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Alt 06-10-2011, 11:14   #68
Benjamin
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Diese wütenden US-Schreiberlinge aus dem rechten Milieu, die sich u.a. in den Kommentaren zu der einen Nachrichtenmeldungen von Fox-News auskotzen (allein der oben zitierte Artikel hat zur Stunde sage und schreibe "1688 comments" provoziert!!!) geben in der Tat zu denken.

Insbesondere deren Sprache macht Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen in den USA, weil da aus einem Bürgerprotest mit harmlosen Demonstrationen gleich ein "Kampf gegen Obama" wird, völlig ideologisch verblendet. Zur Übersetzung: Der Begriff "martial law", gebraucht von dem oben zitierten Schreiberling, bedeutet zu Deutsch "Standrecht, Kriegsrecht, Kriegsgesetz, mil. Ausnahmezustand".

Vermutlich wird es hinsichtlich "Gewalt" sehr darauf ankommen, wie Obama mit diesem Phänomen umgeht. Er hat derzeit wohl nur die Wahl zwischen schlechten Optionen:
  • Falls er versucht, das bei der schweigenden Mehrheit verloren gegangene Vertrauen zurück zu gewinnen, indem er "nach links" schwenkt, dann lassen ihn die Republikaner im Kongress am dann fehlenden Geld für den Staatshaushalt scheitern, was noch mehr Frust auslöst in der Bevölkerung, was vermutlich dem Präsidenten Obama angelastet werden wird.
  • Falls er versucht, das bei der schweigenden Mehrheit verloren gegangene Vertrauen zurück zu gewinnen, indem er "weiter so wie bisher" macht oder gar "nach rechts" schwenkt, um Gelder in seinen Bundeshaushalt durch den Kongress zu bekommen, dann wählt ihn die schweigende Mehrheit ebenfalls nicht mehr bei der kommenden Wahl, weil er zu "einem von denen" geworden ist und nicht der Breiten Masse hilft sondern sie offenbar nur mit schönen Worten verarscht.
Er kann im Grunde nur hoffen, dass es noch genug hoffnungsbehaftete Wähler gibt, die lieber ihn als einen Republikaner als Präsidenten sehen wollen. Die muss er nun motivieren, auch noch zur Wahlurne zu gehen. Seine primäre Klientel dürfte allerdings zu Nichtwählern werden - weil ausgefrustet. Die wütenden Typen wählen eher einen Republikaner, wenn er denn rechtzeitig vor der Wahl noch ein paar markige Sprüche abläßt.

Aber an der Stelle keine Illusionen: Jeder Präsidentschaftskandidat befindet sich in dem o.g. Dilemma; das gilt auch für einen hypotetischen neuen Kandidaten aus den Reihen der Protestler, falls sich so jemand finden sollte und noch irgendwie aufgestellt werden könnte. Was natürlich schon allein deswegen illusorisch ist, weil diese Protestbewegung als solche nicht nationwide organisiert ist und das auch niemals sein wird - analog zur dezentralen Bewegung der Tea-Party.

Hoffentlich treffen nirgendwo Gruppen von Anhängern (Jüngern?) dieser beiden Bewegungen aufeinander - das gäbe in der Tat Gewalt.

Ironischerweise dürften es eher zufällige Faktoren sein, die im Einzelfall bestimmen, ob jemand in die eine oder andere Gruppe rutscht (tatsächliche Geldsäcke sind hier ausgenommen); denn auch unter den Tea-Party-Anhängern befinden sich jede Menge Verlierer....

Es sieht schlecht aus für Obama und das friedliche Miteinander in der US-amerikanischen Gesellschaft. Die Machtmittel liegen bei den 1% Reichen und Mächtigen (tatsächliche "Geldsäcke"), nicht bei der 99%-Mehrheit der Bevölkerung (siehe obiges Posting #63) ...

Ich gewinne den Eindruck, dass die Entwicklung der Wohlfahrt der (US-)Gesellschaft ähnlich unsymetrisch verlaufen wird wie das bei der künftigen Entwicklung der jährlich netto der Wirtschaft bereitstellbaren Ölmenge erwartet wird (Net Hubbert Curve):




Der Abschwung (Absturz) ist viel steiler als der Aufschwung, d.h. der Abschwung vollzieht sich in viel kürzerer Zeit als der Aufschwung. Wir befinden uns heute wohl erst ganz am Anfang jenes Abschwungs analog zu der Situation beim Öl (siehe Grafik). Bei der analogen Grafik der jährlich netto der Wirtschaft bereitstellbaren Kreditmenge müßte natürlich die Öl-spezifische Verhältniszahl "EROI" entsprechend ersetzt werden durch die Verhältniszahl "netto frei für Einkäufe verfügbare Kaufkraftmenge je dafür eingesetzter Kreditsumme insgesamt" (aus letzterer müssen auch die Gebühren und Zinsen bezahlt werden).

Es wird deutlich: Die jährlich real verfügbare Kaufkraft wird immer kleiner werden, die wir netto aus der jährlichen Gesamt-Kreditmenge übrig behalten werden (nach Abzug der Zinsen). Wir können immer weniger einkaufen - besonders für die USA problematisch, dort kommt rund 75% der Wirtschaftsleistung aus dem Konsum!

Die Schrumpfung der jährlich real verfügbare Kaufkraft ist zwingend, weil wir uns von unserer eigenen Zukunft Geld leihen bzw. geliehen haben (bzw. von der Zukunft unserer Kinder und Enkel, die müßten die Schuld dann theoretisch erst erarbeiten) - wir werden es aber wohl nicht ausreichend erarbeiten können, weil die Voraussetzungen dafür bereits in der Vergangenheit (also heute!) weitgehend verfrühstückt wurden... was heute beginnt durch steigende Zinsen eingepreist zu werden!

Unser Anspruchslevel als Volkswirtschaft wird aber durch den höchsten erreichten Punkt der Kurve definiert, als waagerechte Linie (Tangente) dargestellt. Die Fläche, die zwischen jenem nicht mehr erfüllbaren Anspruchslevel (als waagerechte Linie dargestellt) einerseits und der Netto-Kurve andererseits liegt, stellt das Konfliktpotential in der Gesellschaft dar - und das wird sehr rasch größer. Immer mehr Leute wollen vom schnell immer kleiner werdenden Kuchen ein Stück abhaben - allen voran die Reichen und Mächtigen.


Insofern lande ich leider auch bei der gleichen Erwartung:
Zitat:
Ohne Gewalt wirds nicht funktionieren, ...
Nur stimme ich dem Ende des Satzes nicht zu (..."wer gibt schon schließlich gerne freiwillig Macht und Geld ab?"). Hier geht es nicht um Freiwilligkeit, hier stehen alle mit dem Rücken zur Wand - auch die Eliten. Hier gewinnt am Ende derjenige, der die stärksten Machtmittel einzusetzen in der Lage ist. Die o.g. Fläche wird zu groß werden, als das es ohne Gewalt abgehen wird - das ist jedenfalls die historische Lehre.

Es gibt nur ein einziges positives Beispiel in der Geschichte, wo eine Elite (ganz ähnlich mit dem Rücken an der Wand stehend) nicht die gewaltsame Fortsetzung des bekannten Weges wählte (wissend, dass dieser in den Untergang führt), sondern die Gesellschaft (als Not-Rettung) mehr oder weniger gewaltarm und geordnet vereinfachte und zurückführte auf ein Level, das langfristig aufrecht erhalten werden konnte. Das hatte allerdings einen enormen Verlust an materiellem und geistigem Wohlstand zur Folge.

Wer mag, kann hier mehr über jenes positive Beispiel lesen, und zwar am Ende des Postings #1:
http://www.traderboersenboard.de/showthread.php?t=39583
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Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (14-02-2016 um 21:33 Uhr)
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