Für Freitag, den 07. Mai 2004 (19. KW 2004)
Sehr geehrte Damen und Herren,
die FED hat den Juni als Termin ins Spiel gebracht. Eine erste Zinserhöhung ist nun bereits zum 30. Juni möglich, denn die amerikanische Notenbank hat sich auf der Sitzung am 4. Mai faktisch einen Freifahrtschein erstellt, um die Zinsen jederzeit erhöhen zu können. Das bis dato geltende ungeschriebene Gesetz, daß die FED eine Zinserhöhung quasi ankündigt, ist damit außer Kraft gesetzt worden.
Greenspan wechselt von "geduldig" zu "wachsam". Das spiegelt sich zwar nicht im offiziellen Bias wider, der nach wie vor "neutral" ist, aber man konnte die Tonänderung zwischen den Zeilen mehr als deutlich lesen. Interessant ist:
Inflationssorgen plagen die FED nicht. Wie Alan Greenspan am Donnerstag in einer Rede noch einmal deutlich machte, sind die Gefahren eines aufkommenden Protektionismus in seinen Augen viel größer. Dieser droht die Vorteile der Globalisierung - die Erweiterung von Arbeitsteilung und -spezialisierung über die nationalen Grenzen hinaus - einzudämmen. Greenspan verbindet mit steigendem Protektionismus ein Absenkung der Flexibilität des Finanzsystems, eine Verringerung der Innovationsraten und eine Beeinträchtigung des Handels. Alle drei Punkten haben jedoch maßgeblich in den letzten beiden Jahrzehnten zu dem überdurchschnittlichen Wachstum der amerikanischen Wirtschaft beigetragen.
Mit einem Zusammenbruch des Immobilienmarkes rechnet Greenspan nicht. Es ist in den USA eine weit verbreitete Sorge, daß die stark gestiegenen Preise für Immobilien zu einer Blase geführt haben. Diese drohe bei einem Anstieg des Zinsniveau zu Platzen, was dann wiederum bei hochverschuldeten Besitzern zu Notverkäufen und Konsumreduktion führen würde. Auch in dieser Hinsicht argumentierte Greenspan konträr und verwies darauf, daß die Differenz zwischen der Entwicklung der Immobilienpreise und der gezahlten Mieten nicht schwerwiegend sei. Entscheidend sei auch, daß ein Anstieg der Hypothekenzinsen nur einen verlagerten mittel- bis langfristigen Effekt hat, da in der Regel vier Fünftel der Immobilienfinanzierung langfristig gebunden sei.
Im Ergebnis: Die FED ist weit weniger besorgt als der Kapitalmarkt. Nichtsdestotrotz gab man wie erwartet ein klares Signal, daß der "Notfallzinssatz" von 1,00% nicht auf Dauer zu halten sei und sukzessive angehoben werden wird.
Neben der FED trafen sich in dieser Woche auch noch die Mitglieder der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bank von England (BoE).
Die Zinserhöhung der BoE kam etwas überraschend. Die Briten gehen den Zinszyklus sehr offensiv an. Mit dem gestrigen Zinsschritt um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) auf 4,25% hat die BoE bereits die dritte Zinserhöhung seit November durchgeführt. Die Pfundzinsen lagen im vergangenen November noch auf einem 48 Jahrestief. Mit einem Satz von 4,25% liegt der Leitzins auf einem 2 ½ Jahreshoch.
Sehen wir da eine Panikreaktion in Großbritannien? Sicherlich: Die BoE hatte zahlreiche Gründe für einen weiteren Zinsschritt. Innerhalb der G7 hat Großbritannien mit 4,8% die niedrigste Arbeitslosenrate. Die Preise für Immobilien haben sich seit 1995 im Schnitt verdreifacht und der Schuldenstand der privaten Haushalte hat ein Rekordniveau von 974 Mrd. Pfund (1,45 Billionen Euro) erreicht. Die Frage ist jedoch, ob das Timing so stimmt und welchen Eindruck die Hektik der BoE bei den privaten und öffentlichen Haushalten hinterläßt.
Das Treffen der EZB war nur vordergründig ein Non-Event. Zwar blieb der Leitzins für den Euroraum unverändert bei 1,00%, aber die Auswirkungen am Anleihenmarkt waren erheblich.
Das Fenster für eine Zinssenkung hat sich definitiv geschlossen. Diese Erkenntnis - nicht unbedingt eine überraschende - sorgte am Mittwoch und Donnerstag für einen spürbaren Stimmungswandel bei den Euro Anleihen. Hier waren teilweise deutliche Abschläge zu verzeichnen. Für nachhaltig halte ich die Abschläge nicht, denn die EZB kann der FED und BoE nicht folgen. Eine Zinserhöhung im Euro zu diesem Zeitpunkt würde den Euroraum bzw. Deutschland und Frankreich in einer "Doppel-Rezession" führen.
Zu den Unternehmen:
ProSieben rüstet seine Finanzmittel auf. Der Milliardär Haim Saban fokussiert den Medienkonzern immer stärker auf eine Expansionsstrategie. Um im Zweifel die notwendigen Barmittel zu haben, plazierte ProSieben am Donnerstag kurzfristig eine Euro Anleihe mit einem Volumen von 150 Mio. Euro. Obendrein sicherte sich das Unternehmen noch eine 475 Mio. Euro Kreditlinie bei der Deutschen Bank und J. P. Morgan Chase, die auch die Anleihenemission durchführten. Meine Einstellung zu dieser Neuausrichtung habe ich Ihnen im neuen Anleihen-Compass 05/04 genannt. Die gestrige Emission bestätigte meine Meinung nur noch.
Die laufende Anleihenemission bei Preem geriet ins Straucheln. Die Emissionsbank hat offensichtlich das Marktumfeld falsch eingeschätzt. Anders ist die Mitteilung nicht zu deuten, daß der größte schwedische Ölkonzern das Emissionsvolumen um 20% auf 100 Mio. Euro senken und den Kupon um knapp 40 Basispunkte auf 9% anheben mußte. Die Anleihen sind von Standard & Poor's mit "B-" eingestuft worden. Sobald der Handel beginnt, werde ich mir die Anleihe noch einmal vornehmen.
Mit besten Empfehlungen
Ihr Mikey Fritz
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Schöne Grüße
arpad
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