Die Revolution im Supermarkt
Die geplante Übernahme von Procter & Gamble und Gillette – immerhin ein 57 Milliarden Dollar teures Unterfangen – beherrscht zum Wochenschluss das Gespräch auf dem Parkett. Doch ist auch Otto Normalverbraucher betroffen, und zwar dank der Produktpalette der beiden Konsum-Riesen so deutlich wie selten zuvor.
Es gibt nämlich wenige Unternehmen im Verbrauchersektor, denen der Konsument irgendwie entkommen könnte. Sicher, es gibt einen ganzen Haufen Kunden, die Wal-Mart boykottieren und statt zum nächsten Super-Center lieber ein paar Meilen weiter fahren. Auch kann man um McDonald’s einen großen Bogen machen und um Coca-Cola. Schwieriger wird es schon bei Altria Group, denn zu dem Konzern gehört neben der Tabaksparte Philip Morris ja noch eine nur schwer zu überschauende Gruppe von Lebensmittel- und sonstigen Marken.
Völlig unmöglich hingegen ist ein Leben ohne Procter & Gamble. Das zeigt ein Spaziergang durch einen imaginären P&G-Supermarkt, in dem die Regale bis unter die Decke gefüllt sind.
Da stehen: die Waschmittel Ariel, Dash, Lenor und Tide, das Putzmittel Meister Proper, die Zahnpasten Blend-A-Med und Crest, Klopapier von Charmin’, Küchentücher von Bounty und das Papiertaschentuch Tempo, die Hygiene-Artikel Always, Alldays und Tampax, die Haarpflegeserien Pantene, Head & Shoulders sowie Herbal Essences, ferner die Windeln Pampers und Luvs und die Swiffer-Putztücher. Da stehen weiter die Kosmetik-Produkte von CoverGirl und Olay, der Deostift Secret und das Rasierwasser Old Spice sowie die Ivory-Seife. Die Duftwasser von Hugo Boss, Helmut Lang, Ellen Betrix und Laura Biagotti reihen sich an, und im Lebensmittelregal stehen Pringels-Chips und Folgers-Kaffee, dann noch Iams für Katze und Hund und wer sich nicht wohlfühlt, greift vielleicht zum Erkältungstrunk NyQuill aus der Wick-Gruppe oder zu Prilosec gegen Sodbrennen.
Die Einkaufstour könnte sich locker auf einen ganzen Tag ausdehnen, wäre unser imaginärer Supermarkt außer mit den US- und Europa-Produkten auch noch mit den zig Marken bestückt, die ausschließlich für die Märkte in Asien, Australien oder Mittel- und Südamerika hergestellt werden.
Wer nahe eines P&G-Marktes wohnen würde, der müsste nun bald nirgends sonst mehr einkaufen: Denn durch die Übernahme von Gillette kommen auch die gleichnamigen Rasierer und Rasiercremes ins Regal, samt der weiblichen Variante Venus und den Trockenrasierern von Braun. Die Duracell-Batterien gibt es gleich dazu, und ferner mehr Zahnpflegeprodukte aus der Oral-B-Serie.
Kein Wunder eigentlich, dass Warren Buffett – wieder einmal einer der größten Aktionäre in dem Deal – von einer „traumhaften Paarung“ spricht. „Hier entsteht der weltgrößte Konsumartikel-Konzern“, freut sich die Investment-Legende von Berkshire Hathaway. Doch gibt es auch manchen, dem der neue Konzern gehörig das Geschäft vermiest: namentlich ist das die gesamte Konkurrenz.
Ganze 21 Marken in dem neuen Konzern haben einen Jahresumsatz von jeweils mehr als einer Milliarde Dollar. Die werden über ein einmaliges Vertriebs- und Marketingnetz eingeholt, das die Konkurrenz nun in die Ecke zu drängen droht. Zahnpasta und Geschirrspülmittel von Colgate-Palmolive werden es angesichts durchaus bekannter Absprachen zwischen Herstellern und Einzelhändlern sehr schwer haben, sich einen prominenten Regalplatz zu sichern – auf Augenhöhe wird künftig P&G alleine herrschen.
Umschauen muss sich nun selbst Unilever. Der britisch-holländische Konzern verliert seine internationale Marktführerschaft an das neue Procter & Gamble und reiht sich auf den Plätzen ein, wo bislang Kimberley-Clark und Clorox standen.
Damit steht das europäische Unternehmen wohlgemerkt immer noch besser da als einige bislang namhafte Konkurrenten, denen angesichts der gestärkten Konkurrenz das Aus droht: Das sind vor allem die Batterie-Hersteller Energizer und Rayovac, die weder mit der Marketingmaschine von P&G noch im Bereich Forschung und Entwicklung mithalten können.
Wirklich ändern dürfte sich für den Verbraucher nach dem gigantischen Konsum-Merger indes nichts. Mit einigen neuen Produkten ist immer zu rechnen, wenn die kreative Energie zweier Unternehmen gebündelt wird. Preisanstiege dürfte es trotz der absoluten Marktdominanz des neuen Konzerns indes nicht geben, denn das wäre gegen die Philosophie von Procter & Gamble als Massen-Ausrüster. Auf Preisnachlässe wird man indes auch vergebens warten: Auf Kosten der Gewinnmargen die Konkurrenz auszuschalten, würde sich für P&G kaum lohnen. Weitere Übernahmen dürften nämlich kartellrechtlich schwierig bis unmöglich werden.
Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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