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Alt 05-03-2004, 09:52   #17
gruengeist
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..Das Ende der Kindheit

Sie sind erst 12, sehen aus wie 16. Sie wollen die Pille, keine Puppen. Unsere Kinder
werden immer früher reif. Forscher haben jetzt untersucht, woran das liegt.
Damit Eltern darauf richtig reagieren können

Janina hat einen Busen, will bis Mitternacht in der Disko bleiben und endlich die Pille verschrieben bekommen. Janina ist 12 Jahre alt und ihre Eltern sind verzweifelt und ratlos.

Stationen der Entwicklung, die bis vor kurzem noch für Jugendliche ab 16 Jahren ein Thema waren. Heute setzt das Interesse daran schon bei Kindern ein - Janina ist keine Ausnahme. Folge: Eltern und Lehrer sind verunsichert, Konflikte programmiert. Ihr Dilemma: Einerseits soll man Dinge früher erlauben, andererseits will man die Kinder solange wie möglich vor negativen Einflüssen schützen. Viele Erwachsene fragen sich: Ist unser Nachwuchs wirklich so viel weiter als wir denken? Erziehungswissenschaftler und Psychologen gingen diesem Phänomen jetzt auf den Grund und stellten mit Erstaunen fest: Es stimmt. „Die Pubertät setzt heute schon mit sieben bis neun Jahren ein“, sagt Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Das ist im Schnitt drei Jahre eher als noch bei der Elterngeneration.“

Was ist bloß mit unseren Kindern los? Als einer der Hauptgründe für die so frühe Explosion der Hormone gilt die reichhaltige und unausgewogene Ernährung. „Noch vor zwanzig Jahren gab es höchstens zwei Fleischgerichte pro Woche. Heute werden Hamburger, Döner & Co. täglich zwischen Schule und Fußballtraining verdrückt“, sagt der Hormonforscher Professor Paul Kaplowitz von der Universität Richmond.

Fleisch bringt Hormone auf Trab

Mit gravierenden Folgen für die kindliche Entwicklung: Denn die im Fleisch enthaltenen Fette und Eiweiße lassen die Hormon-produktion auf Hochtouren laufen. Besonders das Leptin - ein Peptid, das von Fettzellen produziert wird und entscheidenden Einfluss auf die körperliche Reifung nimmt. Wissenschaftler haben aber auch entdeckt, dass pummelige Kinder deutlich schneller heranreifen als dünne. Grund: Wer an Körpergewicht zulegt, erhöht zugleich seinen Insulinspiegel, und der stimuliert die Bildung von Geschlechtshormonen.

Nicht weniger bedeutend ist nach Auffassung vieler Wissenschaftler die soziale Entwicklung im Kindesalter. Eine britische Unter-suchung belegt, Kinder, deren Eltern sich häufig streiten oder scheiden lassen, werden deutlich früher geschlechtsreif. Als dritten Punkt schließlich machten Psychologen den Einfluss der Medien als Katalysator für das frühe Ende der Kindheit aus. Dramatische Ereignisse wie der Terroranschlag vom 11. September 2001 oder der Amoklauf in Erfurt 2002 ungefiltert via Fernsehen ins Wohn-zimmer projiziert - belasten und überfordern die Jugendlichen. Medienwissenschaftler wie Professor Neil Postman von der New York University kritisieren: „Durch die Konfrontation mit solchen bedrohlichen Erlebnissen bekommt die Kinderseele einen ersten Riss.“ Ein Stein wird aus der Mauer gerissen, die die Kinder vor der Welt bis dahin schützte.
Welche Folgerung sollten Eltern daraus ziehen? Die Kinder nicht mehr die täglichen Nachrichten sehen zu lassen? „Zumindest bedenkenswert“, sagt Professor Postman, „immerhin steht fest, dass Sechsjährige mit Bildern von Gewalt bei weitem noch nicht so gut umgehen können wie Elfjährige.“

Frühreif - aber nicht früher reif

Auch das frühe Interesse am anderen Geschlecht wird in erster Linie durch die Medien geweckt. Sexualwissenschaftler Professor Norbert Kluge: „Ob in der Werbung, in Talkshows oder in Spielfilmen - alles dreht sich nur um Sex. Bei welchem Kind, wird dadurch nicht Neugierde geweckt?“

Kein Zweifel: Kinder gänzlich von der heute üblichen Informationsflut fernzuhalten, ist praktisch unmöglich. Professor Michael Schulte-Markwort, Kinder- und Jugendpsychiater: „Wir müssen uns damit abfinden, dass die Kindheit heute kürzer ist, ein hinzunehmendes Phänomen unserer Zeit.“ Ist daraus eine Zunahme von Teenager-Schwangerschaften zu folgern? Nein, absolut nicht, sagen Experten. Das Gegenteil ist der Fall. Einerseits machen Kinder immer früher Erfahrungen, andererseits aber sind sie in ihrer Persönlichkeit noch lange nicht gefestigt. Allein das Wissen um bestimmte Dinge, heißt noch lange nicht, dass man diesen Schritt auch vollzieht. [SIZE=3] Warum? Weil die seelische Entwicklung mit der biologischen nicht Schritt hält. Beruhigendes Fazit der Psychologen: Unsere Kinder sind zwar frühreif - aber eben nicht früher reif...


von Anke Schröder
entnommen der TV-Hören und Sehen vom 1.6.2002
© PM für das Internet aufbereitet 12/2002
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