sparen überhaupt nicht zusammenhängenden Transaktionen resultiert.
Zwei Beispiele, wie man hier in die Irre geführt werden kann:
(1) Importiert ein Land kurz vor Ende der Rechnungsperiode eine große Menge an Waren, die in dieser Periode nicht mehr konsumiert werden können, so ist dies eine Lagerinvestition und damit gleichzeitig eine volkswirtschaftliche Ersparnis – obwohl hier eigentlich gar nicht wirklich etwas gespart wird.
(2) Sehr groß in Mode ist gegenwärtig die These, dass derzeit überall entspart wird – in Japan beispielsweise. Dort lösen die über 60jährigen ihr Vermögen auf, weil sie keine Altersunterstützung haben, und leben davon. Es klingt natürlich plausibel, dass es sich hier um ein Entsparen, also um ein Auflösen von Ersparnissen handelt, wenn man sein Vermögen verkonsumiert. Doch es ist falsch. Es findet eine einfache Vermögensumschichtung statt. Die einen transferieren Geld in Asset, die anderen Asset in Geld, um zu konsumieren. Dadurch steigt der Konsum und das Einkommen. Sollten nun Teile dieses Einkommens gespart werden, dann gibt es sogar eine positive Ersparnis. Von einer negativen Ersparnis ist jedoch bei weitem nichts zu sehen.
Kann es überhaupt eine Ersparnis von null oder sogar eine negative Ersparnis geben? Mehr dazu am Mittwoch an dieser Stelle.
berndniquet@t-online.de