Traderboersenboard

Traderboersenboard (http://www.f-tor.de/tbb/index.php)
-   Amerika, Asien (http://www.f-tor.de/tbb/forumdisplay.php?f=13)
-   -   Inside Wall Street -- Hintergründe und Analysen (http://www.f-tor.de/tbb/showthread.php?t=8653)

Starlight 20-06-2005 20:45

Millionendeals für Verbrecher


Dass es an der Wall Street nicht immer mit rechten Dingen zugeht, ist ein alter Hut. Immer wieder klären Gerichte, dass sich CEOs und Analysten, Banker und Hedgefond-Manager mit illegalen Mitteln bereichert haben – oft jedoch können die Betroffenen gerade mit dem Schuldspruch noch mehr Geld machen.

Berühmtestes Beispiel der jüngsten Zeit: Martha Stewart. Die einstige Hausfrau der Nation war zwar schon vor ihrer Beteiligung an einem Wall-Street-Skandal um Insiderwissen und Falschaussage ein Medienstar. Seit ihrer fünfmonatigen Haftstrafe jedoch hat sich das öffentliche Interesse an der TV-Frau noch gemehrt.

Ein Buch-Deal über ihre Erfahrungen im Knast soll Stewart bis zu 5 Millionen Dollar eingebracht haben. Der Fernsehsender CBS aus dem gerade gespaltenen Medienkonzern Viacom hat gerade die zeitweise abgesagte Ausstrahlung einer Doku mit dem Namen „Martha Stewart: Hinter Gittern“ angekündigt, und das ist nichts anderes als ausgezeichnete Werbung für einen TV-Herbst voller Martha-Höhepunkte: Auf NBC, der Fernsehtochter von General Electric, wird Stewart einen eigenen Ausleger der Donald-Trump-Show „The Apprentice“ moderieren, und beim Satellitensender Sirius eine wöchentliche Talkshow.

Ein anderer Fall, in dem eine bereits im Mediensektor arbeitende Person erst durch kriminelle Aktivitäten zu wirklicher Prominenz kam, lieg bereits ein Jahr zurück. Damals war aufgeflogen, dass der in der Branche durchaus angesehene Journalist Jayson Blair mehrere gefälschte Artikel in der renommierten New York Times untergebracht hatte. Manche stimmten hinten und vorne nicht, manche waren mit erfundenen Zitaten ausgeschmückt – die New York Times musste eine Zeit lang um ihren guten Ruf fürchten.

Blair hingegen musste um gar nichts fürchten. Kaum entlassen unterschrieb „einer der besten Schreiber unserer Zeit“, wie sein Verleger meint, einen Buchdeal über den Skandal. Das Buch mit dem schadenfrohen Titel „Burning down my Master’s House”, auf deutsch etwa “Wie ich die Hütte meines Herrn abgebrannt habe”, ging mit einer Erstauflage von einer Viertelmillion Exemplaren in die Läden.

Deutlich höher dürfte die Erstauflage von Jennifer Wilbanks sein. Die Bürgermeistertochter aus Duluth im US-Bundesstaat Georgia hätte vor einigen Monaten heiraten sollen, verschwand aber Tage zuvor spurlos. Nachdem sie – ganz wie in einem Film mit Julia Roberts – aus Bindungsangst einen Bus nach New Mexico bestiegen hatte, tischte sie Polizei und FBI eine Entführungs- und Vergewaltigungsgeschichte auf, bei der sich die Balken bogen.

Nachdem sich der erste Sturm der Entrüstung in den USA gelegt und verschiedene lokale und regionale Behörden fünfstellige Kosten für eine groß angelegte Suchaktion abgeschrieben haben, darf Wilbanks ihre Geschichte bei HarperCollins aus der NewsCorp-Gruppe von Rupert Murdoch veröffentlichen. Nach Medieninformationen soll sie einen Vorschuss über eine halbe Million erhalten, mehr Geld soll fließen, wenn das Buch verfilmt wird.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 22-06-2005 07:06

Sommeranfang… kein Grund zur Freude

Sommeranfang. Am Dienstag starten auch die amerikanischen Börsen in den Sommer, wenngleich man das den Indizes nicht ansieht. Und abgesehen davon, dass statistisch gesehen nicht etwa der Sommer, sondern der Frühling die beliebteste Jahreszeit ist, ist manchem auch gar nicht zum Feiern zumute. Im Gegenteil: Mit dem Sommer dürfte für die Wall Street eine große Dürre einsetzen.

Für Anleger und Analysten ist deshalb vielleicht auch gar nicht so wichtig, dass am Dienstag der Sommer beginnt. Viel interessanter ist, dass in anderthalb Wochen das dritte Quartal des laufenden Börsenjahrs beginnt und damit das zweite Halbjahr 2005. Für dieses zweite Halbjahr stehen die Zeichen nach Meinung von immer mehr Experten nicht so gut wie sich noch vor einigen Monaten abzeichnen wollte.

Wüe düster die Lage ist, hat erst am Montag ein Konjunkturindikator bezeugt, den die Wall Street gerne als rückwärtsgewandt und wenig aussagekräftig abhakt – der es aber gar nicht unbedingt ist. Der Index der Führenden Indikatoren ist um 0,5 statt der erwarteten 0,2 Prozent gefallen, es war der fünfte negaitve Monat in Folge. Für den Volkswirt Irwin Kellner von der New Yorker Hofstra-Universität ist der Trend klar: Im zweiten Halbjahr geht es für die US-Wirtschaft und die Aktienmärkte bergab.

Kellner, das muss gesagt sein, ist kein radikaler Pessimist. Im Gegenteil: Er gesteht den Bären zu, dass es durchaus auch im Moment den ein oder anderen Grund zu Optimismus gibt. Da wäre vor allem das anhaltend niedrige Zinsniveau. Trotz der steten Zinsanhebungen durch die Fed liegt die mit den Verbraucherpreisen inflationsbereinigte Rate bei nur 1,4 Prozent und damit um rund 1,25 Prozentpunkte unterhalb des historischen Mittelwertes.

Bei den niedrigen Zinsen setzt aber auch Kellners Pessimismus ein: Der marginale Unterschied zwischen kurz- und langfristigen Zinsen bringt die Banken unter Druck, deren Gewinnmargen als Geldverleiher sinken. Entsprechend fürchtet Kellner ein nachlassendes Interesse der Branche, weiterhin Geld auszuleihen, was zu die Investitionen in Corporate America ebenso drastisch drücken könnte wie die Ausgaben im Immoniliensektor, der zur Zeit als stärkster Wachstumsindikator den Optimismus zahlreicher Investoren nahezu allein rechtfertigt.

Zur Zinsproblematik wirft Kellner – das ist nicht überraschend – die hohen Energiepreise ein, die den Verbraucher im Sommer über die Benzin- und im Winter über die Heizölpreise belasten. Unterm Strich dürfe man sich darauf einstellen, dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA in der zweiten Jahreshälfte weiter verlangsame. Der Trend hat bereits eingesetzt: Nach einem BIP-Wachstum von 3,5 Prozent im ersten Quartal rechnet der Markt mit einem Wachstum von nur noch 3 Prozent im jetzt fast abgelaufenen zweiten Quartal.

Der Sommer beginnt für die Wall Street und damit eine Trockenzeit. Für Anleger ist das kein Anlass zur Freude.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 22-06-2005 20:51

Der Öl-Markt ist unberechenbar

Der Ölpreis wird immer undurchsichtiger. Im Mittwochshandel scheint es erneut, als hätte sich der Preis gänzlich von der Nachrichtenlage gelöst. Das überrascht allerdings nicht wirklich: Öl-Experten erklären schon seit Tagen, dass vor allem Spekulanten für die aktuellen Notierungen zuständig sind.

Am Mittwochmittag sind die Öl-Futures auf den niedrigsten Stand in vier Handelstagen gerutscht. Das heißt nicht, dass die Lage um den schwarzen Rohstoff entspannt ist. Im Gegenteil: Öl notiert nach wie vor sehr nahe an der 60-Dollar-Grenze, also weitgehend in unbekanntem Terrain und gefährlich dicht an einer psychologischen Marke, deren Fall die Märkte zumindest kurzfrisitg in Panik versetzen könnte.

Zur Nachrichtenlager: Die rechtfertigt nur zum Teil eine schwächere Notierung der Ö-Futures. Da wäre zum einen eine Studie der Cambridge Energy Research Associates (CERA). Die dortigen Experten gehen davon aus, dass die Förderkapazitäten in den nächsten Jahren starks zunehmen dürften. Bis 2010 könnten bis zu 16 Millionen Fass pro Tag mehr gefördert werden als zur Zeit, was einem Plus von 20 Prozent entsprechen würde. Damit dürfte das Angebot die Nachfrage um 6 bis 7,5 Millionen Fass pro Tag übersteigen – ein Kernproblem des Marktes wäre gelöst.

Schließlich war es zuletz vor allem die Sorge um die Kapazitäten von Opec und Co, die in Zeiten stark wachsender Nachfrage aus China, Indien und anderen Boom-Ländern in Bedrängnis zu kommen drohten.

Wie weit eine einfache Studie den Markt beeinflussen kann, ist indes vor allem an Tagen unklar, an denen Fakten vorgelegt werden – und seien es nur wöchentliche Zwischenstände aus den Öl-Lagern. Da sind die Pegel um 1,6 Millionen Fass gefallen. Die Erwartungen der Wall Street hatten in etwa auf eine solche Bilanz gedeutet, und auch die Tatsache, dass die Öl-Lager trotz des Rückgangs deutlich voller sind als historisch um diese Jahreszeit üblich, beruhigt und lässt die Futures fallen.

Die jüngsten Verbrauchsschätzungen indes wirken sich auf den Markt nicht aus, was nun wirklich nicht zu erklären ist. Neuesten Zahlen zufolge ist der Benzinverbrauch in den USA gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Prozent gestiegen, der Verbrauch an Destillaten wie Diesel und Heizöl ist um 6,9 Prozent gestiegen. Öl-Experten wie Torsten Fischer von Economy.com halten dies für „beunruhigend“ und sehen einen „Grund für Händler, die Preise wieder nach oben zu treiben“.

Das genau geschieht im Mittwochshandel allerdings nicht. Und wenngleich eben dieses Rätsel zum Teil mit der allgemein hohen Bewertung von Öl begründet werden kann, bleibt doch eine Schlussfolgerung: Der Handel mit den Schwarzen Gold ist zur Zeit extrem volatil, schwer berechenbar – und doch fast allein verantwortlich für das Auf und Ab an der Wall Street.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 22-06-2005 20:59

S&P-Analyse
„Wall Street sollte über den Sommer frei nehmen”


Von Sam Stovall, Chefanlagestratege bei S&P

...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...n-1230716.html

Starlight 23-06-2005 20:44

Was tun in China?

Die USA hatten in der jüngsten Geschichte wenig Probleme damit, ihre selbst auferlegten Regeln zu verletzen und sich anders zu verhalten, als man gegenüber dem Weltpublikum eigentlich erscheinen möchte. Am deutlichsten wird das seit zwei Jahren im Irak, wo die Roller der Amerikaner je nach Betrachtung zwischen „Befreier“ und „Besatzer“ schwankt.

Dass die USA weltweit an Glaubwürdigkeit verloren haben, ist nun auch nach Washington, D.C. durchgedrungen. Die Regierung verfolgt nun einmal ihre sehr egoistisch gesteckten Ziele. Doch gibt man sich hin und wieder doch überraschend konsequent, nicht zuletzt an diesem Donnerstag, an dem Notenbank-Chef Alan Greenspan und Finanzminister John Snow vor dem Kongress auftraten.

Beide, Greenspan und Snow, stehen für die USA als Stütze eines freien Welthandels ein – und am Donnerstag taten sie das konsequenter als manchem in der Regierung recht sein dürfte. Beide sprachen sich nämlich klar gegen Strafzölle auf chinesische Importe aus, mit denen zuletzt zahlreiche Experten planten, den asiatischen Partner zu einer Neubewertung seiner Währung zwingen zu können.

Erst zu Beginn dieser Woche hatte der republikanische Abgeordnete Phil English aus dem Bundesstaat Pennsylvania einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, der nach dem Auftritt der obersten Finanzpolitiker vor dem Kongress nun einigen Gegenwind verspüren dürfte.

Dabei ist eine Neubewertung des Yuan sicherlich nötig, denn durch die strenge Kopplung der Währung an den Dollar erschleicht sich China als Exportnation unfaire Wettbewerbsvorteile, die den USA schaden. Und doch: Im Sinne eines freien Welthandels sprechen sich Snow und Greenspan gegen Einfuhrquoten und Strafzölle aus.

Das dürfte allerdings weniger mit einem allgemeinen Glauben an Spielregeln zu tun haben, als mit einer ganz anderen Überlegung. Das Handelsbilanzdefizit, das zur Zeit eine der Hauptsorgen in Washington und an der Wall Street ist, dürfte sich nämlich durch solche Aktionen nicht mindern lassen. Im Gegenteil: Statt aus China, so Greenpan, würde Amerika wohl mehr aus Japan und anderen asiatiuschen Ländern einführen.

Dem amerikanischen Arbeitsmarkt wäre ebenso wenig geholfen. Denn dass begrenzte chinesische Importe durch in den USA gefertigte Produkte ersetzt würden, sei nicht zu erwarten.

So hätten Einfuhrbeschränkungen zwar keine positiven Auswirkungen, aber dafür eine negative Folge: Imageverlust. Über den machen sich Greenspan und Snow gleichermaßen Gedanken. „Unsere Rolle als Befürworter eines offenen Marktes und eines freien Handels wäre in Gefahr“, so der Finanzminister unisono mit Greenspan, der seinerseits langfristig „negative Folgen für den US-Arbeitsmarkt und den amerikanischen Verbraucher“ fürchtet.

© Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 24-06-2005 22:32

Der binationale Streit um Unocal

Die Bank of America steigt bei der größten Bank Chinas ein, der chinesische Elektrohersteller Haier bietet um das US-Traditionshaus Maytag, der chinesische Öl-Förderer CNOOC bitet um Unocal, der Kongress streitet über die Bewertung des Yuan… selten hat China die US-Börsen so bewegt wie in dieser Woche.

Überhaupt scheint China immer mehr schuld zu sein an allem was die Wall Street bedrückt. Das Handelsbilanzdefizit mit dem asiatischen Partner stiegt immer steiler an, und allen der Umstand, dass die USA immer maßloser aus China importieren sorgt dafür, dass auch immer mehr amerikanische Arbeitsplätze nach Fernost abwandern.

Hauptstreitpunkt zwischen den USA und China ist und bleibt aber Öl – ohnehin das vorherrschende Thema an der Börse. Da wäre zum einen die allgemeine Problematik: Während die Sorgen vieler Auguren, die Opec sei am Ende ihrer Förderkapazitäten angelangt und auch die Reserven gingen zur Neige, wohl überzogen ist, so ist doch eines unbestritten: Die vermehrte Nachfrage aus den boomenden Volkswirtschaften sorgt dafür, dass die Spanne zwischen Angebot und Nachfrage zumindest enger wird – und damit der Preis für jedes Fass, jede Gallone und jeden Liter steigt.

Klar, dass sich die Amerikaner vor einem solchen Hintergrund und der sich nicht gerade stabilisierenden Lage in den Öl-reichen Regionen im Nahen Osten künftig immer mehr auf eigene Reserven verlassen möchten als auf Importe. Klar, dass das aber auch die Chinesen wollen, die sich jetzt für Unocal interessieren.

Was den Konzern, der 1890 als Union Oli Company of South California gegründet worden ist, so interessant macht, ist nicht allein die Tatasche, dass er als einziger nennenswerter Konzern der Branche überhaupt zum Verkauf steht. Vielmehr dürfte die Chinesen reizen, dass mehr als die Hälfte der nachgewisenen Unocal-Reserven nicht etwa im fernen Amerika liegt, sondern einen kuren Bootstrip vor den eigenen Küsten.

Fast 70 Prozent der von Unocal registrierten 1,75 Milliarden Fass Öl und 120 Milliarden Kubikmeter Gas liegen vor Thailand, Indonesien, Myanmar, den Philippines und Bangladesch.

Ein Großprojekt in Kooperation mit BP läuft gerade in Aserbaidschan an, ein weiteres im Mekong-Delta von Vietnam. Weitere Reserven hat Unocal in den Niederlanden, im Kongo und Brasilien. Die Förderaktivitäten in Nordamerika, wo man einige Stationen im Golf von Mexiko betreibt, sind angesichts des gesamten Portfolios kaum der Rede wert.

Umso ironischer ist es, dass man sich in Washington Gedanken macht, ob den Chinesen eine Übernahme von Unocal aus Gründen des Heimatschutzes verboten werden kann. Dabei sind es weniger geografische Sorgen und die Angst vor Übergriffen, die der Regierung zu schaffen machen, als vielmehr der Wert von Öl und Gas als unverzichtbarer Motor der eigenen Volkswirtschaft.

Inwieweit sich dies als Argument durchsetzen wird, einen Verkauf nach China zu verbieten, ist fraglich. Erstens haben bislang auch andere US-Firmen problemlos nach China verkaufen dürfen – darunter zahlreiche große Hightech-Konzerne wie IBM –, und außerdem haben erst am Donnerstag Fed-Chef Alan Greenspan und Finanzminister John Snow den Kongress vor restriktiven Maßnahmen gegen den asiatischen Partner gewarnt.

Zudem könnte es durchaus im Interesse von Unocal und dessen amerikanischen Aktionären sein, nach China zu verkaufen. Immerhin bietet CNOOC – das Kürzel steht für Chinese National Offshore Oil Company und wird an der Wall Street etwa „si-nuk“ ausgesprochen – mit 18,5 Milliarden Dollar satte 2 Milliarden Dollar mehr für das Unternehmen als ChevronTexaco, der als zweitgrößter US-Konzern hinter ExxonMobil bereits seit einem Vierteljahr an einer Übernahme arbeitet und sogar eine vorläufige Zusage in der Tasche hat.

ChevronTexaco hat Unocal am Freitagmorgen öffiziell die Erlaubnis erteilt, trotz der bisherigen Zusage mit CNOOC zu verhandeln. Damit könnte sich eine Übernahme sehr lange hinziehen. Für wen die 6700 Unocal-Mitarbeiter künftig fördern werden, bleibt offen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 27-06-2005 20:48

Zwei Urteile für Corporate America

Die neue Woche an der Wall Street wird weitgehend in Washington bestimmt. Dort berät die Regierung über ein chinesisches Übernahmeangebot an den Öl-Konzern Unocal, dort legt die Notenbank die weitere Zinspolitik fest, und dort entschied am Montagvormittag der Supreme Court über einige Klagen, die Anleger jahrelang beschäftigt haben.

Vor allem zwei Urteile der höchsten US-Richter machen am Montag die Runde, und in beiden stellen sich die Unparteiischen auf die Seite der großen Konzerne. Da wären zum einen die Telekom- und Kabelanbieter, die kleinen Internet-Providern keinen Zugang zu ihren Netzen geben müssen. Das ist gut für Unternehmen wie Verizon und BellSouth, deren Marktstellung bestätigt ist, nachdem sie einige Jahre lang schwer unter Beschuss war. So hatte der Internet-Provider Brand X, der im entschiedenen Fall Kläger war, ursprünglich Telefonleitungen zur Datenübertragung geleast – bis die Kabelbetreiber selbst die Möglichkeiten der neuen Technologie erkannten und auf Kosten der unabhängigen Anbieter mit DSL in das Internetgeschäft einstiegen.

Das jüngste Urteil dürfte am Internet- und Kabelmarkt in den USA wenig ändern, da es den Status bekräftigt, der sich längst etabliert hat.

Auch die Auswirkungen eines zweiten Urteils sind umstritten. Der Supreme Court hat entschieden, dass die Hersteller von Download-Software von den Medienkonzernen verklagt werden können, deren urheberrechtlich geschätzte Produkte von Kunden raubkopiert werden. Die verklagten Unternehmen, Grokster und StreamCast als Mutterkonzern des Programms Morpheus, haben am Markt zwar heute keine Bedeutung mehr, wohl aber die klagenden Konzerne, allen voran Metro-Goldwyn-Mayer aus dem Sony-Imperium sowie Warner Music Group und Vivendi Universal.

Diese Großkonzerne dürfen nach jüngster Rechtssprechung gegen Unternehmen vorgehen, deren Programm Copyright-Verletzungen erlauben. Damit dürften in den nächsten Wochen und Monaten zahlreiche Millionen- und Milliardenklagen eingehen, mit denen sich die Musik- und Filmindustrie gegen die steigenden Verluste durch Raubkopien zur Wehr setzt. Allein für 2005 rechnen Branchenexperten mit einem Schaden von 5,4 Milliarden Dollar durch Raubkopierer. Tendenz steigend.

Abhängig von den anstehenden Einzelklagen dürfen sich die Medienkonzerne nun über einen Geldregen freuen. Dass der illegale Versand und Download von Musik und Filmen aufhört, ist indes unwahrscheinlich. Eric Garland, Chef des Musik-Datendienstes Big Champagne, glaubt, dass sich höchstens die Technik ändern und neue Möglichkeiten zum Datenaustausch ersonnen werden dürften.

So ist das Problem für die Industrie nicht gelöst, Hollywood und Co. bekommen höchstens eine kleine – vielleicht auch eine saftige – Genugtuung. Immerhin: Die Summern, die man von den Softwareherstellern im P2P-Bereich einklagen kann, dürften die bisherigen Schadenssummen deutlich übertreffen. Die kamen bisher nämlich allein von Einzelpersonen, von denen sich in den letzten fünf Jahren durchschnittlich 1000 pro Monat vor Gericht verantworten mussten.

Mit Blick auf diese künftig höheren Zahlungen lassen Anleger die Aktien der Medienriesen im Montagshandel klettern.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 29-06-2005 07:21

Der Markt stößt an eine Grenze

...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...e-1234702.html

Starlight 29-06-2005 21:20

Gottes Segen für Scrushys Betrug

Amerika hat die Nase voll vom Milliardenbetrug in den Chefetagen. Ganz Amerika? Nein – ein kleines Fleckchen in den Südstaaten stellt sich gegen den Trend: In Alabama hat zur Wochenmitte eine Geschworenen-Jury den früheren CEO des Gesundheitskonzerns HealthSouth in 36 Betrugspunkten freigesprochen. Die meisten Experten halte das Urteil für einen Skandal.

Ein besonderer Rückschlag ist der Freispruch von Richard Scrushy für die Befürworter des neuen Bilanzgesetzes Sarbanes-Oxley. Dieses zwingt CEO und Finanzchef seit drei Jahren, die Quartals- und Jahresbilanzen persönlich abzuzeichnen und später auch zu verantworten. Da Bilanzbetrug in Höhe von 2,7 Milliarden Dollar bei HealthSouth nach Einführung von Sarbanes-Oxley aufgeflogen war, hätte Scrushy als erster amerikanischer Top-Manager unter den neuen Vorschriften zu höheren Strafen verknackt werden können.

Doch es kam ganz anders: Der Staatsanwaltschaft letztlich ist der größte Fehler vorzuwerfen, der zu Scrushys Freispruch führte. Statt den CEO nämlich vor einem Bundesgericht in Washington, D.C. anzuklagen – was durchaus möglich gewesen wäre, denn Scrushy hat HealthSouth-Papiere bei der in der Hauptstadt ansässigen Börsenaufsicht SEC eingereicht – trat man vor einem lokalen Gericht in Alabama an. Die Jury bestand aus zwölf einfachen Bürgern, die von Bilanzbetrug im Grunde so wenig verstehen wie New Yorker Geschworde vom Baumwollpflücken.

Dafür kannten die Geschworenen den Angeklagten. Nicht persönlich, natürlich, das wäre nicht erlaubt gewesen. Doch gibt es in Alamaba – und erst recht nicht am Gerichts- und HealthSouth-Sitz Birmingham kaum einen, der Scrushy nicht kennt. Schließlich steht der Name des Philantropen an zahlreichen Häusern, Straßen und Plätze sind nach ihm benannt… und dann wäre da noch die Kirche.

In der Kirche hat sich Scrushy besonders engagiert, seit die Betrugsvorwürfe seiner Karriere bei HealthSouth ein Ende gemacht hatten. Scrushy ließ sich beim örtlichen Fernsehsender eine religiöse Talkshow einrichten und er trat einer überwiegend schwarzen Gemeine bei, um seiner Demut vor dem Herrn wöchentlich Ausdruck zu geben. Den Leuten in Alabama gefällt so etwas. Der Staat ist tief religiös, und dass man zwar vor dem himmlischen Herrn Respekt hat, die staatlichen Behörden aber nicht leiden kann – viele der Schwarzen in Alabama stammen von Sklaven ab –, machte den Behörden die Anklage nicht leichter.

Dabei hätte man eigentlich leichtes Spiel gehabt. Srushy hat nämlich, im Gegensatz zu zahlreichen verurteilten CEO-Kollegen wie John Rigas von Adelphia, Bernie Ebbers von WorldCom oder Dennis Kozlowski von Tyco eine dicke Beweisspur hinterlassen, mit der sich leicht aufzeigen ließ, wie und wo der Chef und seine Finanzleute die Bilanzen gefälscht und einen 2,7-Milliarden-Dollar-Betrug orchestriert hatten.

Doch nicht nur Beweise, auch Zeugen hatte die Anklage in eigentlich ausreichendem Maße. Alle fünf HealthSouth-Finanzchefs, mit denen Scrushy im Laufe seiner Karriere gearbeitet hatte, sagten übereinstimmend aus, wie der CEO die Zahlen polieren ließ und wie man „von Übertreibungen schließlich zu glattem Betrug“ gewechselt habe, um die hoch gesteckten Erwartungen der Aktionäre zu erfüllen.

Den Geschworenen kann es nicht leicht gefallen sein, die Finanztricksereien eines Gesundheitskonzerns irgendwie nachzuvollziehen. Auch dürften sie erhebliche Schwierigkeiten gehabt haben, die Schwere des Verbrechens nachzuvollziehen, bei dem es weder Tote noch Verletzte gab. Dass hunderttausende von Aktionären Geld verloren, als HealthSouth vor dem Bankrott stand, dürfte der Jury zu abstrakt gewesen sein.

Letztlich führte das dazu, dass zwölf Leute in Alabama den größten Gönner der Stadt und bibeltreuen Prediger Richard Scrushy in allen Anklagepunkten freisprachen. Scrushy dankte später in einer Presseerklärung vor allem Gott, was da schon nicht mehr überraschend war.

„Jede andere Jury, ob in Washington oder in New York, hätte Scrushy verurteilt“, meint John Coffee von der angesehenen Columbia Law School. Und sein Kollege Arthur Gross-Schaefer von der Loyola Marymount University in Los Angeles pflichtet bei: „Ein Freispruch in allen Punkten, das ist wirklich Besorgnis erregend.“

Wie skandalös der Richterspruch ist, der übrigens nicht angefochten und nur in einem Zivilprozess zumindest relativiert werden kann, zeigt auch eine Umfrage bei CNBC am Mittwochmorgen. Von den ansonsten eher managementfreundlichen Zuschauern meinten satte 90 Prozent, dass Scrushy zu Unrecht davongekommen sei. Nur 10 Prozent hielten das Urteil für angemessen.

© Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 30-06-2005 20:45

Der Bau-Boom zieht die Amerikaner auf’s Land

Die Daten zur US-Konjunktur fallen seit Monaten äußerst volatil aus, und längst haben sich die Berufsoptimisten auf einen einzigen Sektor eingeschossen, der mit jeder Zahl auf’s Neue glänzt: der Bau-Sektor. Für die meisten Experten an der Wall Street ist dessen Stärke allerdings abstrakt. Neue Häuser entstehen nämlich nicht in der Finanzmetropole New York und anderen Großstädten, sondern auf dem Land.

So ist es unwahrscheinlich, dass der Spezialist, der tagsüber noch die Papiere von Häuslebauern wie Toll Brothers oder Lennar Corp. gehandelt hat, auf dem Heimweg allzu viele Baustellen passiert. Auch der Branchenanalyst, der täglich über den Bau-Boom schreibt, wird zuhause in New York oder im benachbarten Connecticut höchstwahrscheinlich kein Neubaugebiet wachsen sehen.

Die Amerikaner, so zeigen jüngste Zahlen des Statistik-Amtes in Washington, zieht es nämlich aus den Millionenstädten hinaus in ruhigere Gegenden – und in wärmere Gefilde. Die schnellst wachsenden Städte bilden zwei Cluster auf der US-Landkarte. In den Top Ten der Orte mit den höchsten Zuwanderungsraten stehen mit Port St. Lucie, Cape Coral und Miramar drei Gemeinden aus dem Sonnenstaat Florida. Die Einwohnerzahl von Port St. Lucie hat in den vergangenen zwölf Monaten um 12 Prozent zugelegt – Rekord im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Die übrigen sieben Orte in den Top Ten liegen in Arizona, Nevada und Kalifornien und tragen Bilderbuchnamen wie Elk Grove, Moreno Valley oder Rancho Cucamonga.

Oder Gilbert. Das verhältnismäßig kleine Städtchen in Arizona ist in den letzten vier Jahren von 112 000 auf 156 000 Einwohner gewachsen. Das entspricht einem Wachstum um satte 42 Prozent oder tausend Neuzugängen pro Monat.

Interessanterweise schließen die Statistiker der Regierung in ihrer Ursachenforschung einen Faktor aus, der üblicherweise gerade im Südwesten eine Rolle spielt: Immigration. In und um Gilbert sind es nämlich keineswegs Einwanderer, die Häuser bauen. Vielmehr sind es die zahlreichen Amerikaner, die vor den Hintergrund niedriger Hypothekenzinsen den viel beschworenen Bau-Boom tragen, die aber in den Großstädten keine attraktiven Wohnverhältnisse und erst recht keine relevanten Wertsteigerungsprognosen mehr finden.

Vor allem letzterer Aspekt hat dazu geführt, dass die Metropolen unter Branchenexperten längst an Attraktivität und Bedeutung verloren haben. Sicher, in der Finanz- und Kulturstadt New York steigen die Preise immer noch. Doch stagniert der Markt im Vergleich zu anderen Regionen. Und die Einwohnerzahlen von Boston, Los Angeles und San Francisco sind sogar rückläufig, ebenso wie die Daten der ehemaligen Industriezentren Detroit, Pittsburgh und Cincinnati.

Letztere, so der Demograph Robert Lang von der Virginia Tech Universität in Alexandria, seien wohlgemerkt schon seit Jahrzehnten strukturbedingt auf dem absteigenden Ast. Die noch vor recht kurzer Zeit boomenden Zentren in Neu-England oder Kalifornien hingegen litten unter den überhöhten Preisen. Ein Blick auf die Preisstruktur im Immobilienland USA bestätigt das: Während ein durchschnittlicher Neubau in Gilbert, Arizona, rund 220 000 Dollar kostet, blättert der Bauherr in Boston schon 387 000 Dollar und in San Francisco gar 641 000 Dollar hin.

„Die Leute wollen mehr Haus für ihr Geld“, fasst der Statistiker William Frey vom Brookings-Institut in Washington zusammen. Und für Städte wie Gilbert und Miramar heißt das nicht nur, dass die Häuser größer und preisgünstiger gebaut werden, sondern dass auch die Rahmenbedingungen verbessert werden. Die Wachstumszentren – die Städte in der genannten Top Ten kommen auf Zuwachsraten zwischen 5 und 12 Prozent – verbessern laufend ihre Infrastruktur. Miramar, beispielsweise, hat gerade sein neues Verwaltungshaus bezogen, man arbeitet an einem Kulturzentrum mit großem Auditorium und neuen Geschäftspassagen.

© Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 01-07-2005 21:15

Patrioten an Grill und Börse

Mit grünen Pfeilen beginnt die Wall Street das zweite Halbjahr, doch kann es auch gut sein, dass die gute Laune auf dem Parkett gar nicht von den rosigen Aussichten her rührt. Im Gegenteil: Nach einer schwachen ersten Halbzeit freut sich die Wall Street auf ein langes Wochenende um den Unabhängigkeitstag am 4. Juli.

Für die patriotischen Amerikaner ist der 4. Juli einer der höchsten Feiertage überhaupt, gemessen an den Familienaktivitäten ist eigentlich nur Thanksgiving Ende November noch wichtiger – das liegt an den religiösen Wurzeln des Landes. Wie Thanksgiving ist auch der 4. Juli ein Tag, den die Amerikaner gerne mit Familie und Freunden verbringen, und das hat durchaus wirtschaftliche Folgen.

Der AAA, das amerikanische Pendant zum ADAC, erwartet, dass an diesem Wochenende mehr als 40 Millionen Amerikaner mehr als 80 Kilometer zurücklegen werden. Zu größeren Strecken ist an diesem verkehrsreichsten Wochenende in der Geschichte der USA auch nicht zu raten – die Autobahnen werden hoffnungslos verstopft sein, an den Flughäfen ist mit langen Schlangen und Verspätungen zu rechnen.

Das drückt die Feierlaune nicht, sehr zur Freude der Industrie: Während vor allem Feuerwerks-Hersteller am 4. Juli ihren wichtigsten Tag haben – an Silvester wird in den USA nicht geknallt – sieht auch manch andere Branche die Umsätze steigen. Die Textilhersteller beispielsweise drucken im Sommer besonders patriotische Mode. Hemden und Hosen mit Flaggenaufdruck finden reißenden Absatz. Der Einzelhandelsverband NRF sagt, das 51,8 Prozent der Amerikaner bereits rot-weiß-blaue Klamotten im Schrank haben, bis zu 24,2 Millionen Amerikaner dürften zudem in den letzten Tagen nachgekauft haben.

Der Einzelhandel gehört somit, wie bei jedem großen Festtag, zu den Hauptgewinnern. Und über satte Umsätze freuen sich auch Lebensmittelhersteller wie Kroger und ConAgra, deren Hot Dogs, Steaks und Burger am Wochenende auf hunderttausenden von Grillrosten brutzeln werden.

Für Aktionäre dürfte es dennoch nicht leicht sein, speziell am 4. Juli mitzuverdienen. Die großen Unternehmen, die von der Kauflust der Patrioten profitieren, reflektieren noch so viele andere Marktereignisse, dass der Unabhängigkeitstag wieder in den Hintergrund der Bilanz gedrängt wird.

Wer trotzdem etwas für die Volksseele tun will, der kann sich bei Brent Wilsey schlau machen. Der Finanzmanager von Wildey Asset Management hat ein „Patriotic Portfolio“ aufgestellt, das indes eher Vaterlandsliebe als Investorenverstand reflektiert. Denn recht einfach sind Wilsey Kriterien: Im Portfolio finden sich zum einen amerikanische Legenden wie Walt Disney und Wal-Mart, die beide seit Jahren mehr Probleme als Chancen haben und dem Markt schon lange hinterherlaufen.

Zum anderen nennt Wilsey Unternehmen, in denen das Wort „American“ vorkommt. Doch gilt wirklichen Experten die American International Group trotz eines günstigen Einstiegspreises und starker Quartalszahlen nicht gerade als bombensichere Anlage. Immerhin muss der Dow-notierte Versicherer einen Milliardenbetrug verarbeiten, zudem sind die Fundamentaldaten des Konzerns schwer zu durchschauen.

Bleibt American Eagles Outfitters, ein an der Nasdaq notierter Teenie-Ausstatter. Dessen Aktie wiederum gilt schon lange als heißer Tip – zu lange aber, als dass ein Einstieg aus purem Patriotismus zum jetzigen Zeitpunkt noch ratsam wäre. Allein im letzten Jahr hat sich das Papier auf 30 Dollar verdoppelt. Ob der Verkauf von Klamotten mit Flaggen-Aufdruck das notwendige Wachstum bringt, um diesen Trend zu halten, ist fraglich.

So sollte man den 4. Juli vielleicht einfach nehmen als was er ist: Ein Feiertag, ein Grilltag im Hochsommer. Die Börse bleibt geschlossen, diese Kolumne auch. Am Dienstag, 5. Juli, geht das Geschäft weiter.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 05-07-2005 19:52

Die Börse braucht ein wenig Magie

In einem Markt, in dem eigentlich nur noch der steigende und fallende Ölpreis die Kurse beeinflusst und in dem kein Index mehr aus seiner Handelsspanne herausfindet, täte gelangweilten Beobachtern ein Schuss Abwechslung gut. Der Markt braucht Magie, ein wenig Zauber… und Hilfe naht: Nächste Woche erscheint Harry Potter.

Der Zauberlehrling ist immer gut für ein paar spannende Zahlen. Zwar wird auch Harry Potter höchstpersönlich nicht die ganze Börse verzaubern können, doch wird er zumindest neben Millionen von Lesern ebenso viele Anleger und Analysten entzücken. Denn der Knabe von der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei ist bekanntlich längst ein Wirtschaftsfaktor, eine ganze Schar von Unternehmen lebt von den Abenteuern aus der Feder von J.K. Rowling.

Da wäre zum einen Scholastic, der an der Nasdaq notierte Herausgeber der Potter-Bücher. Bei dem laufen seit Monaten nicht nur die Vorbereitungen für Druck und Marketing. Vielmehr ist man in jüngster Zeit vor allem um die Sicherheit der Bücher bei der Auslieferung bemüht. Denn keiner der mit Spannung erwarteten 670-Seiten-Schinken darf vor dem Veröffentlichungstermin am 16. Juli in die falschen Hände geraten. Und bei 10,8 Millionen Exemplaren, die in der ersten Auflage verschickt werden – das ist wieder ein Weltrekord für den Zauberlehrling! – ist das kein leichtes Unterfangen.

Am einfachsten dürfte die Sicherstellung eines geregelten Vertriebs noch beim Internet-Händler Amazon ablaufen. Der verzeichnet jetzt schon mehr als eine Million vorbestellter Exemplare, was das Buch erneut vor Erscheinungstermin auf die Nummer Eins der Amazon-Bestseller-Liste setzt. Bei Amazon lagern die bereits gelieferten Potter-Bücher in einer Lagerhalle fernab von aller anderen Ware. Nur wenige Angestellte mit Extra-Pass haben Zutritt, dabeihaben dürfen sie nichts, wenn sie die Sicherheitsposten passieren.

Schwieriger gestaltet sich die Geheimhaltung bei den Buchhändlern im ganzen Land, bei denen ebenfalls schon die ersten Boxen eingetroffen sind. Sie lagern zur Zeit in den Büros der jeweilen Laden-Manger, wo sie ebenfalls bewacht werden. Für die Unternehmen ist das ein gehöriger Aufwand – der sich aber lohnt. Immerhin: Bei Barnes & Noble, dem größten der Old-Economy-Buchläden, rechnet man damit, allein am Erscheinungstag gut 50 000 Bücher pro Stunde absetzen zu können. „Auf solche Umsätze kommen 99 Prozent der Bücher auch über mehrere Jahre nicht“, meint CEO Steve Riggio.

Wo der Umsatz – und die damit verbundenen Unternehmensgewinne – so hoch sind, nehmen es die Mitarbeiter genau mit ihren Auflagen. Bis jetzt ist noch keine Kopie von „Harry Potter and the Half-Blod Prince“ an die Öffentlichkeit gelangt. Das berichtet der Internetdienst The-Leaky-Cauldron.org, der sich spezifisch mit Sicherheitslücken im Potter-Vertrieb auseinandersetzt.

Apropos Vertrieb: Nicht nur die Buchhändler selbst freuen sich auf den neuen Band von J.K. Rowling, auch für deren Versandpartner – allen voran den US-Paketdienst UPS – bringt der Zauberlehrling Geld mit. Allein die mehr als eine Million vorbestellten Bücher sollen am Erscheinungstag abgeliefert werden, und auch Laufe der nächsten Monate dürften die Bestellungen nicht abreißen.

Entsprechend vorsichtig dürften Analysten ines sein, wenn die Speditionsfirmen demnächst wieder ihre monatlichen Liefer-Volumina ausgeben. Ein plötzlicher Anstieg muss noch nicht zwingend auf einen breiten konjunkturellen Aufwärtstrend deuten. Vielmehr gilt es allein die 600 Lastwagen herauszurechnen, die Potter palettenweise an den Großhandel geliefert haben. Und hunderte von Lieferwagen, die Buchläden im ganzen Land ansteuerten.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 06-07-2005 20:39

London 2012“ spart New York eine Menge Geld

Jubel in London, Trauer und Enttäuschung in Paris… allein in New York lässt sich die Stimmung nach der erfolglosen Olympia-Bewerbung nicht auf einen Punkt bringen. Der Grund: Die Stadt war von vorneherein gespalten. Während die einen für „NYC 2012“ kämpften, scheuten die anderen Stress und Kosten für die Metropole am Hudson.

Sicher ist es für jede Stadt eine Ehre, die Olympischen Spiele zu veranstalten und die Welt zu sich einladen zu dürfen. Allein, vor allem letzterer Punkt ist für New York wenig spannend. Immerhin sieht sich die Metropole – laut eigenem Werbeslogan – ohnehin als „zweite Heimat für die Welt“. Und genau das ist auch der Punkt, der die Olypiade von vorneherein uninteressant machte für alle die, denen es weniger um persönliche Profilierung und gute Geschäfte für ein paar auserwählte Unternehmen ging als um das Allgemeinwohl.

Letzteres hängt nämlich an einer ganz einfachen Rechnung: Was kosten die Spiele? Was bringen die Spiele? Die Differenz aus diesen beiden Faktoren ergibt den Gewinn oder Verlust – und für New York war die Rechnung immer umstritten.

So ergeben sich die Kosten für die Olympiade aus dem Bau-Aufwand für neue Stadien und andere Sportstätten, dem Bau und der Ausstattung eines olympischen Dorfes für die Athleten sowie dem gigantischen Sicherheits-, Personal- und Marketing-Aufwand. Der Nutzen für den Veranstalter ergibt sich zum Teil aus Sponsorengeldern, zum Teil aus Eintrittsgebühren, vor allem aber aus dem Umsatz, den Millionen von Olympia-Touristen in die Stadt bringen, die sich schließlich nicht nur bei den Spielen, sondern auch in Hotels und Gaststätten aufhalten, die Flughafengebühren und Mietwagen bezahlen und den Einzelhandel vor Ort stärken.

New York allerdings, so die Olympia-Kritiker, hat einen ausreichend starken Touristenstrom. In der Hauptreisezeit im Sommer – und in diese Zeit fallen die Spiele 2012 – sind die Hotels weitgehend ausgebucht, für Restaurants und Broadway-Shows gibt es Wartelisten. Dazu ist die Infrastrukur auch ohne Olympiade völlig überlastet. Auf einen nenneswerten Olympiabonus hatten die Möchtegern-Veranstalter nie wirklich hoffen dürfen. Die „12 Milliarden Dollar und 135 000 neue Jobs“, die das Kommittee um den New Yorker Vize-Bürgermeister Doctoroff auf seiner Website verspricht, werden von vielen Experten angezweifelt.

In anderen Städten ist die Lage anders: Zwar musste Athen für die Spiele in 2004 satte 12 Milliarden Dollar investieren und damit etwa 5 Prozent des gesamten griechischen Bruttoinlandsproduktes. Doch steckt davon so viel in einer deutlich verbesserten Infrastruktur, dass Experten der antiken Hauptstadt einen Sprung um mindestens zwanzig Jahre in die Zukunft attestiert haben.

New York bietet solches Potenzial nicht, dafür wäre man auf den hohen Kosten sitzen geblieben. Bis zu 2 Milliarden Dollar hatte die Stadt New York zuletzt für ein höchst umstrittenes neues Stadion an der Westseite Manhattans bereitgelegt, das eine Mehrheit der New Yorker dort nie wollte. Der Sicherheitsaufwand, der in den letzten Jahren ohnehin gestiegen ist, wäre ausgerechnet in der 9/11-geprüften Metropole kaum zu tragen gewesen. Zum Vergleich: Während die Sicherheitsmaßnahmen bei den Spielen 1996 in Atlanta noch 150 Millionen Dollar gekostet hatten, bilanzierte man für Athen 2004 bereits 1,5 Milliarden Dollar. Die Kosten für New York 2012 wären um ein Vielfaches höher ausgefallen.

Dazu kommen die Folgekosten für die Veranstalter. Die Olympiastadt Sidney zahlt seit den 2000er-Spielen jährlich 32 Millionen Dollar für die Instandhaltung der damals gebauten Anlagen, die seither allerdings wenig genutzt werden. Der Mountainbike-Park wurde mittlerweile mangels Interesse geschlossen, das Reitstadion verheizt jährliche Subventionen von etwa 1 Million Dollar. Der Sidney Superdome, der seinerzeit für die Basketball- und Turn-Entscheidungen gebaut worden war, hat unlängst Konkurs angemeldet.

Solche Schicksale bleiben den New Yorkern nun erspart – zunächst einmal, und wahrscheinlich auch für sehr lange Zeit. Denn von einer Bewerbung für die Spiele in 2016 will Bürgermeister Bloomberg zunächst nichts wissen. Der Nationale Olympische Kommittee der USA wird sich unterdessen überlegen, ob man nicht beim nächsten Mal statt der größten, dichtest besiedelten und von Touristen meist heimgesuchten Stadt eine andere Metropole antreten lässt. Für zig Städte zwischen Boston und Denver, Sacramento und Chicago würden sich die Spiele bei ähnlich hohen Kosten unter Umständen lohnen.

© Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 06-07-2005 20:45

Nahende Berichtssaison birgt Abwärtsrisiken an Wall Street

...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...t-1256470.html

Starlight 06-07-2005 20:48

S&P-Analyse
Institutionelle Anleger treten verstärkt als Verkäufer auf
Von Mark Arbeter, technischer Chefstratege bei S&P

...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...f-1258543.html

Starlight 07-07-2005 20:35

Die Börse trauert, der Dow Jones nicht

Wenn an den New Yorker Börsen überhaupt etwas von den Londoner Terror-Anschlägen zu sehen ist, dann vor allem draußen vor der Türe. Da haben sich Polizeiwagen aufgereiht, um das ohnehin bestens bewachte Gebäude zusätzlich zu sichern. Im Innern, auf dem Parkett, hat sich die Lage mittlerweile beruhigt, der Handel läuft wie gewohnt.

Wie gewohnt, das bezieht sich auch auf die Kursschwankungen. Gegen Mittag notiert der Dow-Jones-Index mit einem Minus von 30 Zählern, und das ist nun wirklich keine erschütternde Bilanz für einen Tag, der von einem der größten Terror-Anschläge der letzten Jahre geprägt ist. Im Gegenteil: Angesichts eines Minus von fast 200 Punkten, das die Dow-Futures im vorbörslichen Handel noch verzeichnet hatten, läuft es ausgesprochen gut an der Wall Street.

Wie kommt’s? Nun, streng genommen war nichts anderes zu erwarten. Man will ja – weder an der Börse noch in den Finanzmedien – kalt und herzlos klingen, doch ist unstrittig, dass die Anschläge wenig Folgen für Konjunktur und Unternehmen haben dürften. Ausnahmen gibt es natürlich. Die Aktien der Fluggesellschaften verlieren ebenso wie die Hotelpapiere, weil der Tourismus nach Terroranschlägen gewöhnlich zumindest für einige Zeit einbricht. Auch die Versicherer geben nach, da sie für Schäden aufkommen müssen.

Die negativen Reaktionen dieser Aktionen sind aber ebenso wenig markttypisch wie die positiven Reaktionen eines anderen Sektors: Die Aktien verschiedener Hersteller von Sprengstoffdetektoren sowie von Sicherheits- und Überwachungssystemen legen zu, lassen den breiten Markt aber unberührt.

Dass der breite Markt nicht stärker auf die Londoner Anschläge reagiert, ist auf die überschaubaren Folgen für die Wirtschaft zurückzuführen. Selbstmordattentäter leiten weder eine Rezession ein, noch lassen sie den Immobilien- oder Arbeitsmarkt einbrechen. Entsprechend ist es an diesem Donnerstag auch nicht das erste Mal, dass die Wall Street verhalten auf große Ereignisse reagiert.

Man nehme die jüngsten Terror-Anschläge seit dem 11. September 2001. Der Angriff auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Washington hatte die Börse bekanntlich richtig aus der Bahn geworfen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass die Börsen nach dem Anschlag tagelang geschlossen und die amerikanischen Finanzmärkte weitgehend unerreichbar blieben, ließ den Dow binnen weniger Tage um fast 20 Prozent auf 7926 Punkte abrutschen. Nach einer kurzen Erholung ging der Abwärtstrend – gefördert eher von einer Rezession als von den Attentaten – weiter und kam erst mehr als ein Jahr später, am 10. Oktober 2002, auf ein Tief von 7533 Punkten.

In die folgenden Monate, als sich der Dow kontinuierlich nach oben arbeitete und schließlich wieder fünfstellig notierte, fielen die Terror-Anschläge in Indonesien am 12. Oktober 2002 und in Kenia am 28. November 2002, bei denen insgesamt 220 Menschen getötet wurden. Beide Anschläge hatten an der Wall Street keine Auswirkungen, die Erholung blieb intakt, ebenso wie bei den Anschlägen in Saudi-Arabien und Marokko im Mai 2003 und in der Türkei im November 2003.

Als jüngstes Beispiel für die maßvollen Reaktionen der Börse auf Terror gelten die Anschläge in Madrid, wo am 11. März 2004 zehn Bomben gezündet und 292 Menschen getötet wurden. Der Dow gab am Tag der Anschläge ganze 170 Punkte ab. Immerhin 110 Punkte machten die Blue Chips am nächsten Tage aber wieder gut, und rückblickend blieb auch damals der Handelstrend intakt.

Letztlich wird es mit den Kursverlusten an diesem Donnerstag nicht anders sein. Auf einem später zu erstellenden Jahres-Chart werden sie nicht auffallen. 30 Punkte? – Ein pessimistischer Analyst kann auf dem Parkett mehr Schaden anrichten, von einem steigenden Ölpreis oder den Wirbelstürmen im Golf von Mexiko ganz zu schweigen.

Dass sich die Anschläge von London im Dow nicht widerspiegeln, soll indes nicht heißen, dass New York über die schrecklichen Geschehnisse einfach hinwegsieht. Im Gegenteil: Die Stimmung auf dem Parkett ist gedrückt. Nirgendwo sonst können die Menschen mehr nachvollziehen, was es bedeutet, wenn Terroristen zuschlagen und Menschen im direkten Umfeld getötet werden. An der Wall Street arbeitet niemand, der nicht ständig mit Erinnerungen an den 11. September 2001 konfrontiert wird. Keiner, der heute nicht in Gedanken bei den Opfern in London und bei allen Briten ist. Allein eine Trauerbezeugung im Dow verkneift man sich eben.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 08-07-2005 21:15

Die große Angst vor „Dennis“

„Dennis“ schafft, was Alan, George und selbst Osama zuletzt nicht schafften: Er bewegt die Börse. Während die Indizes an der Wall Street zuletzt jeder Zinsanhebung, jeder Rede aus dem Weißen Haus und sogar den Bombenanschlägen auf London trotzten, zittert man jetzt vor einem Wirbelsturm, der die Öl-Produktion im Golf von Mexiko gefährdet.

Und was könnte es in diesen Tagen schlimmeres geben, als die Öl-Produktion zu beeinträchtigen. Amerika befindet sich mitten in der Hauptreisezeit, da nicht einmal ein Rekord-Benzinpreis von 1,85 Dollar pro Gallone Wochenendausflüge zu streichen vermag. Nach dem Sommer kommt mit dem Winter die Heizsaison, für die schon vorab manche Experten eine Öl-Knappheit prophezeihen. Gleichzeitig versucht ein chinesischer Konzern den Amerikanern den Produzenten Unocal wegzukaufen, während die Lage im Golf – wo immer noch der größte Teil der amerikanischen Öl-Importe gefördert wird – weiter alles andere als stabil ist.

Ausgerechnet in solchen Zeiten bläst „Dennis“ über das Karibische Meer, der Wirbelsturm hält am Freitag mit etwa 215 Stundenkilometern auf den Golf von Mexiko zu. Dort könnte er für Millionenschäden an Öl-Plattformen sorgen, lange bevor er irgendwann am Sonntag oder Montag zwischen Florida und Louisianna an Land gehen dürfte.

Wie hoch die Schäden sein könnten, glauben Experten recht genau beziffern zu können. Immerhin hatte erst vor einem Jahr der Hurrikan „Ivan“ eine ähnliche Route durch den Golf gewählt. Die Schadensbilanz damals: 7,25 Prozent der Jahresproduktion oder 43,8 Millionen Fass gingen den Unternehmen verloren. Auf die täglichen Kapazitöten umgerechnet könnte „Dennis“ 3,5 Prozent der Produktion oder 47 957 Fass pro Tag kosten. Dazu kommt ein wahrscheinlicher Wegfall von 10 Millionen Kubikmeter Gas oder 3,7 Prozent oder Produktion.

Welcher Sachschaden an den Plattformen entstehen könnte, ist vorab schwer einzuschätzen. Auf jeden Fall aber ist die Gefahr konkret: „Dennis“ hat bereits für die Evakuierung von 69 Plattformen gesorgt, die nach Einschätzung des Wetterdienstes und der betroffenen Unternehmen direkt gefährdet sein sollen.

„,Dennis’ ist jetzt ein Hurrikan der vierten Kategorie mit realen Risiken“, fasst Jason Schenker zusammen, der Öl-Analyst der Wachovia Bank. „Die Preisverschiebungen in den nächsten Tagen dürften damit fast ausschließlich wetterbedingt sein.“

L © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 11-07-2005 22:49

Indexprognosen - viele Analysten liegen daneben

...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...n-1253012.html

Starlight 12-07-2005 19:29

Zwischen Arbeitszeit und Freizeit

Es mag keine wirklich neue Nachricht sein, dass immer mehr Berufstätige im Büro gerne Zeit mit privaten Dingen verbringen. Der eine bucht den Urlaubsflug, der andere schreibt E-Mails an Freunde – wer weiß, vielleicht lesen Sie ja auch diesen Bericht während der Arbeitszeit, obwohl er mit dem Kerngeschäft eigentlich nichts zu tun hat.

Eine Untersuchung von AOL und Salary.com hat sich jetzt genauer mit dem Ausmaß der Zeitverschwendung beschäftigt, mit höchst interessanten Ergebnissen. Zunächst die gute Nachricht: Arbeitgeber rechnen durchaus damit, dass Arbeitnehmer bis zu eine Stunde täglich mit privaten Dingen vertun. Die schlechte Nachricht: In Wahrheit sind es mehr als zwei Stunden, die drauf gehen – jedenfalls in den USA.

Was die Amerikaner mit ihrer Zeit anfangen, ist höchst unterschiedlich – und manchmal dreist: Dass die überwiegende Mehrheit im Netz surft, emailt, Urlaub bucht und bei Ebay mitsteigert, mag ja ebenso angehen wie der Plausch mit Kollegen. Dass zahlreiche Angestellte allerdings das Büro verlassen, um schnell einkaufen zu gehen (Nummer fünf auf der Liste der Tätigkeiten), dürfte manchen Chef ärgern.

Nicht zu unterschätzen sind einfaches Zu-spät-kommen oder Früher-gehen, da sich ein paar Minuten täglich zu einem größeren Betrag summieren. Und gleich doppelt ärgerlich dürfte es für manchen Chef sein, wenn sich Mitarbeiter während der Arbeitszeit der Job-Suche widmen und Bewerbungen für andere Stellen schreiben.

Das ganze ist umso ärgerlicher, als die außerplanmäßigen Aktivitäten der Angestellten ganz schön ins Geld gehen. Allein die 1,09 Stunden, die Unternehmen ihren Mitarbeitern eigentlich nicht für private Tätigkeiten eingeplant haben, kostet die US-Wirtschaft jährlich 759 Milliarden Dollar.

Folgen dürfte die Zeitverschwendung dennoch nicht haben. Im Gegenteil: Experten wie Bill Coleman von Salary.com sind überzeugt, dass es Unternehmen sogar nutzt, wenn sich Angestellte hin und wieder eine Pause gönnen. Schließlich müssen gute Arbeiter hin und wieder ihre Batterien aufladen. Internet-Surfing hat zudem noch nie geschadet, wenn sich der Zeitvertreib auf Nachrichten und bestimmte berufsnahe Themen bezieht. Und der Kollegen-Plausch im Flur stärkt die Unternehmenskultur und den Zusammenhalt der Truppe.

Ob die positiven Effekte des alltäglichen Schlendrian die hohen Kosten ausgleichen, lässt die Untersuchung offen – mancher Erfolg dürfte auch schwer zu beziffern sein.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 13-07-2005 20:51

Der „bizarre“ Fall Ebbers

„Völlig bizarr“ findet Bernie Ebbers, was in den letzten drei Jahren über ihn eingebrochen und am Mittwochmorgen in New York zu Ende gegangen ist. Der einst gefeierte CEO des Telekomriesen WorldCom ist zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt worden. Für den fast 65-Jährigen kommt das einer lebenslangen Strafe gleich.

„Völlig bizarr“ finden indes nur wenige Prozessbeobachter, was da mit Ebbers geschehen ist. Immerhin steht der einstige Musterjunge der Wall Street hinter dem größten Bilanzbetrug in der Geschichte von Corporate America. Hinter der 21-Milliarden-Pleite seines Unternehmens steht selbst Enron zurück. Doch von vorne:

Ebbers Karriere begann 1992 mit der Gründung eines Ferngesprächsanbieters, aus dem drei Jahre später WorldCom wurde. Weitere zwei Jahre später wurde MCI übernommen, eine geplante Akquisition von Sprint verhinderten die Kartellbehörden. Dennoch wuchs WorldCom so schnell wie kaum ein Unternehmen in der ohnehin explosiven zweiten Hälfte der Neunzigerjahre. 1999 notierte die Telekom-Aktie auf einem Allzeit-Hoch von 64,50 Dollar.

Dann kam die Jahrtausendwende, dann der Einbruch der Aktienmärkte und für WorldCom war der Erfolg so schnell vorbei wie er gekommen war. Im Sommer 2001 kündigte das Unternehmen die ersten 6000 Entlassungen an, ein Jahr später sollten weitere 17 000 Mitarbeiter gehen. Im Juni 2002 notierte die WorldCom-Aktie unter 1 Dollar, CEO Bernie Ebbers trat zurück und die Börsenaufsicht SEC reichte eine Betrugsklage ein. Wenige Tage später, im Juli 2002, meldete WorldCom mit einem Schuldenberg von 21 Milliarden Dollar Konkurs an.

Auf dem Weg ins Aus verloren Zehntausende von Mitarbeitern nicht nur ihren Job, sondern ihre gesamte Rentenersparnisse, weitere Opfer gab es an der Wall Street. Die ehemaligen Mitarbeiter sind am Mittwoch froh, Ebbers auf dem Weg ins Gefängnis zu sehen. „Es ist Zeit geworden, dass Bernie für seine Fehler zur Verantwortung gezogen wird“, urteilt Robert Hudspeth, ein ehemaliger Manager unter Ebbers. Und auch Henry Bruen, der vor Gericht mehrfach als Stimme der ehemaligen Angestellten aufgetreten war, meint: „Bernie Ebbers und Scott Sullivan haben meine Karriere ruiniert.“ Bruen, einer der Top-Verkäufer bei WorldCom hat noch immer keinen Job, sein ehemaliger Finanzchef Sullivan ist längst schuldig gesprochen worden und wird sein Strafmaß Anfang August erfahren.

„Völlig bizarr“ findet Ebbers dennoch, was er in jüngster Zeit durchmachen musste. Geäußert hat er das zuletzt am Dienstag auf seinem Flug nach New York, den er bizarrerweise in der Touristenklasse absitzen musste. Statt dem üblichen Erste-Klasse-Dinner knabberte Ebbers an Kartoffelchips und Schokoladenrosinen – und beklagte sein Schicksal. Das sieht unter anderem vor, dass auch Ebbers Familie künftig nicht auf das ergaunerte Vermögen des Ex-Börsenstars zurückgreifen kann. Mehr als 45 Millionen Dollar musste Ebbers zur teilweisen Beilegung zahlreicher Zivilklagen abdrücken, seiner Frau bleiben ein kleines Haus im Bundesstaat Mississippi – die größere Residenz ist auch weg – und 50 000 Dollar.

„Bizarr“ auch, dass das New Yorker Gericht vieles nicht berücksichtigen wollte, was Ebbers eine Strafmilderung hätte einbringen sollen. Chef-Verteidiger Reid Weingarten verweist darauf, dass der Prozess eigentlich in Mississippi hätte stattfinden sollen – eine lokale Geschworenen-Jury hat erst vor kurzem den ehemaligen HealthSouth-CEO Richard Scrushy freigesprochen, nachdem man persönliche Gefühle gegenüber dem praktizierenden Christen höher eingestuft hatte als stapelweise Beweise über seinen Milliarden-Betrug.

Auch, so Weingarten, habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass Ebbers einst viel Geld an wohltätige Zwecke gespendet und außerdem 169 Freunde gefunden habe, die in der Woche vor der Verkündigung des Strafmaßes Bittbriefe an das Gericht geschickt hatten. Auch Ebbers’ Alter und seine angeschlagene Gesundheit hätte die Verteidigung gerne berücksichtigt gesehen.

Ebbers mit bescheidenen 64 Jahren und einem schwachen Herzen hingegen eine milde Strafe zuzusprechen wäre angesichts seiner Taten wirklich „bizarr“ gewesen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 14-07-2005 20:52

Öl beschäftigt alle Instanzen

Öl, Öl, Öl... selbst mitten in der Ertragssaison und an einem Tag mit vielen guten Nachrichten aus Konjunktur und Hightech geht es an der Wall Street weitgehend um einen Rohstoff. Mit Öl steht und fällt der Verbraucher, mit dem Verbraucher der ganze Rest, und in Washington ist Öl zur Zeit der wichtigste Faktor nationaler Sicherheit.

Entsprechend genau verfolgt die Wall Street die Anhörungen zur geplanten Unocal-Übernahme, die in diesen Tagen nicht wie sonst üblich vor den Wettbewerbshütern stattfinden, sondern vor dem Kongress und dem Streitkräfte-Ausschuss. Dessen Abgeordnete sind auf den Barrikaden, weil bekanntlich der teilweise zur chinesischen Regierung gehörende Öl-Konzern CNOOC ein Angebot für das südkalifornische Unternehmen Unocal eingereicht hat, und noch dazu eines, das Management und Anleger nicht kalt lässt.

Satte 18,5 Milliarden Dollar bietet CNNOC für Unocal, und das sind fast 2 Milliarden Dollar mehr als ChevronTexaco zu zahlen bereit scheint. Dass sich Unocal eigentlich schon an ChevronTexaco versprochen hat, ist spätestens seit Mittwoch kein Thema mehr: CNOOC wird zwar nicht, wie erwartet, sein Angebot aufstocken, will Unocal aber für anfallende Strafen wegen Vertragsbruchs entschädigen. Das ist bei umkämpften Mergern und Übernahmen durchaus üblich und dürfte niemanden schockieren.

So würde vieles dafür sprechen, dass sich der Unocal-Vorstand, der zeitgleich mit dem Kongress tagt, für nähere Verhandlungen mit dem chinesischen Werber ausspricht. Es wäre nichts anderes als die direkte Umsetzung der Gesetze des Marktes, nach denen das höhere Angebot den Zuschlag bekommt – vor allem im Sinne der Aktionäre, die pro Papier von CNOOC 67 Dollar bekommen sollen, von ChevronTexaco aber nur 60,50 Dollar.

Wettbewerbsrechtlich ist gegen einen Unocal-Verkauf nach China nichts einzuwenden, was der Regierung in Washington große Sorgen bereitet. Öl ist zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor überhaupt geworden, und dei Amerikaner würden gerne ihre eigene Produktion aufstocken und die Abhängigkeit von politisch labilen Öl-Exporteuren im Mittleren Osten minimieren. Ein Verkauf eigener Anlagen widerspräche diesen Bemühungen – auch wenn Unocal gar nicht so sehr im eigenen Land fördert, sondern drei Viertel seiner Produktion vor den Küsten Asiens hat.

Im Streitkräfteausschuss ist man sich ausnahmsweise über die Parteigrenzen hinweg einig, dass geographische Aspekte keine Rolle spielen sollten. Vielmehr könnten eigene Öl-Kapazitäten die Aufrüstung des chinesischen Militärs begünstigen und für Unruhe in Asien und vor allem in Taiwan sorgen. Der Gedanke, dass Öl in den Händen der friedliebenden Amerikaner besser aufgehoben wäre und international Beruhigung verbreiten würde, ist zwar lächerlich und wird von Wirtschaftsrechtlern wie Jerry Taylor vom Cato Institute abgelehnt. Doch bitten Abgeordnete um den Republikaner Chuck Grassley und den Demokraten Max Baucus ihren Präsidenten George W. Bush, notfalls von seinem Veto-Recht Gebrauch zu machen, um einen Verkauf von Unocal an CNOOV zu verhindern.

Vor solche Hürden gestellt, wird sich das Unocal-Management mit einiger Wahrscheinlichkeit schon sehr bald für einen Deal mit ChevronTexaco entscheiden, der nac Branchenangaben binnen eines Monats durchgeführt sein könnte und nicht mit kartellrechtlichen Problemen zu kämpfen hätte. Entschieden ist vorab aber noch nichts, zumal im Kongress auch Gegenstimmen laut werden.

Die Befürworter eines internationalen Handels weisen zurecht darauf hin, dass dich amerikanische Firmen mit beiden Händen in China und anderen Ländern bedienen, und dass auch amerikanische Öl-Konzerne in der Vergangenheit an britische Unternehmen verkauft werden durften.

So sorgt Öl mittlerweile nicht nur für Kurssprünge und Kursstürze, sondern auch für diplomatische Verwicklungen. Die Wall Street wird das Geschacher um Unocal und den Tageswert des schwarzen Goldes weiter im Auge behalten, denn Öl ist nach wie vor der wichtigste Marktfaktor – auch in der Ertragssaison. Schließlich ist auch im Donnerstagshandel nicht klar, ob starke Quartale für Apple und AMD die Börsen so hoch halten oder der Ölpreis, der zur Mittagsstunde mehr als 2 Dollar verloren hat und bei 57,88 Dollar pro Fass notiert.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 15-07-2005 21:26

Ab ins Wochenende!
Ein Händler auf dem New Yorker Parkett hatte schon am Donnerstagmittag genug. Er werde jetzt einpacken, an den Strand fahren und erst am Montag weiterspielen, sagte er angesichts der jüngsten Rallye an den US-Märkten. Regenwetter in New York wird im wohl einen Strich durch die Rechnung machen, doch im Prinzip hat er Recht.

Wie sich zur Mittagsstunde zeigt, läuft an diesem Freitag nicht mehr viel an den US-Börsen. Obwohl die Konjunkturdaten gut ausgefallen sind – die Industrieproduktion legt zu, die Erzeuger- und Verbraucherpreise sind weniger inflationär als befürchtet –, und obwohl vom Dow-Riesen General Electric gute Zahlen kommen, notieren die wichtigen Indizes im Minus.

Das ist ganz und gar nicht überraschend – auch die stärksten Börsen brauchen einmal eine Verschnaufpause. Gemessen an den Tiefständen unmittelbar nach den Terroranschlägen auf London haben sich Dow und Nasdaq in den anderthalb Wochen bis Donnerstagmittag um satte 5,5 Prozent verbessert, der marktbreite S&P-500-Index fand sich nach einer Rallye um mehr als 4 Prozent gar auf dem höchsten Stand seit vier Jahren. Und dies zu Beginn einer Ertragssaison, in der sich die großen Unternehmen aus Corporate America erst ab nächster Woche mit Schlagzeilen überbieten werden.

Ein Blick auf den Kalender für die nächste Woche macht klar, warum der Handel am Freitag eine Auszeit nimmt: In den nächsten Tagen wird keine Pause mehr möglich sein. Allein 16 Dow-notierte Unternehmen werden ihre Bücher öffnen, das ist mehr als die Hälfte aller Blue Chips. Eine solche Konzentration von Dow-Zahlen erinnern selbst langjährige Börsenexperten nicht.

Dow-Zahlen kommen von den Finanzriesen Citigroup und J.P. Morgan, von den Industriewerten 3M, Honeywell, United Technologies und Caterpillar, von den Pharmazeuten Pfizer und Merck, von den Konsumriesen Johnson & Johnson, Altria und Coca-Cola Group, von SBC Communications, von General Motors und nicht zuletzt von den Hightech-Schwergewichten IBM, Intel und Microsoft.

Apropos Hightech: Mit Yahoo, Google und Ebay melden in der nächsten Woche die drei wichtigsten Internet-Werte, und dazu gibt es Zahlen von so vielen anderen einflussreichen Unternehmen, dass den Analysten die Griffel heiß laufen und Anlegern schwindlig werden dürfte.

Dass sich Dow und Nasdaq am Freitag eine Auszeit gönnen und gute Nachrichten scheinbar abprallen, darf also zum Wochenschluss niemandem Sorgen bereiten. Wer nicht tatsächlich schon am Donnerstag ins Wochenende gehuscht ist, der dürfte spätestens am Freitagmittag abhauen, ohne auf die Schlussglocke zu warten. Auch wenn der Strand in den nächsten Tagen nicht wirklich reizvoll sein dürfte, ein ganz normales Wochenende zwischen Broadway und Central Park ist allemal interessanter als noch ein paar Stunden auf dem Parkett.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 18-07-2005 20:48

An Bar und Börse: Wein hängt Bier ab

Trink, trink, Brüderlein trink… nun, in Amerika ist das gar nicht so einfach. Auch in drückender Sommerhitze darf man in den sittenstrengen USA nicht überall die Bierflasche öffnen. Getrunken wird nur zuhause oder im Restaurant, und mit Genauerem haben sich die Marktforscher vom Gallup-Institut beschäftigt.

Eine neue Studie des angesehenen Institutes kommt zu einem überraschenden Ergebnis. Erstmals seit sechzig Jahren haben mehr Amerikaner ihre Vorliebe zu Wein statt Bier bekundet. Vorab: Nur 63 Prozent der Amerikaner trinken überhaupt Alkohol. Von diesen haben nun 39 Prozent der erklärt, sich hin und wieder ein Gläschen Weißen oder Roten zu gönnen. Dem stehen 36 Prozent gegenüber, die sich dem Gerstensaft hingeben.

Für die Industrie ist dieser kleine Unterschied von drei Punkten signifikant. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren bezeichneten sich mit 47 Prozent fast die Hälfte der Befragten als Biertrinker, während Wein mit 29 Prozent weit abgeschlagen war.

Recht konstant ist derweil die Zahl derer, die härtere Spirituosen wie Rum und Whiskey genießen: Die wird in diesem Sommer mit 21 Prozent gemessen und damit nach minimalen Schwankungen auf dem gleichen Stand wie vor zehn Jahren.

An der Wall Street hat das veränderte Trinkverhalten der Amerikaner durchaus Auswirkungen – und zwar nicht nur nach Feierabend. Man nehme nur zwei Übernahmen im jüngst ohnehin höchst aktiven Merger-Markt. Ganze 1,4 Milliarden Dollar ließ sich der New Yorker Konsumriese Constellation Brands die Übernahme von Robert Mondavi kosten, dem berühmten kalifornischen Weinbauern.

Die britische Getränkegruppe Diageo übernahm hingegen die Winzerei Chalone, wie Mondavi aus dem Napa-Valley, für 260 Millionen. Weitere 2,5 Millionen musste man abtreten, um den umworbenen Winzer aus den Klauen des Konkurrenten Domaines Rothschild zu zerren, der seinerseits bereits ein Übernahmeangebot eingereicht und eine erste Zusage bekommen hatte.

Das Interesse an Winzern hat einen guten Grund: Die stetig steigende Nachfrage nach Wein sorgt für gute Gewinne, und entsprechend stark laufen die betroffenen Aktien: Seit Jahresbeginn hat Constellation Brands um 25 Prozent zugelegt. Der Konkurrent Brown Forman, zu dem die Weine von Fetzer und die Champagner von Korbel gehören, sind um 24 Prozent geklettert, ebenso stark wie Willamette Valley Vineyard. Die Aktien von Allied Domecq, dem Unternehmen hinter Weinen von Buena Vista und dem Sekt von Mumm, haben um 19 Prozent zugelegt.

Zum Vergleich: Die Brauereien lahmen dem Markt hinterher. Seit Jahresbeginn haben Anheuser-Busch 8 Prozent eingebüßt, und unter den zehn schwächsten Getränke-Aktien rangieren gleich noch fünf weitere, die auf den Gerstensaft spezialisiert sind.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 20-07-2005 20:41

Ein „Non-Event“ mit Greenspan
Es ist kein Wunder, dass George W. Bush seinen Fed-Chef noch eine Weile behalten möchte. Schon Monate vor dem offiziellen Ende von Alan Greenspans Amtszeit kursieren Gerüchte, wonach Bush die Ernennung eines Nachfolgers verschieben könnte – es wäre der einzige Weg, Greenspan noch in Washington zu halten.

Bush mag seinen Fed-Chef vor allem aus einem Grund: Er ist linientreu. Das ist zwar nicht unbedingt die definierte Aufgabe Greenspans, doch allem Anschein nach hat sich der führende Zinspolitiker dafür entschieden, auf seine alten Tage einen bequemeren Weg zu gehen als ständig an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung herumzumäkeln.

Dafür gäbe es zwar durchaus den ein oder anderen Grund, doch hält sich Greenspan seit einiger Zeit mit kritischen Gedanken zurück und hängt den Optimisten raus. Glaubwürdig ist das nicht immer. Der demokratische Abgeordnete Barney Franks aus Massachussetts beispielsweise versuchte Greenspan nach dessen Rede vor dem Kongress auf einen Missstand in der US-Konjunktur festzunageln: den Arbeitsmarkt. Der zeichne sich zwar jüngst durch recht gute Zahlen aus, doch hänge eine sinkende Arbeitslosenquote vor allem damit zusammen, dass immer mehr Langzeitarbeitslose aus der Statistik fallen.

Was der Abgeordnete Franks da vorbrachte, ist allgemein bekannt, passt aber ganz und gar nicht ins Bild einer sich stetig erholenden Konjunktur, das man in der Hauptstadt verbreitet. Entsprechend wich Greenspan der Frage aus und versuchte auch auf dreimaliges Nachhaken von Franks, über das amerikanische Schul- und Ausbildungssystem zu dozieren, das schließlich für Nachschub in den Pool der Arbeitssuchenden zuständig sei.

Im Weißen Haus wird man mit Freude vernommen haben, wie Greenspan Frank auflaufen ließ und sich nicht über die Problematik am Arbeitsmarkt äußerte. Auch wird man gerne gehört haben, dass Greenspan den Immobilienmarkt in den USA zwar als überhitzt bezeichnet, dass er aber durchaus glaubt, dass die Konjunktur einen Einbruch in dem Segment verkraften würde. Das sehen längst nicht alle Experten so. Im Gegenteil: Immer mehr Volkswirtschaftler warnen davor, dass sich zahlreiche Amerikaner übernommen haben, und dass langfristig Hunderttausende ihre nach abenteuerlichen Konditionen berechneten Raten nicht mehr abzahlen können.

Was Greenspan dem Kongress am Mittwoch in einem seiner letzten Auftritte sagte, war wieder einmal wenig. Dass sie Konjunktur gut zulege, hat man an der Wall Street schon gehört. Dass die Inflation unter Kontrolle sei, ist auch ein alter Hut, nach den letzten Zahlen zu Erzeuger- und Verbraucherpreisen sowieso. Dass die Fed die Zinsen weiter schrittweise anheben wird, ist auch klar.

Greenspans Auftritt war einmal mehr, was die Wall Street einen „Non-Event“ nennt, ein Ereignis also, auf dass Experten seit Tagen gewartet haben und das man sich doch hätte schenken können. Für Präsident Bush ist das genug. Greenspan hält die Linie, mehr soll er nicht tun.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 21-07-2005 20:45

Rätseln rund um den Yuan

Die Wall Street liebt das Rätseln. Sind Zinserhöhungen gut oder schlecht? Kann der Immobilienmarkt zu heiß werden? Am Donnerstag steht man vor einer neuen Frage: Was bedeutet die Neubewertung des Yuan für die US-Konjunktur. Ist der Export-Nutzen größer als der Import-Schaden? Sind 2 Prozent genug?

Die Meinungen auf dem Parkett sind geteilt, und im Handel schlägt sich das nieder. Nachdem am frühen Morgen recht unerwartet die Meldung aus Peking kam, notierten – und verblieben – die amerikanischen Aktienindizes zunächst im grünen Bereich. Im Vormittagshandel rutscht die Börse allerdings ab, und nach Einschätzung der meisten Experten ist es durchaus eher China als London, was dafür verantwortlich ist.

Doch von vorne: Zunächst sind die Amerikaner einmal erleichtert, dass China nach massivem internationalen Druck endlich die Dollarbindung des Yuan aufgehoben hat. Statt an der amerikanischen Währung hängt der Yuan fortan an einem Währungskorb, dessen Zusammensetzung allerdings ein Staatsgeheimnis ist – nicht unüblich in solchen Fällen. Im Rahmen der Neubewertung legt die chinesische Währung erst einmal zu, für einen Dollar gibt es nur noch 8,11 statt der bisherigen 8,28 Yuan.

Diese Höherbewertung des Yuan macht 2 Prozent aus, und mit dieser Zahl beginnen die Interpretationen an der Wall Street. Fed-Chef Alan Greenspan spricht von einem „ersten kleinen Schritt, dem zahlreiche weitere Schritte folgen“ dürften. Der demokratische Senator Chuck Schumer aus New York, einer der prominentesten Kritiker der Yuan-Bindung an den Dollar, lobt einen „richtigen Schritt, wenn auch einen sehr kleinen“. Finanzminister John Snow sieht das ähnlich und will die weitere chinesische Währungspolitik „überwachen“.

Das ist dringend notwendig. Eine Hauptsorge, die den Markt sichtlich belastet, ist ja, dass es die Chinesen nun erst einmal bei ihrer einmaligen Aktion belassen könnte. Und das wäre in den Augen Amerikas auf keinen Fall genug. Zur Erinnerung: In der Vergangenheit hatten zahlreiche Volkswirte den Yuan um bis zu 40 Prozent unterbewertet gesehen.

Volkswirte versuchen dennoch, dem „kleinen Schritt“ etwas Positives abzugewinnen. Abgesehen von der Signalwirkung ist dabei sicher festzuhalten, dass mehrere kleine Währungsschritte sicher für den Welthandel leichter verträglich sind als eine große Neubewertung. Bei Wal-Mart und Target wird man das so sehen, und auch bei den zahlreichen anderen amerikanischen Einzelhändlern, vor allem im Textilbereich, deren Importe etwas teurer werden – aber nach ersten Einschätzungen nicht in einem Maße, das große Auswirkungen auf die Bilanz haben dürfte. Einzelhandelsaktien notieren im Donnerstagshandel dennoch schwach, nicht zuletzt aufgrund einer vergleichsweise drastisch formulierten Warnung von A.G. Edwards, wo man auf sinkende Margen hinweist.

Die selbe Logik, dass mehrere kleine Schritte einfacher verträglich sind als ein radikaler, gilt andersrum natürlich für die Exporteure, für die ein stärkerer Yuan und ein schwächerer Dollar Gold wert sind. Auch bei denen dürfte sich ein 2-Prozent-Schritt nur minimal bemerkbar machen, was aber immer noch besser ist als die bisherige Situation.

Unterm Strich, in der Summe aus Import und Export, wird die Neubewertung des Yuan mithelfen, das Handelsbilanzdefizit der USA abzubauen. Das ist gut. So einfach will es sich die Wall Street aber nicht machen. Vielmehr hält man es mit Hugh Johnson von der Vermögensverwaltung Johnson, Illington Advisors. „Lasst uns vorerst keine Luftsprünge machen“, meint der. „2 Prozent sind 2 Prozent.“

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 22-07-2005 20:46

Barbie’s Sorgen

Barbie hat ein schweres Jahr hinter sich. Die Trennung von Langzeit-Freund und Kinderzimmer-Beau Ken liegt noch nicht lange zurück, in den Spielzeugläden weltweit nehmen die wild gestylten Bratz-Puppen immer mehr Regalfläche ein… und jetzt ist das Püppchen auch noch Mittelpunkt eines Rechtsstreits mit einem Latex-Laden.

Dieser letzte Punkt ist eigentlich der schlimmste für Barbie und den Mutterkonzern Mattel. Der hat gerade erfolglos gegen Barbie Anderson-Walley geklagt, eine Kanadierin mit eigenem Online-Laden. Unter der Adresse www.barbiesshop.com bietet Anderson-Walley „heiße Klamotten für böse Jungs und Mädels“ an. Zum Beispiel ein rot-schwarzes Leder-Korsett für 300 Dollar oder einen schwarzen Latex-BH, den sich die Hobby-Domina für 250 Dollar liefern lassen kann.

Dass der Barbie-Hersteller Mattell mit solcherlei Ware nichts zu tun haben will, und dass die Verwechslung zum Puppenladen auf www.barbieshop.com naheliegt, wird niemanden wundern. Auch Barbie Anderson-Walley nicht, die sich dennoch im Recht fühlt. „Ich heiße schließlich Barbie, und deshalb darf ich meinen Laden auch so nennen“, meint sie. Das macht durchaus Sinn, weshalb ein New Yorker Gericht die Klage auch abgewiesen hat.

Mattell überlegt, Berufung einzulegen. Unbedingt ratsam ist das nicht, zumal die kanadische Latex-Barbie nur sehr wenig Bestellungen aus den USA erhält und somit auch nicht in den Hauptmarkt des Puppenherstellers eingreift. Was Mattell noch bedenken sollte: Angesichts der Größe des Latex-Ladens dürfte sich mit dem Gerichtsstreit nicht viel Geld verdienen lassen. Die Gebühren hingegen sind hoch, und der Firma geht es längst nicht mehr so gut wie in früheren Zeiten.

Das zeigte in dieser Woche erneut der Quartalsbericht. Die Barbie-Umsätze sind um 4 Prozent gefallen, nicht zuletzt wegen der immer stärkeren Konkurrenz von Bratz und Videospielen. Dass andere Mattell-Marken deutlich zulegen konnte, half nicht viel: Das Unternehmen schlitterte mit einem Gewinn von 18,9 Millionen Dollar oder 5 Cent pro Aktie an den Erwartungen der Analysten vorbei. Entsprechend schlecht lief die Aktie seither.

Mattell-CEO Robert Eckert hatte auch wenig warme Worte für Anleger: „Die Margen sind unter Druck“, bilanzierte der Mann hinter Barbie, und für die nahe Zukunft bleiben die Prognosen mager. Zumindest bis Jahresende rechnet das Management mit keiner Erholung, und auch für danach ist bisher kein Konzept bekannt.

Vielleicht sollte das Püppchen einen Image-Wandel wagen. Ein erster Anruf in Kanada könnte weiterhelfen, denn heutige Puppen – das zeigt der Erfolg der wilden Bratz – dürfen ruhig ein bisschen böse sein.

© Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 25-07-2005 21:10

Sommer in Schilda

Seit Jahren tun sich die Amerikaner schwer mit Energie sparenden Konzepten. Doch endlich tut sich was. Allerdings setzt sich die Bush-Regierung nicht etwa plötzlich für Recycling ein, für Windenergie oder für sparsamere Autos. Vielmehr will man ab 2007 die Sommerzeit verlängern, was aber letztlich ein Schildbürgerstreich sein könnte.

Die eigentliche Idee, die Abgeordnete beider Parteien in einen Gesetzentwurf verwandelt haben, ist gar nicht schlecht. Durch das alljährliche Vorstellen der Uhren im Frühling wird es morgens später hell und abends später dunkel. Ersteres hat auf die ohnehin schlafenden Menschen kaum Auswirkungen, letzteres aber sehr wohl. Das leuchtet ein und ist ja die Grundidee der Sommerzeit, die auf Benjamin Franklin zurückgeht, aber erst im Ersten Weltkrieg in die Tat umgesetzt wurde.

Während es seinerzeit darum ging, den Soldaten zum Kämpfen mehr Tageslicht zu geben, soll nun ganz einfach Energie gespart werden. Dank des länger anhaltenden Sonnenscheins müssen schließlich weniger Lampen eingeschaltet werden. Bis zu 100 000 Fass Öl könnten die USA täglich sparen, hat das Energieministerium ermittelt. Andere Studien gehen davon aus, dass an jedem Tag mit Sommerzeit der Energieverbrauch in den Staaten um 1 Prozent sinkt, oder dass die jetzt zur Debatte stehende Verlängerung der Sommerzeit um drei Wochen im Frühjahr und um eine Woche im Herbst insgesamt 1 Prozent des gesamten jährlichen Energiebedarfs einsparen soll.

Doch da mögen sich die Experten verrechnet haben. Vor allem einen Aspekt habe man nämlich übersehen, werfen Gegner der Initiative auf. Wo die Amerikaner nämlich wegen des längeren Sonnenscheins Energie in Glühbirnen sparen, dürften sie genau so viel – oder noch mehr – mit ihren Klimaanlagen verschwenden. Schließlich bedeutet mehr Licht auch mehr Wärme, und damit steigt der Kühl-Bedarf in Haushalten und Unternehmen.

Auch andere positive Aspekte der Sommerzeit lassen sich wegrechnen. So zeigen Studien des Verkehrsministeriums, dass „mehr Licht“ täglich etwa 2000 Verkehrsunfälle mit 50 Toten verhindern und bis zu 28 Millionen Dollar an Folgekosten sparen könne. Andererseits zeigen Studien von Sommerzeit-Gegnern, dass das zweimalige Umstellen der Uhr jeweils mit einer plötzlich und kurzfristig steigenden Unfallzahl einhergehe, dass manche Menschen durch geringen Schlafentzug traumatisiert würden, und dass die Produktivität im Land unter müden Arbeitern leide.

Während also einige unbeachtete Nachteile die bekannten Vorteile der Sommerzeit überschatten könnten, gibt es einige bekannte Nachteile, denen nicht einmal Vorteile gegenüberstehen. Die Fluggesellschaften beispielsweise finden es ohnehin zweimal im Jahr schwierig, ihre internationalen Flugpläne mit Europa abzustimmen, wo die Uhren eine Woche früher umgestellt werden. Die transatlantische Diskrepanz noch einmal um vier Wochen jährlich auszuweiten, dürfte die Branche viel Geld kosten.

Auch um Schulkinder macht man sich Sorgen. Die nämlich gehören zu den wenigen Menschen, die morgens sehr früh raus und zeitweise im Dunkeln auf den Schulbus warten müssen.

Bei so vielen Nachteilen wird es die entscheidungsfreudigen Abgeordneten in Washington freuen, dass zumindest eine Branche ihren Segen erteilt hat, deren Zustimmung zunächst nicht als sicher galt: die Landwirtschaft. Während sich nämlich mancher Sorgen machte, ob die neu geregelte Zeitumstellung Bauern eher nützen oder schaden würde, meint das Landwirtschaftsministerium knapp: „Kühe geben alle zwölf Stunden Milch, egal wie spät es ist. Und den Hühnern haben wir bis heute noch nicht beigebracht, überhaupt auf die Uhr zu schauen.“


Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 27-07-2005 20:48

Autokrieg: GMs neue Preisstrategie

Den adretten GM-Mitarbeitern in der Werbung hat man ihr Freudestrahlen nie abgenommen. Über was hätten sie sich auch freuen sollen. Da stehen junge Männer und Frauen den ganzen Tag am Fließband und schrauben, und nachher müssen sie genau soviel für die Karre bezahlen wie jeder andere Kunde auch.

Dass General Motors die Mitarbeiter-Rabatte auf Neuwagen vor zwei Monaten auf alle Kunden ausdehnte – „Sie zahlen so viel wie wir. Keinen Pfennig mehr!“ – dürfte die Mitarbeiter gewurmt haben, machte aber ganz offensichtlich alle diejenigen glücklich, die gerade auf der Suche nach einem fahrbaren Untersatz waren. Angesichts von Rabatten bis zu 6000 oder 8000 Dollar schien mancher wieder Gefallen an GM zu finden. Bis auch die Konkurrenz auf den Trichter kam und Mitarbeiterrabatte ausrief, wohlgemerkt.

Dass Ford und DaimlerChrysler ganz frech die GM-Aktion nachahmen und sich sogar die Werbung der Autohändler ziemlich gleich anhört, dürfte den Marktführer kalt lassen. Immerhin hatte GM die Nase vorn, und angesichts der Margen erschütternden Wirkung der Super-Rabatte hatte man die Aktion ohnehin nicht für länger als ein paar Wochen geplant.

Insofern hat die Planung hingehauen: Die Umsatzzahlen für GM-Fahrzeuge sind zuletzt dramatisch gestiegen, im Juni um satte 42 Prozent. Die Lager sind leer. Ein Quartalsverlust von 2,5 Milliarden Dollar im US-Geschäft hat jüngst dennoch verdeutlicht, zu welchem Preis der Autobauer seine Popularität mehrte.

Nun ist Schluss mit den Sonderrabatten, zum Monatsende soll der letzte Wagen zu Mitarbeiter-Konditionen verhökert werden. Danach geht GM neue Wege, wie man der Wall Street am Mittwoch erklärt, was sort mit Skepsis aufgenommen und einem Minus von 1,5 Prozent für die Aktie bewertet wird.

Denn GM kann ja im Preiskrieg mit Ford und DaimlerChrysler – und vor allem mit den immer beliebteren uns sparsameren Japanern – nicht einfach die Preise erhöhen. So wird umgeschichtet: Statt hoher Grundpreise und dicker Rabatte strebt das Management eine allgemeine Preissenkung an. Bis zu 46 Modelle in allen Marken sollen reduziert angeboten werden. Ein Insider sagt, dass der neue 2006er Cadillac DTS ganze 6000 Dollar weniger kosten soll als das Vorgänermodell von 2005, das für zwischen 46 840 und 52 395 Dollar beim Dealer stand.

GM tritt mit dem Staregiewechsel in eine äußerst gefährliche Phase ein. Man muss die Kunden überzeugen, Autos ohne die Schlagwörter „Sonderpreis“ und „Rabatt“ zu kaufen. Zudem werden die neuen Preise trotz der Senkung über dem Niveau der letzten beiden Monate liegen. Und: Der Kunde hat mittlerweile gemerkt, dass manche Preissenkung auf Kosten von Qualität und Ausstattung geht – mit ganz billigen Tricks lässt sich also nicht arbeiten.

Bei GM beruft man sich vor allem auf ein Phänomen, um die neue Linie zu rechtfertigen: Immer mehr Kunden, so hätten Marktforscher gezeigt, suchen ihre Autos im Internet aus und vergleichen online Preise, bevor sie zum Händler gehen. Mit ihren höheren Grundpreisen vor Rabatten sei manches GM-Modell zuletzt von der imaginären Einkaufsliste gestrichen worden, bevor der Kunde überhaupt von Sonderpreisen erfahren hätte, heißt es. Genau das soll jetzt verhindert werden.

Unklar ist, ob das Konzept aufgeht. Immerhin: Dass GM zuletzt aufgrund radikaler Preisnachlässe mehr Wagen verkauft hat, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Kunden auch aus qualitativfen Überlegungen zuletzt häufig zur japanischen Konkurrenz wechselten. Deren Motoren sind sparsamer, die Crashtest-Wertungen besser… Toyota ist mittlerweile so selbstbewusst, dass man Preisanhebungen für sieben Modelle ankündigt. Wohlgemerkt am selben Tag, an dem GM von Preissenkungen spricht.

Eines dürfte GM klar sein: Der Weg zurück zum Erfolg führt nicht nur über den Preis, sondern auch über das Auto selbst. Der Brancenriese braucht neue Designs und sauberere Motoren, um sich langfristig gegen die Konkurrenz behaupten zu können.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 27-07-2005 20:58

Insiderverkäufe - ein Warnsignal für die Märkte?

...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...e-1258052.html

Starlight 28-07-2005 20:44

Der Ärger um CAFTA

Eine einzige Stimme brachte George W. Bush am Donnerstagmorgen den Sieg. Mit 217 Ja- und 215 Nein-Stimmen hat der Kongress des Präsidenten jüngstes Steckenpferd beschlossen: CAFTA – ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und sechs mittelamerikanischen Staaten. Es hat viele Gewinner und noch mehr Verlierer.

Eigentlich hat CAFTA so viele Verlierer, dass das von der republikanischen Regierung angestoßene Abkommen selbst in den eigenen Reihen höchst umstritten war. Denn während CAFTA die US-Exporte nach Nicaragua, Costa Rica, Honduras, El Salvador, Guatemala und in die Dominikanische Republik vereinfacht und Einfuhrsteuern reduziert, öffnet es auch den dortigen Arbeitsmarkt für US-Unternehmen. Und das dürfte nicht nur konjunkturell ein Problem sein, sondern auch für zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen, die künftig unter noch härterem Konkurrenzdruck stehen werden.

So ist es kein Zufall, dass vor allem die großen, internationalen US-Konglomerate für CAFTA eingetreten waren. Die sind zwar in der Tat sehr exportabhängig, profitieren aber überproportional von dem Potenzial des mittelamerikanischen Arbeitsmarktes, für den im Zuge von CAFTA nicht einmal Mindeststandards festgelegt worden sind.

Amerikanische Jobs können unter dem neuen Abkommen problemlos über die Grenzen verschoben werden, ganz wie es schon bei NAFTA passiert ist, dem bereits vor zwölf Jahren beschlossenen Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko.

Die Republikaner haben in den vergangenen Wochen, als in Washington und in den Medien hart für und gegen CAFTA gekämpft wurde, mehrfach beteuert, dass 30 000 mittelständische Unternehmen in den Genuss vereinfachter Exportstrukturen kommen würden. Dass eben diese Unternehmen aber vor allem unter Druck geraten, wenn Konglomerate noch billiger im Ausland herstellen können, zeigte sich schnell an der Reaktion der Betroffenen.

Zahlreiche Unternehmen, besonders aus dem Produzierenden Gewerbe, aus der Zuckerindustrie und aus der Textilbranche, heizten ihren (demokratischen und republikanischen) Abgeordneten ein. Die stellten sich schnell gegen CAFTA, das ihnen in den jeweiligen Wahlkreisen Probleme bereiten und manchen möglicherweise eine Wiederwahl kosten könnte.

Die Regierung im Weißen Haus kümmerte das nicht. Abtrünnige Republikaner wurden mit einem alten Trick auf Linie gebracht, der schon seit Jahren immer wieder zieht: Bei CAFTA gehe es vor allem um die nationale Sicherheit der USA, so Präsident Bush. Für die Sicherheit im eigenen Land sei es durchaus von Interesse, dass die kleinen Demokratien in Mittelamerika gestärkt würden – welcher Republikaner könnte da widersprechen.

Nun, einige konnten es und sicherten sich zumindest ein paar Zugeständnisse. Der Textilsektor wartet nun darauf, dass ein Teil des eben beschlossenen CAFTA-Abkommens für die eigene Branche bald wieder eingeschränkt wird. So sieht es die Planung im Weißen Haus vor. Die Zuckerindustrie harrt der bereits beschlossenen Einfuhrquoten, die eigentlich dem Abkommen widersprechen aber dessen Chancen vor dem Kongress beschädigt hätten.

Andere Unternehmen hoffen auf einen weniger harten Konkurrenzkampf mit China. Denn um die Stimmen einiger Republikaner zu sichern, beschloss man kurz vor CAFTA verschärfte Kontrollen für Importe aus dem asiatischen Raum. Die allerdings dürften sich bald schon als zu lasch entpuppen, wie Demokraten warnen.

Andere Branchen – und auch der Arbeitsmarkt und damit der Verbraucher – werden hingegen künftig in einer erneut erweiterten Freihandelszone leben. Allzu schwere Auswirkungen werden sie zunächst nicht spüren, stehen die sechs CAFTA-Staaten doch hinter nur 1,4 Prozent der Importe in die USA. Doch im Kleinen dürfte sich zeigen, dass es die Bush-Regierung wieder einmal geschafft hat, den großen Konzernen auf Kosten kleinerer Konkurrenten mehr Freiheiten einzuräumen. Dem Land ist damit nicht unbedingt ein Gefallen getan.

© Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 29-07-2005 21:20

Gute Laune in D.C. und Corporate America

George W. Bush dürfte am Wochenende die Korken knallen lassen. Für den Präsidenten war es eine gute Woche, in der das Freihandelsabkommen CAFTA und ein „Energiekonzept“ mit vier Partnerstaaten unterzeichnet wurden. Am Freitag beschloss der Kongress noch das lange umkämpfte Energiegesetz, und jetzt geht’s in die Sommerpause.

Sicher, ein paar Probleme bleiben dem Präsidenten. Da wäre sein Konzept für eine Runderneuerung der Sozialversicherung, das auf so viel Widerstand gestoßen ist, dass die Regierung es trotz eigener Mehrheit im Kongress erst einmal ad acta legen musste. Dann wären da die anhaltende Gewalt im Irak sowie die Terroranschläge in London und anderen Ländern, die viele Kritiker auf eine falsche US-Außenpolitik schieben. Die – und einige Probleme im eigenen Land – haben Bushs Sympathiewerte zuletzt wieder in Rekordtiefen stürzen lassen.

Und nun muss sich Bush auch noch über seinen treuen Fraktionschef Bill Frist ärgern. Der sonst zuverlässig erzkonservative Abgeordnete hat am Freitag überraschend seine Haltung im Streit um die Stammzellenforschung geändert. Immerhin ist der Mann Arzt, und die wissenschaftlichen Vorzüge haben Frist dazu gebracht, die ethischen Risiken neu zu bewerten. An der Börse macht sich das bemerkbar: Die Aktien von Geron und Aastrom Biosciences legen um gute 7 Prozent zu, Stemcells Inc. sogar um bis zu 20 Prozent.

Schlaflose Nächte wird Bush deshalb nicht haben, der Präsident will ein Gesetz zur Ausweitung der Stammzellenforschung notfalls mit einem Veto stoppen.

Doch zurück zu Bushs Erfolgen in der letzten Sitzungswoche der Abgeordneten vor der Sommerpause. Mit CAFTA machte der Präsident den Unternehmen ein schönes Geschenk in Form neuer Absatz- und vor allem biliger Arbeitsmärkte in Mittelamerika, und mit zwei großen Umweltprojekten legt Bush noch einmal drauf.

Nach einem multilateralen Umweltkonzept, das die USA bereits am Donnerstag mit China, Indien und anderen Partnern unterzeichnet haben, ging zum Wochenschluss das lange umkämpfte Energiegesetz durch, das zum ersten Mal seit 1992 die Energiepolitik Washingtons neu ordnet. Welche Prioritäten sich dabei durchgesetzt haben, dürfte niemanden überraschen – und der Wall Street langfristig nutzen.

Zunächst verteilt das Energiegesetzt Steuervorteile von 14,5 Milliarden Dollar an Unternehmen im Energiesektor, und zwar angefangen vom Nuklear-, über den Kohle- und Elektrizitätsbereich bis hin zu Öl- und Gas-Förderern. Vor allem das letzterer Bereich mit Firmen wie ExxonMobil und ChevronTexaco mit Subventionen überschüttet wird, nachdem hohe Ölpreise ohnehin für Rekord-Gewinne gesorgt haben, geht vielen Demokraten im Kongress und anderen Kritikern gegen den Strich. Doch ist Bushs Geschenk an die Öl-Kumpels nicht der einzige umstrittene Punkt im Energiepaket.

Da wäre zunächst noch die Aufhebung eines Wetbewerbsgesetzes von 1935, das den Strommarkt überwachen und Monopole verhindern sollte. Fusionswilligen Unternehmen im Stromsektor steht jetzt eine Hürde weniger im Weg, vor allem Duke Energy und Cinergy könnten davon profitieren, die beiden hatten schon im Mai Merger-Absichten kundgetan.

Über weitere Steuernachlässe können sich derweil Unternehmen freuen, deren mit Kohle angefeuerten Turbinen Strom erzeugen, und die in den letzten Jahren mit Filtern ausgestattet wurden. Die Kosten für diese Aufrüstung können nun über sieben Jahre abgeschrieben werden. Ein Vorteil ist das vor allem für AES und Entergy, Progress Energy und Reliant.

Apropos Filter: Neue Grenzwerte für Schadstoffausstoß legt das Energiegesetz der Bush-Regierung nicht fest. Im Gegenteil, nicht einmal die Autohersteller müssen – wie von vielen gefordert – effizientere Motoren entwickeln. Das ist vor allem dem Abgeordneten John Dingell zu verdanken. Der ist zwar Demokrat, stammt aber aus einem Wahlkreis in Michigan, dem Sitz von GM und Ford.

Es gibt noch mehr Gewinner des neuen Energiekonzepts. Darunter sind Unternehmen, die neu in den Atomsektor einsteigen wollen, darunter General Electric und Dominion Recources. Die erhalten Kreditgarantien über 80 Prozent der Baukosten für neue Kraftwerke und Zuschüsse für anfallende Versicherungskosten. So könnten in den USA schon bald neue Atomkraftwerke entstehen. Einigermaßen bestürzt hatte Bush erst kürzlich festgestellt, dass seit 1973 kein neues Werk ans Netz gegangen sei – warum, schien ihm nicht klar zu sein.

Während Bush und seine Freunde aus Corporate America nun feiernd ins Wochenende gehen, schafft es die Wall Street im Freitagshandel wohl nicht mehr ins Plus. Nachdem das BIP für Q2 erwartungsgemäß unter den 3,8 Prozent des ersten Halbjahres gemeldet worden ist, macht die Börse schlapp – angesichts der jüngsten Rallye ist das aber kein Grund zur Besorgnis.

© Wall Street Correspondents Inc.

OMI 31-07-2005 22:04

31.07.05 20:49
Das Kapital: Die US-Wirtschaft verblüfft erneut


Es hört sich harmlos an. Aber finanzanalytisch betrachtet, ist die Revision des realen US-BIP-Wachstums zwischen 2001 und 2004 von durchschnittlich 3,1 auf 2,8 Prozent nicht ganz von Pappe, wenngleich selbst das korrigierte Wachstum toll ist. Ein weiteres Thema in diesem Kapital ist die Software AG.

...

http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/:...eut/16472.html

Starlight 01-08-2005 20:53

Von Schule, Jeans und Häusern

Während die US-Börsen zum Wochenbeginn doch unerwartet stark unter dem Tod des saudi-arabischen Königs Fahd und einem damit einhergehend steigenden Ölpreis leiden, notiert wenigstens ein Sektor recht stabil im Plus: der Einzelhandel. Starke Zahlen und die Hoffnung auf gute Umsätze zum Schulanfang helfen den Aktien.

Zwar sind es noch ein paar Wochen, bis amerikanische Kids wieder die Schulbank drücken müssen. Die ersten Einzelhändler beziffern dennoch bereits ihre möglichen Umsatzzuwächse. Schließlich hat man Erfahrungswerte zu dem alljährlichen Anlass, der vor allem für spezialisierte Einzelhändler längst wie ein Thanksgiving oder Weihnachtsfest im Sommer geworden ist.

Dabei hat sich das Feld der Back-to-School-Profiteure in den letzten Jahren beträchtlich geweitet. Waren es dereinst neben den Einzelhandlesriesen Wal-Mart und Target vor allem Büroartikler wie Staples und Office Depot, bei denen gegen Ende der Sommerferien die Umsätze mit Ringbüchern, Schulranzen, Stiften und Zeichenbrettern kletterten, so spielen die reinen Schul-Artikel heute nur noch eine untergeordnete Rolle.

Viel wichtiger als neue Utensilien sind dem durchschnittlichen Schüler heutzutage ein neuer Computer oder Laptop, gerne auch ein iPod oder das neueste Handymodell, weshalb die Back-to-School-Zahlen für Elektronikketten wie Best Buy oder Circuit City wichtiger werden.

Und während schon das Handy an sich mehr ein Modeartikel als ein Gebrauchsgegenstand ist, gehört der allgemeine Modesektor zu den allergrößten Gewinnern. Tennie-Ausstatter wir Abercrombie & Fitch oder American Eagle Outfitters gehören zu den Gewinnern im späten Sommer, ebenso der Konkurrent Pacific Sunwear.

Anleger sollten bei Teenie-Ketten indes vorsichtig sein, rät Bob Buchannan, der Einzelhandels-Analyst bei A.G. Edwards. Denn nicht jede Kette kommt über mehrere Jahre hinweg gleich gut an:

Da wäre zum einen Hot Topic, ein Teenis-Händler mit Gothic-Image. Der gehörte noch vor zwei Jahren zu den Unternehmen mit dem größten Umsatzschwastum, hat zur Zeit aber Probleme, die jungen Kunden bei der Stange zu halten. Gerade im Sommer kommen die düsteren Kutten nicht an, für den Juli rechnet man mit einem Umsatzeinbruch von 5 Prozent. Neben dem Trend liegt auch The Gap, und zwar schon seit Jahren. „Kaum zu glauben, wie viele Trends The Gap zuletzt verpasst hat“, schüttelt Buchannen den Kopf. Selbst der poppige Ableger Old Navy läuft nicht mehr rund.

Ein weiteres Problemkind der Branche sei Limited Brands, so der Analyst. Während sich dessen Back-to-School-Gewinne früher vor allem auf die Modeketten Limited und Express konzentriert hätten, läuft in den vor allem in Malls beheimateten Läden heute kaum Spannendes ab. Geld mache Limited vor allem mit der Unterwäsche-Tochter Victoria’s Secret und mit dem Kosmetikspezialisten Bath & Body Works.

Neben dem dauernd erfolgreichen Teenie-Marktführer Abercrombie & Fitch ist Buchannen vor allem für einen Sektor optimistisch: Jeans. Je mehr Jeans im Sortiment seien, desto interessanter sei ein Einzelhändler. Immerhin: In diesem Jahr dürften 450 Millionen Jeans über den Ladentisch gehen, der Umsatz mit dem zeitlosen Beinkleid liegt bei 55 Milliarden Dollar.

Doch auch über Jeans hinaus ist Buchannan allgemein optimistisch für die Teenie-Händler. Das habe nicht zuletzt mit dem starken Immobilienmarkt zu tun, wie er anmerkt, auch wenn der Zusammenhang nicht auf den ersten Blick einleuchten mag. Er habe festgestellt, so der Experte, dass mit der Wertsteigerung der Häuser das Tachengeld für die Kinder steige. Seit Beginn des aktuellen Immobilienbooms hätten amerikanische Teenager monatlich zwischen 20 und 30 Dollar mehr in der Tasche, die größtenteils direkt in den Einzelhandel fließen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 02-08-2005 20:15

DaimlerChrysler und „die großen Zwei“

Die Wagen mögen ja manchmal ganz schnittig aussehen, doch wenn die amerikanische Automobilindustrie ein Hauptproblem für die Gewinneinbrüche der letzten Jahre verantwortlich machen kann, dann ist es Trägheit. Es ist lange her, dass die Industrie mit neuen Ideen aufwarten konnte, doch langsam kommen „die großen Drei“ in Schwung.

Interessanterweise kommt der Schwung ausgerechnet von DaimlerChrysler, das für manchen patriotischen Analysten seit Beginn der transatlantischen Partnerschaft gar nicht mehr zu den legendären „großen Drei“ gehört. Es seien nur ja eigentlich nur noch zwei, höhnt Wall-Street-Kolumnist Ken Kurson im aktuellen Esquire-Magazin. Dabei übersieht er, dass es – wie, zugegebenermaßen, nicht zu erwarten war – vor allem der amerikanische Chrysler-Arm ist, der für die jüngsten Gewinne des Konzerns verantwortlich ist.

Wie dem auch sei, die Deutsch-Amerikaner bei DaimlerChrysler haben nicht nur die beiden anderen Branchenriesen General Motors und Ford abgehängt, sie sorgen auch weiter für Schwung im Automobilsektor. Zunächst mit einer neuen Idee, die zugegebenermaßen allzu neu nicht ist. Nach dem Muster der japanischen Konzerne Toyota und Honda nämlich will DaimlerChrysler jetzt seine Werke umrüsten, so dass sich an verschiedenen Bändern mit verschiedenen Werkzeug-Sets nicht mehr nur drei verwandte Fahrzeugtypen herstellen lassen, wie es bisher der Fall war. Vielmehr sollen künftig ganz verschiedene Fahrzeuge aus ein und derselben Fabrik laufen, zunächst aus dem Werk in Belvidere in Illinois, in dem zuletzt Verluste verbucht wurden.

Das Konzept hinter der Umstrukturierung ist einfach: Je mehr Modelle aus einem Werk kommen, desto leichter lässt sich eine Auslastung der Kapazitäten erreichen – angesichts immenser Fixkosten ist das einer der wichtigsten Aspekte in der Branche. Den Planern bei DaimlerChrysler schweben konkrete Zahlen vor: Statt bis zu 240 000 Wagen eines einzigen Modells, die jährlich in einem durchschnittlichen Werk hergestellt werden, müssen künftig nur noch 75 000 bis 100 000 Stück abgesetzt werden, um die Kapazitätsauslastung hoch zu halten.

Angesichts eines Marktes, auf dem alljährlich mehr als hundert neue Fahrzeugmodelle in allen möglichen Klassen erscheinen, ist das ein enormer Vorteil, der schnell Kosten senkt. „Mehrere Milliarden“ werde man über die nächsten Jahre einsparen können, meint Chrysler-Produktionschef Frank Ewasyshyn.

Und dies wiederum ist zur Zeit das A und O der Branche. Das sehen Autokäufer nach wie vor beim Händler. Zwar hat der Branchenführer GM gerade seine spektakulärste Rabatt-Aktion – Mitarbeiterpreise für alle! – ausgesetzt, aber auch nur zugunsten allgemein niedrigerer Autopreise. Ford und DaimlerChrysler, die dem Margen erschütternden GM-Modell nur gefolgt waren, um dessen kurzfristigen Verkaufsvorteil auszubremsen, dürften ihre Aktionen in den nächsten Tagen ebenfalls auslaufen lassen.

Dafür werden vielleicht auch die beiden GM-Konkurrenten die Preise auf breiter Front senken wollen. Das macht Sinn, wie GM anhand einiger Kundenstudien nachvollzogen hat. Danach war ein GM-Modell bei manchem Kunden aufgrund des hohen Grundpreises schon durchgefallen, bevor der sich beim Händler über Spezialrabatte hätte informieren können.

Doch aus welchem Grund auch immer die Hersteller letztlich ihre Preise senken: Wichtig ist vor allem, dass mit den Preisen auch die Kosten fallen. Ein Umsatzplus von sensationellen 42 Prozent im Juni half GM schließlich nicht, einen Rekordverlust einzudämmen. DaimlerChrysler macht den Konkurrenten nun vor, wie mehrere Autos in weniger Werken produziert werden können und könnte damit die ganze US-Branche vor der zunehmenden Konkurrenz aus Asien retten. Wenn’s klappt, darf man auch bei kritischen Beobachtern vielleicht wieder unter den „großen Drei“ mitspielen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 03-08-2005 20:46

Drei Streifen für Amerika

Es kommt nicht allzu oft vor, dass unmittelbar nach der Ankündigung einer Milliarden-Übernahme die Aktien beider beteiligter Unternehmen klettern. Doch am Mittwoch legen Papiere von Reebok um 30 Prozent zu und die – nicht in den USA notierten – Scheine von Adidas um 6 Prozent. Der Optimismus der Anleger ist durchaus begründet.

Schon für flüchtige Beobachter ist klar, dass sich Adidas und Reebok gut ergänzen. Beide Marken sind weltbekannt, beide haben ein eindrucksvolles Star-Aufgebot unter Vertrag, beide haben sich in den letzten Jahrfen erfolgreich im Golf-Bereich verstärkt. Ein Zusammenschluss beider Unternehmen dürfte viel einfacher sein als das bei vielen transatlantischen Mergern der Fall ist, zumal die beiden Marken in ihrer Identität erhalten und nicht einander angepasst werden sollen. So rechnet man bei Adidas bereits ab dem nächsten Jahr mit positiven Auswirkungen des Deals auf die Bilanz.

Bis zu 150 Millionen Dollar könne man jährlich an Kosten sparen, meint Adidas-CEO Herbert Hainer. Er spricht von einem „Meilenstein“ und von einer „einmaligen Gelegenheit, zwei der bekanntesten Sportmarken zusammenzuführen“. Doch das ist Merger-typisches Gerede. Dass die Adidas-Aktie im Handel einen Spurt hinlegt, ist damit noch lange nicht begründet.

Der Grund für den tiefen Optimismus auf beiden Seiten des Atlantik liegt vielmehr in einer Randbemerkung Hainers. „Eins plus eins ist drei“, meint der CEO mit Blick auf die künftige Stärke des neuen Unternehmens. Vor allem in bezug auf den amerikanischen Einzelhandel dürfte er da Recht haben. Gegenüber den großen Sport-Händlern wie Foot Locker haben Adidas und Reebok gemeinsam viel mehr Gewicht in Verhandlungen um Regalfläche. „Das ist“, meint Sport-Analyst John Horan vom Branchendienst Sporting Goods Intelligence. „wie beim Merger von Procter & Gamble und Gillette, die vor allem ihre Position gegenüber Wal-Mart ausgebaut haben.“

Sicher werden Adidas und Reebok auch gemeinsam kaum den Branchenführer Nike vom Podest stoßen, doch kommt man mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent der Nummer Eins erstmals recht nahe. Nike hält nach Branchenschätzungen etwa 33 Prozent des auf weltweit jährlich 145 Milliarden Dollar taxierten Marktes.

Nike-Anleger sind angesichts der verstärkten Konkurrenz alles andere als besorgt. Die Aktie klettert im Mittwochshandel um 2 Prozent, nicht zuletzt wegen optimistischer Töne seitens der Analysten. Margaret Mager von Goldman Sachs meint, dass sich das Management von Adidas und Reebok für einige Zeit so stark auf den Merger konzentrieren müsse, dass man im Tagesgeschäft eher schwächeln könnte. Und auch JP Morgan glaubt, dass Adidas vielleicht mit organischem Wachstum besser beraten gewesen wäre als mit einer Akquisition – immerhin habe man ja in den USA zuletzt Marktanteile gewonnen.

Und doch scheint der 3,8 Milliarden Dollar schwere Deal zum aktuellen Zeitpunkt viel Sinn zu machen. Immerhin steht im nächsten Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft bevor, bei der Adidas Hauptausrüster ist. Da Fußball in den USA eine Wachstumssportart ist, ist eine möglichst starke Positionierung der Marke zu einem frühen Zeitpunkt wichtig.

Auch in anderen Sportarten fallen die drei Streifen und Reebok immer stärker auf. Aus der Basketball-Liga NBA stehen Allen Iverson und Yao Ming mit dem künftig deutsch-amerikanischen Konzern unter Vertrag. Vor allem letzterer soll im Wachstumsmarkt China helfen, wo in einer aktuellen Umfrage 52 Prozent der Verbraucher Nike für die coolste Marke halten, vor 38 Prozent für Adidas und 15 Prozent für Reebok – gemeinsam liegt man also gleichauf mit dem „Swoosh“. Adidas’ Auftritt als Hauptausrüster der Olympischen Spiele in Peking 2008 könnte die Marke als Nummer Eins in Asien etablieren.

Weitere Wachstumschancen rechnet sich der Konzern derweil im Golf aus, wo man mit dem Adidas-Ableger TaylorMade und der Reebok-Linie Greg Norman gut aufgestellt ist.

Etwas abseits vom Grün sorgen derweil die Rapper Jay-Z (Reebok) und Missy Elliott (Adidas) für den richtigen Beat.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 04-08-2005 20:49

Die Konjunktur zwischen Schein und Sein

Unter den vielen Faktoren, die den Handel an der Wall Street täglich bestimmen, sind vor allem die wichtig, die den Verbraucher betreffen. Da wäre zum einen der Ölpreis, der auf die Konsumausgaben drückt, da wären die persönlichen Einnahmen und da wäre – einmal im Monat – der Arbeitsmarkt, über den zum Wochenschluss wieder berichtet wird.

In den Tagen vor dem großen Arbeitsmarkt-Bericht wird viel spekuliert auf dem Parkett. Es gibt wichtige, hochoffizielle Schätzungen über die Zahl der neu geschaffenen Stellen (180 000 für Juli) und die Arbeitslosenquote (5,0 Prozent). Es gibt wöchentliche Erhebungen, die aber nur selten als Indikator für das „big picture“ zu gebrauchen sind (312 000 Erstanträge). Es gibt ferner private Studien, wie die von Challenger Gray & Christmas (7 Prozent weniger Entlassungen im Juli).

Solche Datensätze sind nicht immer unter einen Hut zu bringen, Schlussfolgerungen nur schwer zu treffen. Das liegt einerseits daran, dass manche Studie schon in sich unschlüssig ist. Challenger, beispielsweise, verkauft den Rückgang bei den Entlassungen als gute Nachricht, verweist aber darauf, dass das Niveau saisonal betrachtet dennoch außergewöhnlich hoch ist. Was macht man aus solchen Aussagen? Sind sie optimistisch oder pessimistisch zu interpretieren?

Ein Ansatz, der das Problem höchst unterschiedlicher Messungen erklärt, liegt darin, dass alle Umfragen und auch die offiziellen Datensammlungen der Behörden auf Stichproben beruhen. Und in einem Land, dass immer mehr gespalten ist – politisch wie sozial –, wird es nun einmal immer schwieriger, ein repräsentatives Feld zu finden, dessen Antworten sich zuverlässig hochrechnen lassen würden.

Das beweist eine aktuelle Umfrage vom renommierten Gallup-Institut. Dort hat man eine einfache Frage gestellt: „Wenn Sie das aktuelle Umfeld betrachten, glauben Sie, es ist leicht, einen guten Job zu finden, oder nicht?“

Die Antworten erstaunen: Denn während 39 Prozent der befragten Amerikaner das Umfeld am Arbeitsmarkt positiv betrachten und 58 Prozent eher pessimistisch gestimmt sind, gehen die Meinungen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen deutlich auseinander:

Unter den Republikanern nämlich finden ganze 59 Prozent den aktuellen Arbeitsmarkt „gut“, während nur 37 Prozent mit „schlecht“ antworten. Bei den Unabhängigen geben sich 33 Prozent optimistisch, bei den Demokraten nur noch 21 Prozent.

Nicht viel anders ist die Situation aufgeschlüsselt nach dem Einkommen: Unter den Amerikanern mit einem Jahresgehalt von mehr als 75 000 Dollar sehen 48 Prozent einen „guten Arbeitsmarkt“, in der Gehaltsklasse zwischen 30 000 und 75 000 sind es 37 Prozent. Unter denjenigen, die mit 20 000 bis 30 000 Dollar im Jahr nach Hause gehen sind 32 Prozent gut gestimmt, und in der niedrigsten Gehaltsklasse unter 20 000 Dollar sind es nur noch 27 Prozent.

Do drängt sich der Verdacht auf, dass viele besser gestellte Amerikaner die wirkliche Situation am Arbeitsmarkt – und in anderen Bereichen – verkennen und durch ein Wunschbild ersetzen. Das erklärt auch, warum die Wall Street zur Zeit auf dem höchsten Stand seit vier Jahren handelt und dabei nicht nur einen äußerst fragilen Arbeitsmarkt, sondern auch die historisch hohe Verbraucherverschuldung und das steigende Defizit weitgehend ignoriert.

So wird klar, dass sich mit optimistischen Wünschen eine Zeit lang gut leben und sogar Geld verdienen lässt. Allerdings wird der Zeitpunkt kommen, an dem handfeste Zahlen die oft unzuverlässigen Umfragewerte ersetzen. Das wird wohl nicht mit dem Arbeitsmarktbericht am Freitagmorgen stattfinden, der aufgrund statistischer Ungereimtheiten auch nicht das zuverlässigste Instrument zur Messung der aktuellen Job-Situation ist. Doch wird der Moment kommen, und die Börse wird die Folgen spüren.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 05-08-2005 20:44

Kein Kurswechsel bei ExxonMobil

Viel Feind, viel Ehr’. Vielleicht ist das der Grundsatz, nachd dem Lee Raymond lebt. Der CEO von ExxonMobil gehört zu den meist geachteten Wirtschaftsbossen in Amerika. Er ist aber auch einer der umstrittensten, denn die Politik seines Unternehmens ist zwar profitabel, aber auch rücksichtslos – selbst im Vergleich zu anderen Öl-Firmen.

Für Raymond selbst dürfte das nebensächlich sein. Wenn der Kapitän zum Jahresende nach zwölf Jahren sein Schiff verlassen wird, dann kann er äußerst zufrieden zurückblicken. Die finanzielle Bilanz ist makellos. Vor wenigen Tagen hat ExxonMobil einen Quartalsgewinn von 7,64 Milliarden Dollar ausgewiesen. Das war der zweithöchste Quartalsgewinn, den je ein Unternehmen bilanzieren konnte, übertroffen wird die Zahl nur noch von… nun ja, ExxonMobil selbst, wo man vor einem Jahr noch mehr verdiente.

Doch führt ExxonMobil nicht nur die Quartalsgewinner-Liste an. Der Öl-Konzern ist gemessen an der Marktkapitalisierung das teuerste Unternehmen der Welt, und laut der jüngsten Forbes-Liste ist ExxonMobil auch der profitabelste Konzern in Corporate America.

Der jüngste Erfolg des Unternehmens ist zwar zum Teil dem hohen Ölpreis zuzuschreiben, doch stammt die ursprüngliche Wachstumsstrategie von Lee Raymond. Der war ursprünglich nämlich Chef von Exxon und kaufte den Konkurrenten Mobil günstig ein, als der Ölpreis bei knappen 20 Dollar lag – seither liegt ExxonMobil an der Spitze der Branche. Die Exxon-Aktie hat sich unter Raymonds Ägide verfünffacht und handelt zur Zeit nahe eines 52-Wochen-Hochs.

„Lee Raymond hat fantastische Arbeit geleistet“, fasst Energie-Analyst Jim Wicklund von der Bank of America zusammen. „In einer sehr zyklischen Branche hat er alle Rekorde gebrochen und die höchsten Renditen eingefahren.“

So ein gutes Zeugnis würden indes nicht alle unterschreiben. Lee Raymond hat viele Kritiker, vor allem unter den Umweltschützern. Dabei sind es nicht nur Aktivisten, die den Öl-Riesen immer wieder kritisieren und zu Boykotten aufrufen. Auch moderate Amerikaner, die andere Konzerne der Öl-Branche für deren Bemühungen um eine verantwortungsvolle Unternehmenspolitik durchaus loben, haben sich gegen die Nummer Eins eingeschossen.

Allerdings fährt ExxonMobil unter Lee Raymond auch einen radikalen Kurs. Nicht nur in eigenen Unternehmensberichten heißt es, dass ein Zusammenhang zwischen dem erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen und der globalen Erderwärmung keineswegs bewiesen sei. Auch bei öffentlichen Auftritten vertritt man diese Meinung regelmäßig, ebenso in den Beratungen mit der Bush-Regierung.

Der Regierung hat ExxonMobil wiederholt wissenschaftliche Gutachten vorgelegt, die einen Zusammenhang von Schadstoff-Ausstoß und Klimakrise widerlegen – mehr als 15 Millionen Dollar hat das Unternehmen in den letzten Jahren für solche Untersuchungen ausgegeben, über deren Objektivität außerhalb des Konzern s nur gelacht wird. Konsequenterweise weigert man sich, die Raffinerien mit modernen Filtern auszurüsten oder angemessene Beträge zur Erforschung alternativer Energiequellen zur Verfügung zu stellen, wie das die Konkurrenz und vor allem BP seit Jahren tut.

Vielmehr setzt man sich bei ExxonMobil weiter für den Ausbau der Ölfelder ein und verlangt als einziger amerikanischer Energiekonzern noch immer die Bohrrechte für das Natur- und Tierschutzgebiet in der Arktis. Die Konkurrenz hat dieses Projekt längst abgehakt, nachdem internationale Proteste zu laut geworden waren.

Ein weiterer Anklagepunkt der ExxonMobil-Gegner dreht sich um eine lange zurück liegende Katastrophe: den Untergang der Exxon Valdez im Jahre 1989. Den lokalen Fischern schuldet das Unternehmen noch immer den größten Teil einer längst festgelegten Entschädigung, und trotz jährlicher Rekordgewinne im zweistelligen Milliardenbereich versucht man immer wieder, ganz aus den Verpflichtungen entlassen zu werden.

Den Kritikern wird ExxonMobil nicht dadurch sympathischer, dass all sein Handeln nicht nur von der Öl-verliebten Bush-Regierung sanktioniert wird, sondern dass man im Weißen Haus sogar immer mehr für die Industrie zu tun bereit scheint. Erst vor einer Woche beschloss Washington das neue Energie-Gesetz, in dem nur wenige Punkte irgendetwas mit Umweltschutz oder der Verantwortung gegenüber späteren Generationen zu tun haben. Kernstück des Gesetzes sind vielmehr weitere Steuernachlässe für die Öl-Branche, was ExxonMobil viele Millionen Dollar sparen wird und angesichts des herrschenden Defizits und der Rekordgewinne für die Konzerne völlig unverständlich ist.

Diese wertvollen Ergebnisse enger Beziehungen zu Washington dürften allerdings dafür sorgen, dass Regierung und Öl-Branche auch weiterhin eng zusammenarbeiten werden und ExxonMobil auch in der Zeit nach Lee Raymond seine Politik nicht ändern wird. Davon sind auch die Analysten überzeugt. „Rex Tillerson wird den Kurs nicht ändern“, meint Fadel Gheit vom Brokerhaus Oppenheimer mit Blick auf den aktuellen Präsidenten von ExxonMobil, der wohl Raymonds Nachfolger werden soll.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 05-08-2005 21:00

S&P hält Stahlwerte für günstig bewertet
Von Sam Stovall, Chef-Investmentstratege von S&P

http://www.faz.net/imagecache/{81741...7E}picture.gif ...

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...t-1256577.html

Starlight 08-08-2005 20:59

Sparen bleibt "Out"

Jede Medaille hat zwei Seiten. Und manchmal lässt sich eine besser präsentieren als die andere. Beim Wohlstand des durchschnittlichen Amerikaners ist das zum Beispiel so. Der Ami hat nämlich, einerseits, zur Zeit so viel Geld auf der Seite wie nie zuvor – allerdings spart er auch, andererseits, so wenig wie nie zuvor.

Das mag paradox klingen, ist aber dem Immobilienmarkt zu verdanken, dessen explosives Wertwachstum in den letzten Jahren dafür gesorgt hat, dass der durchschnittliche amerikanische Haushalt ein Vermögen von mehr als 400 000 Dollar hat. So weit die gute Nachricht.

Wesentlich schlechter ist aber, dass viele Hausbesitzer mit dem unerwartet hohen Vermögen nicht umgehen können. Immer mehr scheinen ihre Häuser als überdimensionale Bankomaten zu betrachten, aus denen sich beliebig Geld ziehen lässt. Noch nie zuvor haben Hausbesitzer so viele und so hohe Hypotheken auf ihre Häuser gehalten, ausgegeben wird das plötzlich liquide Vermögen für Konsum.

Dabei hat mancher längst den Überblick verloren. „Die steigenden Häuserpreise spielen manchen Leuten vor, sie wären reich und müssten jetzt nicht mehr sparen“, meint Lakshman Achuthan vom Economic Cycle Research Institute. Den Beweis für genau diese Lesart brachte jüngst das Wirtschaftsministerium: Man hat für den Juni eine Sparrate von 0,0 Prozent ermittelt.

So etwas kommt nicht oft vor. Eine Sparrate von 0,0 Prozent gab es überhaupt erst einmal, seit die Statistik vor fast fünfzig Jahren aufgenommen wurde. Auf das Jahr gerechnet kommt das Wirtschaftsministerium auf eine Rate von 1,8 Prozent, was wiederum der niedrigste Stand seit 1934 ist, als Amerika in der Großen Depression steckte.

Doch damit nicht genug: Streng genommen beträgt die Sparrate der Amerikaner nämlich nicht einmal 0,0 Prozent. Die Statistik basiert nämlich auf den Einnahmen, wobei nicht liquide Einnahmen – wie zum Beispiel Einzahlungen in Rentensparpläne – mitgezählt werden. Die stehen aber nicht wirklich zur Verfügung, womit der durchschnittliche US-Verbraucher zur Zeit sogar etwas mehr ausgibt als er verdient.

Der jüngste Anstieg bei den Bestellungen langlebiger Güter rechtfertigt die gefährliche Tendenz übrigens nicht. Zwar haben die Amerikaner in den vergangenen Wochen so viele Autos gekauft wie nie. Doch hatte das Wirtschaftsministerium bereits vor Einführung der umsatzsteigernden Mitarbeiter-Rabatte eine Sparrate von gerade einmal 0,4 Prozent gemessen. Damit würden pro 100 verdienten Dollar gerade einmal 40 Cent gespart.

Diese niedrigen Raten machen Volkswirtschaftlern Sorgen. Sicher, kurzfristig kurbelt der Konsum die Wirtschaft an – egal, woher das Geld kommt. Langfristig aber wird das Spiel nicht aufgehen. Vor einer „gefährlichen Situation“ warnt Dean Baker , Direktor beim Center for Economic and Policy Research. „Die Wirtschaft hängt davon ab, dass die Leute weiter wie verrückt kaufen. Wenn jeder diesen Text lesen und danach zu sparen anfangen würde, würden wir eine Rezession rutschen.“

Dabei braucht es noch nicht einmal eine große Welle des Umdenkens, um eine Krise auszulösen. Allein stagnierende oder langfristig wieder fallende Hauspreise könnten den Verbraucher gehörig unter Druck setzen. Wenn zudem in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und die Abzüge aus den Kassen größer werden, wird sich die Statistik zudem verschieben. Einzahlungen in die Kassen zählen nämlich mit zum Einkommen, Bezüge hingegen nicht. Negative Sparraten dürften damit bald zum Alltag gehören.


Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 09-08-2005 20:32

Übertriebene Inflationsangst

Nimmt in den USA der Inflationsdruck zu oder nicht? Am Tag der Notenbankentscheidung spielt das Thema Preissteigerungen auf dem Parkett der New Yorker Aktienbörse die Hauptrolle. Nicht zuletzt wegen des überraschend starken Anstiegs der durchschnittlichen Stundenlöhne im Juli, rechnen Börsianer mit keinem Ende der Zinsanhebungen.

Die Notenbank dürfte um 20:15 Mez den Leitzins erneut um 25 Basispunkte anheben. „Eine langweiliges Ereignis“, meinen die Volkswirte von Goldman Sachs. Mit großen Überraschungen sei kaum zu rechnen. An der Formulierung der Presseerklärung dürfte sich nicht ändern. Mit Hinweisen auf ein mögliches Ende der Zinsanhebungsrunde sollten Börsianer jedenfalls nicht rechnen. Vielmehr dürfte die robuste Konjunktur stärker hervorgehoben werden.

Goldman Sachs geht davon aus, dass die Leitzinsen bis zum Frühling auf 5 Prozent steigen werden. Der Leitzins beträgt aktuell noch 3,25 Prozent. Das robuste Wachstum, gekoppelt mit einer niedrigen Arbeitslosenquote und steigenden Stücklohnkosten setzen Alan Greenspan unter Druck.

Steigende Renditen bei kurzlaufenden Anleihen, gekoppelt it sinkenden Renditen bei den Langläufern, dürften ab dem zweiten Halbjahr 2006 zu einer umgekehrten Zinskurve führen. Eine düstere Prognose, bedenkt man, dass es noch keine eindeutigen Zeichen aufkommender Inflation gibt.

Es kann durchaus sein, dass der überraschende Anstieg der durchschnittlichen Stunden nur ein Ausrutscher war. So fasst dann auch zumindest der Aktienhandel nach Veröffentlichung der jüngsten Inflationsdaten wieder Mut.

Die Produktivität kühlt sich mit einem Wachstum von 2,2 Prozent im zweiten Quartal zwar ab, signalisiert aber ebenfalls langsamer steigende Lohnstückkosten. Stieg dieser wichtige Inflationsindikator im ersten Quartal noch um 3,6 Prozent, liegt die Steigerung im jüngst abgelaufenen Quartal bei nur noch 1,3 Prozent.

Bedenkt man, dass der Ölpreis seit Jahresanfang knapp 50 Prozent zugelegt hat, halten sich die inflationären Trends doch ziemlich in Grenzen. Wächst das BIP im dritten Quartal tatsächlich um mindestens 4,5 Prozent, ist die Kuh sicher nicht vom Eis. Mit nachhaltig aufkommender Inflation ist vorerst aber dennoch nicht zu rechnen.

Schon heute von einer umgekehrten Zinskurve zu sprechen, kommt reine Spekulation gleich. Sollte der Immobilienmarkt zwischenzeitlich abkühlen, wovon auszugehen ist, gibt es keinen Grund den Leitzins auf bis zu 5 Prozent zu schrauben.


Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc


Es ist jetzt 21:32 Uhr.

Powered by vBulletin® Version 3.8.4 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.