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Alt 28-03-2004, 11:57   #2
Sofix
hab das Jodeldiplom
 
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Registriert seit: Jan 2004
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Beiträge: 33.766
"Mein bester Freund öffnete die Kommodenschublade seiner Ehefrau und holte ein in
Seidenpapier verpacktes Päckchen heraus. Es ist nicht irgendein Päckchen, sondern
eines mit Unterwäsche darin.

Er warf das Papier weg und betrachtete die Seide und die Spitze. „Dies kaufte ich,
als wir zum ersten Mal in New York waren. Das ist jetzt acht oder neun Jahre her. Sie
trug es nie. Sie wollte es für eine besondere Gelegenheit aufbewahren. Und jetzt,
glaube ich, ist der richtige Moment gekommen!“

Er näherte sich dem Bett und legte die Unterwäsche zu den anderen Sachen, die er
für das Bestattungsinstitut vorgesehen hatte.
Seine Frau war gestorben!
Als er sich zu mir umdrehte, sagte er: „Bewahre nichts für einen besonderen Anlass
auf! Jeder Tag, den du lebst, ist ein besonderer Anlass.“

Ich denke immer noch an diese Worte... sie haben mein Leben verändert.

Heute lese ich viel mehr als früher und putze weniger. Ich setze mich auf meine
Terrasse und genieße die Landschaft, ohne auf das Unkraut im Garten zu achten.
Ich verbringe mehr Zeit mit meiner Familie und mit meinen Freunden, ich teile mir
meine Arbeitszeit besser ein, Dinge, die nicht unbedingt wichtig sind, streiche ich,
was ich nicht selbst tun muss, delegiere ich.

Ich habe begriffen, dass das Leben eine Sammlung von Erfahrungen ist, die es zu
schätzen gilt.
Von jetzt an bewahre ich nichts mehr auf - für die "schlechteren" Zeiten. Ich benutze
täglich meine Kristallgläser! Wenn mir danach ist, trage ich meine neue Jacke, um in
den Supermarkt einkaufen zu gehen. Auch meine Lieblingsdüfte trage ich dann auf,
wenn ich Lust darauf habe, anstatt sie für die Festtage aufzubewahren.
Sätze wie z.B. "Eines Tages..." oder "An einem dieser Tage..." sind dabei, aus meinem
Vokabular zu verschwinden. Wenn es sich lohnt, will ich die Dinge hier und jetzt
sehen, hören und machen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was die Frau meines Freundes gemacht hätte, wenn sie
gewusst hätte, dass sie morgen nicht mehr sein wird (ein Morgen, das wir oft zu
leicht nehmen).
Ich glaube, dass sie noch ihre Familie und ihre engsten Freunde angerufen hätte.
Vielleicht hätte sie auch ein paar alte Freunde angerufen, um sich zu versöhnen oder
sich für alte Streitigkeiten zu entschuldigen.
Der Gedanke, dass sie vielleicht noch chinesisch essen gegangen wäre (ihre
Lieblingsküche), gefällt mir sehr.
Es sind die kleinen unerledigten Dinge, die mich sehr stören würden, wenn ich wüsste,
dass meine Tage gezählt sind. Genervt wäre ich auch, gewisse Freunde nicht mehr
gesehen zu haben, mit denen ich mich "an einem dieser Tage" in Verbindung hätte
setzen wollen. Genervt, nicht diese Briefe geschrieben zu haben, die ich "an einem
dieser Tage" schreiben wollte. Genervt, meinen Nächsten nicht oft genug gesagt zu
haben, wie sehr ich sie liebe...
Jetzt verpasse ich nichts mehr, verschiebe und bewahre nichts mehr auf, was uns
Freude und Lächeln in unser Leben bringen könnte. Ich sage mir, dass jeder Tag
etwas Besonderes ist, jeder Tag, jede Stunde, jede Minute."
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Gruß Sofix
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