Sentix Marktradar: Ist die Mini-Rally nur ein Strohfeuer?
03.07.2012, 12:08 Uhr
Mit den Kursgewinnen an der Börse steigt die Stimmung – zumindest kurzfristig. Doch mittelfristig bleiben die Anleger skeptisch. Die Beschlüsse des EU-Gipfels ändern daran nichts, das Vertrauen in den Euro sinkt sogar.
DüsseldorfDie imposante Kursrally zum Ausklang der vergangenen Woche hat die kurzfristige Stimmung der Anleger aufgehellt, das zeigt die wöchentliche Umfrage des Analysehauses Sentix. „Mit den EU-Beschlüssen in Brüssel und der zügigen Zustimmung von Bundestag und Bundesrat könnte man meinen, dass nun Ruhe und Zuversicht an den Märkten einkehrt“, sagt Sentix-Experte Patrick Hussy. Doch so weit ist es noch längst nicht. Denn mittelfristig sind die Investoren, ob private oder institutionelle, noch immer skeptisch.
Das besondere an der aktuellen Umfrage: Die Hälfte der privaten Anleger wurde bereits befragt, bevor die Gipfel-Beschlüsse über die Nachrichtenagenturen liefen. Bei ihnen war die kurzfristige Stimmung noch etwas verhaltener. Die später Befragten – also die andere Hälfte der Privaten und alle Institutionellen – waren besser gestimmt. „Klar, wenn die Kurse an den Börsen steigen wie am vergangenen Freitag, dann hebt das natürlich die Stimmung“, sagt Hussy.
Aber eben nur kurzfristig, denn mittelfristig sieht das Bild anders aus. Hussy spricht von „Ernüchterung“. Sowohl vor als auch nach der Bekanntgabe der Beschlüsse sind die Anleger für die Aktienmärkte auf Sicht von einigen Wochen eher pessimistisch gestimmt – und zwar für Europa ebenso wie für die USA, China oder Japan. „Damit ist die Gefahr latent vorhanden, dass der Jubelschrei an den Börsen vom vergangenen Freitag nur ein Strohfeuer war“, analysiert Hussy. „Es sieht so aus, als halten die Marktteilnehmer die politischen Lösungen der vergangenen Woche für nicht tragfähig.“ Ein treffsicherer Krisenseismograph ist der Euro. Auch in dieser Woche sieht es für die Gemeinschaftswährung nicht gut aus. In beiden Anlegergruppen messen die Sentix-Experten einen weiteren Vertrauensverlust. „Der Index fällt auf eine neues 52-Wochentief, was für die Politik eine herbe Ohrfeige darstellt“, so Hussy.
Doch was heißt das für die Märkte? Ist die Mini-Rally vom Freitag, die zum Wochenbeginn weiterging, wirklich nur ein Strohfeuer? Es gebe zwei Möglichkeiten, die aktuelle Datenlage zu interpretieren, sagt Hussy. Normalerweise lässt die Kombination aus kurzfristiger Zuversicht und mittelfristigem Pessimismus nur eine Deutung zu: Die Kurse werden noch einmal sinken, die zwischenzeitigen Kursgewinne sind lediglich eine kurzfristige Erholung.
Doch derzeit ist noch eine zwei Interpretation möglich: „Anleger haben sich an die ewigen Rettungspakete und Hilfszusagen aus Brüssel bereits gewöhnt und trauen der Politik nicht viel zu, entsprechend schlecht ist ihre mittelfristige Stimmung“, sagt Hussy. „Vielleicht wird da aber auch etwas verkannt und der Politik ist der große Wurf gelungen.“ Sollte das so sein und nach und nach ins Bewusstsein der Anleger vordringen, dann werde sich die mittelfristige Stimmung auch verbessern. Mehrere starke Tage an den Börsen könnten für eine solche Neueinschätzung der Lage schon ausreichen.
„Welches Szenario auch immer eintritt, wir rechnen mit starken Kursausschlägen nach oben oder nach unten“, sagt Hussy. Erst einmal erwartet er allerdings, dass die Anleger die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten, bevor sie die Lange neu beurteilen. Und damit hält er Kursausschläge nach unten auch für wahrscheinlicher.
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viele grüsse
cade
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