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Alt 03-02-2005, 20:32   #154
Starlight
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Der Webb-Report: 142 Seiten gegen Dick Grasso

Man hat lange nichts gehört von Dick Grasso. Der kleine Mann mit der schimmernden Glatze, der bis vor einem Jahr die ehrwürdige New York Stock Exchange durchschritt wie der Sonnenkönig persönlich, hat sich zurückgezogen und wartet auf seinen Prozess. Vorab gibt es in dieser Woche Einzelheiten, die wohl eher seinen Gegnern nutzen.

Der Webb-Report ist ein 142 Seiten starkes Schriftstück, dem Grasso aus gutem Grund seit Monaten entgegenzitterte. Mit ihm zitterte Ken Langone, der Chef des Gehalts-Komitees an der Börse, das Chairman Grasso über die Jahre sein umstrittenes Millionen-Paket schnürte. Mit ihm – allerdings auf der anderen Seite – zitterte auch Eliot Spitzer, der New Yorker Generalstaatsanwalt, der Grasso und Langone verklagt hat.

Spitzer scheint der Webb-Report genau das zu liefern, was er gehofft hat. Für Grasso und Langone sieht das Dokument etwas schlechter aus, das aus der Feder des früheren US-Staatsanwalts Daniel Webb stammt. Den hatte der amtierende NYSE-Chef John Thain ins Haus geholt, auf dass er die Hintergründe des Grasso-Skandals aufkläre. Das ist jetzt geschehen.

Zur Erinnerung: Dass Dick Grasso für 2001 ein Gehalt von 30,5 Millionen Dollar kassierte, brachte den Stein ins Rollen. Niemand hatte erwartet, dass der Chef einer regulierenden Behörde und einer Not-for-Profit-Organisation derartig abkassieren könnte. Selbst NYSE-Insider hatten eher auf 3 Millionen Dollar getippt, wobei auch ein solcher Betrag gut fünfundzwanzigfach über der Kompensation von Notenbanker Alan Greenspan oder SEC-Chef William Donaldson gelegen hätte.

Details zu Grassos Gehaltsabmachungen offenbarten bei näherem Hinsehen, dass Grasso die Börse mit einem goldenen Fallschirm verlassen würde: 187 Millionen Dollar hatte sich der CEO in den letzten Jahren genehmigen lassen, dazu hatte ihm die Börse einen Privat-Jet gestellt, einem Assistenten ein Gehalt von einer Viertelmillion Dollar und allein zwei Chaffeuren jeweils 130 000 Dollar gezahlt.

Das war zuviel, nicht nur für Eliot Spitzer. An der Börse, wo Händlern über Jahre hinweg immer höhere Gebühren aufgebürdet worden waren, war Grasso von einem Tag auf den anderen eine persona non grata – er trat schließlich im Herbst 2003 zurück.

Die Untersuchungen von Daniel Webb im Umfeld der NYSE haben nun erklärt, was die meisten Kritiger von vorne herein befürchtet hatten: Grasso hatte ungebührenden Einfluss auf das Gehalts-Komitee. Nicht nur regulierte er als Börsen-Chef die Firmen der Vorstandsmitglieder, er wählte auch die Komitee-Mitglieder einzeln aus – und gab ihnen vor den jährlichen Treffen jeweils eine genaue Zahl, die er als Chairman-Bonus für angemessen hielt.

Dem Komitee reichte das meist: Unabhängige Gehaltsexperten oder Berater von außen wurden so gut wie nie eingeschaltet. Dass an den Millionen-Paketen für Grasso etwas faul war, wusste man aber wohl. Nicht umsonst verschleierte man zahlreiche Details gegenüber dem Gesamtvorstand, der sich deshalb auch über Jahre hinweg nicht wehrte.

Von den Absprachen wollen Grasso und Langone nach wie vor nichts wissen, sie fühlen sich sicher. Hätte Webb recht, meint Grassos Sprecher ironisch, müsse man ja am Verstand der klügsten Männer und Frauen in der Finanzwelt zweifeln, die das Gehalt für den Chef abgesegnet hätten. Darüber indes ist einfach zu urteilen: Am Verstand derselben muss wohl nicht gezweifelt werden, an deren Integrität aber schon.

Ein Termin für den Prozess gegen Grasso und Langone steht noch nicht fest, die Schadenssumme hingegen schon: Von 187 Millionen wollen Generalstaatsanwalt Spitzer und die NYSE mindestens 100 Millionen Dollar zurück.

© Wall Street Correspondents Inc.
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