Nur ein Thema an einem ruhigen Handelstag
Es ist ruhig auf dem Parkett an diesem Montagmorgen. Amerika feiert „Columbus Day“ und damit den berühmten Entdecker, und zahlreiche Broker haben sich den Tag frei genommen. Sie sehen sich die Parade an, deren Namenspatron sich seinerzeit nicht denken konnte, wie seine Entdeckung die Welt verändern sollte.
Doch genau darüber wird auf dem Parkett wieder einmal diskutiert: Wie Amerika die Welt verändert – politisch, wohlgemerkt –, und wie die Lage nach den Präsidentschaftswahlen in etwas mehr als drei Wochen aussehen könnte.
Der Wahlkampf ist mittlerweile in die heißeste Phase gegangen – und es wird immer schmutziger. Bei den Fernsehduellen, das zweite am vergangenen Freitag soll etwa unentschieden ausgegangen sein, werfen sich die Kandidaten falsche Vorwürfe um die Ohren. Vor allem das Team hinter dem amtiertenden Präsidenten wühlt tief in der Trickkiste, um den Herausforderer John F. Kerry unglaubwürdig zu machen.
Der sieht sich mittlerweile zwar immer besseren Wahlumfragen gegenüber, aber vor allem auch immer ärgeren Vorwürfen ausgesetzt. Neuester Schlag gegen den Senator aus Massachussetts ist ein propagandistischer Film mit dem Titel „Stolen Honor“, den die amerikanische Sendergruppe Sinclair während der nächsten zwei Wochen ausstrahlen will. Täglich im Abendprogramm soll dabei erklärt werden, wie Kerry amerikanische Kriegsgefangene in Vietnam entehrt hätte – allem Anschein nach dürfte sich der Film weit über alle journalistischen Grundregeln hinwegsetzen.
Auch legal ist die Sache nicht ganz einfach: Ob der Sendereigner, der zu den großen Spendern der Bush-Kampagne gehört, einfach so Filme als „Nachrichten“ deklarieren und seiner Pflicht zu ausgewogener Berichterstattung entgehen kann, ist noch nicht geklärt.
Die Linke ist indes nicht untätig. Ebenfalls im Fernsehen zu sehen sein wird Michael Moores erfolgreiches Anti-Bush-Epos „Fahrenheit 9/11“, das am Vorabend der Wahl allerdings nur zahlungskräftigen Kunden im Privatfernsehen vorbehalten sein wird. Für 9,95 Dollar kommt der Film, der wohl auch nicht als Musterbeispiel journalistischer Schlichtheit gelten darf, der Wahlrheit aber wohl näher kommt als die Anti-Kerry-Hetze.
Die scheint aber das allgemein beliebte Mittel der Bush-Fraktion geworden zu sein. In den täglichen Wahlkampfauftritten verurteilt der amtierende Präsident seinen Herausforderer immer schärfer für Dinge, die Kerry teilweise nie gesagt hat und teilweise vor dreißig Jahren. Abstimmungsergebnisse werden verzerrt, die – oft mit Kerry deckungsgleichen – Stimmen der Republikaner jeweils verschwiegen.
Der Wahlkampf beschäftigt Amerika, und der Wahlkampf beschäftigt die Wall Street. Gerade an einem handelsschwachen Tag wie diesem Montag. Andere Themen wie Öl, Pharma und die anstehenden Quartalszahlen dürften später in der Woche wieder Schlagzeilen machen.
Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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