Quartalszahlen prägen weiter den Wall-Street-Handel
Die Wall Street hat eine spannende Woche begonnen. Auf der einen Seite wollen Anleger die Indizes so steil klettern sehen, dass bestenfalls die bisherigen Januar-Verluste ausgeglichen werden – was unwahrscheinlich ist. Auf der anderen Seite steht eine Flut von Quartalszahlen, die den Handel über das Monatsende hinaus bestimmen dürfte.
Hunderte bedeutender Unternehmen legen in diesen Tagen die Bilanzen vor, mit denen das Geschäftsjahr ein für allemal der Vergangenheit übergeben wird. Es ist die letzte Chance für Anleger und Analysten, noch einmal das Jahr Drei nach Ende der Rezession zu betrachten, und möglicherweise den Trend für die Zukunft abzulesen.
Bislang ist die Lage nicht sehr vielversprechend. Zahlreiche Dow- und Hightech-Werte haben enttäuschende Zahlen geliefert. Und wo ein Unternehmen die Erwartungen des Marktes trifft oder übertrifft, da verderben oft konjunkturelle Zweifel den Tag. Die Unternehmen seien der Konjunktur davongeeilt, munkelt man auf dem Parkett. Sobald der Verbraucher an seiner Schuldenlast gänzlich zu ersticken drohe, brächen die Gewinne in Corporate America wieder ein – langsamer ist das Gewinnwachstum indes schon geworden, was manchem Zocker graue Haare wachsen ließ.
Gute Nachrichten stehen in den nächsten Tagen seitens der Öl-Industrie an. Dass der Ölpreis zuletzt für ein paar Tage etwas nachgegeben hat, dürfte Anleger nicht kümmern. Vielmehr freut man sich angesichts eines dauerhaft hohen Preises für das Schwarze Gold auf sensationelle Zahlen. ConocoPhilips beispielsweise soll allein für das abgelaufene Quartal einen höheren Gewinn melden als für das gesamte Jahr 2002, und auch andere Branchenriesen wie ChevronTexaco sollen sich laut Analystenmeinung im Jahresvergleich locker verdoppelt haben.
Während teures Öl aber den Öl-Förderern eine Goldgrube ist, so kann es dem Verbraucher ein Grab sein. Denn John und Jane Doe müssen nicht nur ihre ein bis zwei Autos betanken, sie müssen auch im jüngsten Schneesturm ihr Haus warm halten und dazu auf fast alle Güter höhere Transportkosten mittragen. Der Verbraucher ächzt bereits unter der Last, und umso spannender wird der Ausblick sein, den einige Konsumartikler in dieser Woche an ihre Bilanzberichte anhängen.
Zu den verbrauchernahen Unternehmen gehören neben Großkonzernen wie Altria Group und Colgate-Palmolive auch unbekanntere Namen, die dennoch als Konjunkturindikatoren ernst zu nehmen sind: Der Preisschilddrucker und Folienspezialist Avery-Dennison gehört dazu oder Alberto-Culver, ein Unternehmen hinter Hautcremes und Shampoo.
Losgelöst vom Schatten der Öl-Industrie haben sich aller Voraussicht nach die Chemie-Konzerne. Unternehmen wie Dow Chemical oder der Dow-Wert DuPont sollen in den Augen der Analysten starke Zahlen vorlegen, da sie ihrerseits bessere Preise erzielen und andererseits starkes Wachstum auf dem chinesischen Markt durchsetzen konnten.
Vor den ersten Bilanzkonferenzen indes sind alle Berichte Spekulation. Was den Markt auch bei guten Zahlen immer mehr aus dem Konzept zu bringen droht, ist der immer weiter klaffende Unterschied zwischen Pro-forma- und wirklichen Zahlen. Wenngleich die Bilanzskandale der letzten drei Jahre noch jedem im Kopf sein dürften, nehmen sich CEOs und CFOs wieder mehr Freiheit in der Gestaltung der Geschäftsberichte. Zurzeit beträgt der Unterschied zwischen den GAAP-Zahlen und dem wirklichen Ergebnis nach Abzug von Sonderposten satte 18 Prozent – Tendenz steigend.
So steht jeder Kursgewinn an den US-Börsen nach wie vor auf einem wackligen Fundament. – Nur gut, dass mittlerweile auch die Mehrheit der Wall-Street-Experten dem ominösen Januar-Indikator abgeschworen hat.
© Wall Street Correspondents Inc.
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