Sonntag, den 3Internationale Kapitalanleger-Tagung in Zuerich
Von Dr. Bernd Niquet
In dieser Woche war ich auf der 20. Internationalen Kapital-
anleger-Tagung des ZfU in Zuerich - mit lauter prominenten
Referenten wie Jim Rogers, Felix Zulauf und vielen anderen
mehr. Im Anschluss an die Tagung, als ich bei starkem Schnee-
fall am Flughafen gesessen und mir Sorgen um meinen Heimflug
gemacht habe, ging mir ploetzlich ein Licht auf: Im Leben ist
es wie auf dem Flughafen und wie an der Boerse. Wenn man viel
erwartet, wird man sehr oft enttaeuscht. Hat man jedoch eine
gute Idee und eine moderate Erwartungshaltung, dann kann man
durchaus Hoffnung haben, eine sehr positive Ueberraschung zu
erleben.
Bezogen auf den Flughafen heisst das: Ich habe schon so viele
verschobene und extrem verspaetete Fluege erlebt, gerade
dann, wenn vorher nichts darauf hindeutete. Doch hier, im
dichtesten Schneefall und einer Erwartungshaltung, die nahe
null lag, war mein Flieger ploetzlich einer der wenigen, der
sogar sehr puenktlich starten konnte.
Und bezogen auf die Boerse bedeutet das: Wenn alle positive
Erwartungen haben und jedermann mit Leichtigkeit Investments
taetigen kann, dann bringt ein Engagement meistens gar nichts
mehr. Viel besser ist es, dort zu investieren, wo so recht
keiner daran glaubt. Und wo der "Mann von der Strasse" ueber-
dies gar keinen direkten Zugang hat.
Jim Rogers hat eine Parallele aufgestellt zwischen der Ak-
tienanlage zum Anfang der 80er Jahre, als der grosse Boom
sich so langsam in Fahrt setzte, und dem Rohstoff-Investment
zur heutigen Zeit. Als Rogers zum Anfang der 80er Jahre in
den wichtigsten Staedten der westlichen Welt die Leute auf
der Strasse gefragt hat, wie er denn zur Boerse kaeme, hat er
nur Ratlosigkeit erfahren. Die meisten Leute wussten nicht,
was eine Boerse ist, und schon gar nicht, dass es in ihrer
Stadt eine gaebe. Und selbst diejenigen, die das wussten,
wussten nicht, wo sie zu finden war - und hielten sie zudem
fuer reines Teufelszeug.
Wer hat einmal als Klein- oder als Privatanleger versucht,
vor ein oder zwei Jahren in Rohstoffe zu investieren? Die
Banken haben in dieser Zeit nur Fonds mit Rohstoffaktien an-
geboten. Doch Rohstoffaktien sind Aktien und keine Rohstoffe.
Was blieb ansonsten? Ein Direktengagement an einer Waren-
boerse ist sicher nichts fuer den Klein- und Privatanleger.
Es gab also keine Moeglichkeit! Direkte Rohstoffengagements
waren Teufelszeug - genauso wie Aktien zu Beginn der 80er
Jahre. Also auf keine Fall etwas fuer den normalen Anleger.
Man denke nur an die vielen Betruegerfirmen mit gefaelschten
kurzfristigen Kaffeekontrakten oder Aehnlichem.
Aus diesem und aus den folgenden Gruenden haelt Rogers die
Entwicklung der Rohstoffpreise fuer den naechsten grossen
Bullenmarkt, der bis ins naechste und vielleicht sogar ins
uebernaechste Jahrzehnt hineinreichen sollte: Im Zuge des
Bearmarktes der letzten Jahrzehnte sind naemlich - mit Aus-
nahme beim Gold und Silber - nahezu keine Investitionen in
den Abbau und den Anbau von Rohstoffen getaetigt worden. (Das
ist natuerlich der pure Schweinezyklus!) Im Bearmarkt inves-
tiert der kurzfristig denkende Investor und CEO natuerlich
nicht. Doch ploetzlich werden ueberall in Asien Rohstoffe en
masse gebraucht, wollen die Chinesen Fleisch essen und nicht
mehr nur Reis und Bohnen (was jedoch deren Nachfrage als
Tierfutter nur umso staerker ankurbelt).
Eine sprunghaft steigende Nachfrage trifft damit also auf ein
kurz- bis mittelfristig kaum steigerbares Angebot. Und das
bedeutet: Die Nachfragekurve verschiebt sich nach aussen, die
Anbotskurve nach innen. Und ihr Schnittpunkt, also der fest-
gesetzte Preis, springt dramatisch nach oben. Viele Anleger
sind heute zwar schon dabei, denn mittlerweile gibt es bei
der ABN AMRO Zertifikate auf einzelne Rohstoffe, und Rogers
selbst hat den "Rogers International Commodity Index" entwi-
ckelt, einen breit gestreuten Index von 35 verschiedenen Roh-
stoffen, auf den es an gleicher Stelle ebenfalls ein endlos
laufendes Zertifikat gibt.
Die Hausse ist bereits im Anlauf, doch keine grosse Zeitung
berichtet bis heute ueber Rohstoffe - und im Boersenfernsehen
ist das ebenfalls kein Thema. Man braucht also nicht viel
Phantasie, um sich auszumalen, dass das in fuenf bis zehn
Jahren durchaus anders sein koennte. Und das hat ganz sicher
mehr mit normaler Lebensweisheit als mit wirtschaftlichen
Dingen im engeren Sinne zu tun.
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Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor.
30.01.2004
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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