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Alt 14-08-2004, 11:48   #16
Sofix
hab das Jodeldiplom
 
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Einst trafen sich drei Gauner in einem dunklen Wald ...

Einst trafen sich drei Gauner in einem dunklen Wald und besprachen ihre prekäre finanzielle Lage. In diesen kalten, egoistischen Zeiten war es ihnen immer schwerer geworden, den anderen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen – jeder dachte nur an sein eigenes Fortkommen und kümmerte sich immer weniger um den Fortbestand des Gaunerwesens. Und so weinten sie bitterlich – bis einer, der klügste und kälteste, auf eine Idee stiess, die eine blendende Zukunft verheissen könnte ...
„Lasst uns doch den Menschen ein Theaterstück vorspielen. Besetzung: zwei vermeintliche Kontrahenden und ein vermeintlich unparteiischer Schiedsrichter. Der eine Kontrahend schart Kraft des Wortes die Armen hinter sich, der andere mit ebensolcher die Reichen – und dann schlagen wir mit dicken Schaumstoffknüppeln aufeinander ein – jeder vorgebend, seine Klientel vor der des anderen schützen zu wollen. So kann der eine die Armen melken, der andere die Reichen. Und der Schiedsrichter? Der wird von beiden Seiten bezahlt, weil jeder glaubt, den Schiedsrichter zu schmieren brächte Vorteile in diesem Schaukampf. Wie wollen wir uns nennen?“. Sie ratschlagten lange und nannten sich dann: Arbeitgeber, Gewerkschaft und Staat.

Sie waren’s zufrieden, brüllten sich im dunklen Wald mit „Ausbeuterschwein“ und „Kommunistenhure“ an, knüppelten aufeinander ein, bis es dumpf im Walde widerhallte, der Schiedsrichter schiedste wie ein Besessener – doch sonst geschah nichts, kein Armer, kein Reicher, der Ihnen für dieses Schauspiel Geld hinterhertrug. Da weinten sie wieder bitterlich.

Ihr Weinen zog einen lustigen Burschen an, der, immer hungrig nach einer guten Story, durch den Wald streunte. Die traurigen Gauner klagten ihm ihr Leid, denn er wirkte mitfühlend und hilfsbereit. Nachdem der Luftikus ihnen zugehört hatte, versank er in kurzes Nachdenken und sprach: „Euer Spiel kann nur klappen, wenn die Menschen von ihm wissen, wenn wir ihnen eure Texte einbläuen, bis sie sie sich selber in ihren Träumen vorsingen. Darum lasst mich euer Sprachrohr, euer Megafon sein. Ich will schöner singen als die Sirenen und lauter als die Sirenen, die Krieg verkünden. Ich werde eure intellektuelle Avantgarde sein.“ Das verstanden die Räuber sofort, nahmen ihn in ihre Troica auf und nannten ihn Presse.

Und so leben die vier denn glücklich und zufrieden, halten nach allen Seiten ihre Hände auf – und jeder gibt, mal dem einen, mal dem anderen, mal dem Dritten, mal dem Vierten – und kommt sich ungeheuer klug vor, jeweils genau den zu schmieren, der in seinen Theatertexten ihm die grössten Vorteile verspricht. Und vor lauter Klugdünken merkt niemand, dass die Viererbande an genau einem Strang zieht: dem ureigensten Vorteil.
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