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Starlight 19-01-2006 20:33

"Truthiness"

Das Börsenjahr hatte so gut begonnen. Doch schon nach den ersten zwei Januar-Wochen ist die Stimmung im Eimer. Die Ertragssaison hat bislang nicht gebracht, was sich viele Anleger erhofft hatten. Im Gegenteil: Nackte Zahlen deuten darauf hin, dass die Börse in den letzten Wochen viel zu optimistisch gehandelt hat.

Zur Erinnerung: Der Aluminium-Riese Alcoa hatte als erstes Dow-Unternehmen Quartalszahlen gemeldet – und verfehlt. Am gleichen Tag warnten der Kupferhersteller Phelbs Dodge und der Industrie-Multi United Technologies. Nun haben auch die ersten Hightech-Werte enttäuscht: Intel und Yahoo meldeten schwächer als erwartet, bei IBM, eBay und sogar bei Apple enttäuschten die Aussichten.

Überraschend ist das alles nicht, außer für die Berufs-Optimisten an der Wall Street, die sich schon seit Monaten immer mehr ihrer ganz eigenen „Truthiness“ hingegeben haben.

„Truthiness“ ist in Amerika zum Wort des Jahres gewählt worden. Es ist ein Phantasiewort des Politsatirikers Stephen Colbert, der auf Comedy Central eine tägliche Late-Night-Show hat. Colbert definiert „Truthiness“ als eine Wahrheit, die auf subjektivem Empfinden und Wunschvorstellungen beruht. Damit ist „Truthiness“ eine gewagte Erweiterung der traditionellen Wahrheit, die auf Fakten beruht. Oder deren genaues Gegenteil.

Colbert prägte den Begriff natürlich mit Blick auf den amerikanischen Präsidenten. So gehört zu George W. Bushs „Truthiness“, dass Saddam Hussein irgendwie hinter den Terroranschlägen des 11. September 2001 steckte. Und dass seine Massenvernichtungswaffen eine Gefahr für die USA und den Rest der Welt darstellten. Und dass amerikanische Soldaten im Irak nach wie vor als Friedensbringer willkommen sind. Und dass ein globaler Klimawandel nicht existiert oder jedenfalls nichts mit Umweltverschmutzung durch Autos und Industrie zu tun hat.

Die „Truthiness“ an der Wall Street sieht ähnlich aus: Berufs-Optimisten wissen mit hundertprozentiger Sicherheit, dass der Arbeitsmarkt gar nicht schwach ist. Und dass der Immobilienmarkt nicht einbrechen wird. Und dass vor allem auf den Verbraucher auch in 2006 Verlass sein wird.

In diesen Tagen muss mancher darüber noch einmal nachdenken. Denn die Vorhersagen der Unternehmen stimmen mit der bisher vorherrschenden Meinung nicht überein. Warum fürchtet Apple, im laufenden Quartal weniger iPods zu verkaufen als erwartet? Weil der Verbraucher unter seiner Schuldenlast zusammenbricht und neue Hightech-Gadgets irgendwann nicht mehr erschwinglich findet. Auch der gelegentliche Einkaufsbummel bei eBay wird hin und wieder abgesagt werden. Unternehmen indes werden nicht so schnell und in so großen Stil ihre IT-Investitionen herauffahren, wie Chiphersteller und Netzwerker zu verstehen geben.

Angesichts der fundamentalen Aussichten für die US-Konjunktur hätte die Wall Street in den letzten Monaten nie und nimmer auf 11 000 Punkte klettern dürfen. Der unumstößliche Glaube der Anleger an ihre eigene Wahrheit hat Aktien dahin getrieben. Während jetzt immer mehr Zahlen gemeldet werden, wird es wieder abwärts gehen. Nicht jeden Tag, versteht sich. Denn die Masse macht den Markt. Und „Truthiness“ ist nicht zuletzt deshalb Wort des Jahres geworden, weil sich das Konzept immer mehr durchsetzt – in Washington und an der Wall Street.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 19-01-2006 20:37

Quartalssaison
Hoffnungsschimmer an der Wall Street


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http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...t-1278742.html

Starlight 20-01-2006 21:20

Bush sucht, Google wehrt sich

In der Euphorie nach Neujahr hat die Aktie von Google in wenigen Tagen um satte 15 Prozent zugelegt – und dann wieder abgegeben. Am Freitag handelt die Suchmaschine schon den dritten Tag in Folge recht deutlich im Minus. Schuld sind erste kritische Stimmen und ein aktueller Streit mit der Bush-Regierung.

Sich gegen Washington aufzulehnen hat noch keiner Aktie gut getan. Da ist Google keine Ausnahme. Dafür ist es aber wenigstens löblich, wie sich das Management der Suchmaschine der Zusammenarbeit mit der Regierung in einem höchst umstrittenen Projekt widersetzt.

Bush & Co. haben jüngst von Google verlangt, eine elektronische Datei herauszugeben, die sämtliche bei der Suchmaschine eingetippten Suchbegriffe auflisten würde. Man benötige die Daten im Kampf um Internet-Pornografie. Die Regierung will beweisen, dass Filter-Software keinen ausreichenden Schutz vor Sex-Seiten im Internet biete, und dass Kinder trotz entsprechender Computer-Einstellungen seitens der Eltern Gefahr liefen, auf Porno-Seiten zu stoßen.

Der Supreme Court als höchstes amerikanisches Gericht hat vor zwei Jahren beschlossen, dass Software einen ausreichenden Schutz biete. Daran zweifeln die Republikaner, die an einem Gesetz zum Schutz der Kinder arbeiten.

So weit, so gut. Dass die Regierung auf dem Weg zu dem Gesetz jedoch sämtliche Suchbegriffe der Amerikaner bei Suchmaschinen durchlesen will, geht Verbraucherschützern und Bürgerrechtlern zu weit. Auch dass die Anfrage jüngst eingeschränkt wurde und das Weiße Haus nur noch ein Dokument über sämtliche Anfragen einer einzigen Woche anfordert, macht die Situation nicht besser.

„Die Bedeutung von Suchmaschinen im Alltag wird immer größer. Viele User haben wohl mehr Kontakt zu Google und zu ähnlichen Seiten als zu ihrer eigenen Mutter“, meint der auf Datenschutz spezialisierte Rechtsanwalt Thomas Burke. „Die meisten Leute würden es wohl ablehnen, wenn die Regierung bei den Telefonaten mit der Mutter mithören wollte, und gegen den Einblick auf die Suchmaschinen würde man sich ebenso wehren.“

Google sieht das genauso. Selbst wenn man alle persönlichen Daten aus den Suchanfragen lösche, so ein Unternehmenssprecher, sehe man einen Betrug am Kunden, der sich seiner Privatsphäre beim Online-Surfen sicher wähnt. Man sieht das Firmenmotto in Gefahr: „Do no evil“, hatte Google gelobt, als das Unternehmen vor anderthalb Jahren an die Börse ging. „Tue nichts Böses.“

Zudem will das Unternehmen natürlich eigene Geheimnisse schützen. Ein Einblick in die Zahl und Art der Suchanfragen und dazugehörige Daten könnte der Regierung – und im schlimmsten Fall Konkurrenten – Details zur Google-Suche, zum Netz und zu der Anzahl und Art der Großrechner verraten.

Wie lange sich der Streit zwischen Google und Bush hinzieht, ist unklar. Die Regierung dürfte es aber schwer haben, ihre Daten-Forderung gegen Googles Widerstand durchzusetzen. In einem Prozess, auf den sich das Weiße Haus in seiner Untersuchung beruft, ist Google nicht beteiligt und kann folglich auch nicht beliebig vorgeladen werden.

Wenn Google standhaft bleibt, dürfte das dem Unternehmen einen gewaltigen Image-Gewinn einbringen – was angesichts des ohnehin exorbitant starken Images von Unternehmen und Aktie schwer ist. Für die Bush-Regierung wäre eine Niederlage gegen Google indes ein schwerer Schlag. Umso mehr, als Googles mangelnde Kooperation die Geschichte an die Öffentlichkeit brachte und das Weiße Haus nun erneut im Verdacht steht, regelwidrig in die Privatsphäre amerikanischer Bürger einzugreifen. Der letzte ähnliche Fall, als Bush seinen Nachrichtendienst ohne richterliche Erlaubnis Telefonate mithören ließ, ist in der Hauptstadt noch lange nicht ausgestanden.

Ärgern wird man sich im Bush-Camp wohl auch darüber, sich überhaupt an Google gewandt zu haben. Immerhin hat das Unternehmen den Ruf, sich der Regierung nicht ganz so willfährig zu beugen wie andere Firmen. In der Sache selbst hätte es wohl keinen Unterschied gemacht, ob analysierte Suchanfragen von Google oder von den Konkurrenten gestammt hätten. Mit denen hatte man keine Probleme: Yahoo und die Time-Warner-Tochter AOL haben dem Weißen Haus anstandslos alle angefragten Dokumente ausgehändigt.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 23-01-2006 20:30

…und nun zum Sport

Nach der ersten Woche der Ertragssaison gehen die Meinungen an der Wall Street weit auseinander – wie immer. Einig sind sich die Experten eigentlich nur darüber, dass die enttäuschenden Zahlen vieler Blue Chips und anderer prominenter Werte die Stimmung gedrückt und unter anderem die Kursstürze vom Freitag verschuldet haben.

Von den ersten Dow-Unternehmen, die bisher gemeldet haben, kam tatsächlich kein einziges ohne schlechte Nachrichten aus. Bei GE stimmte der Gewinn, aber der Umsatz war schwach. Alcoa und Citigroup verfehlten komplett. JP Morgan leidet unter schwachem Aktienhandel. IBM kam mit starken Zahlen, aber einem schwachen Ausblick, ebenso wie Apple und Ebay außerhalb des Dow. Yahoo und Intel wiederum verfehlten die Schätzungen auf ganzer Linie.

So ein Überblick sieht nicht gut aus. Auch nicht, wenn die Statistiker darauf hinweisen, dass immerhin 60 Prozent der Unternehmen bisher die Erwartungen geschlagen haben. Wen kümmern schon ein kleiner T-Shirt-Laden oder die Lokalbank in Florida, wenn die Großen alle patzen.

Und überhaupt: Die Quote der Enttäuschungen steigt auch ein wenig. 24 Prozent der Unternehmen blieben bisher unter den Prognosen zurück. Kann es sein, dass die Prognosen zu optimistisch waren? Es sieht so aus. Die Analysten sind in das bereits vierte Jahr des Bullenmarktes mit dem gleichen Optimismus eingestiegen wie in das ertse und zweite. Und wenngleich die Unternehmen 2002 sämtliche Schätzungen bei weitem übertroffen haben, berechtigt das noch lange nicht zu grenzenloser Euphorie bis an den jüngsten Tag. Immerhin: 2002 und 2003 war das Gewinnwachstum in Corporate America nicht zuletzt deshalb so stark, weil ich die Vergleichsdaten des Vorjahres schwach waren und üppiges Wachstum erst zuließen.

Jetzt, langsam und einer nach dem anderen, senken die Analysten ihre Erwartungen für das angebrochene Jahr. Damit laufen die Experten dem Trend wieder einmal hinterher. Erneut zeigt sich, dass die meisten Analysen im Vorfeld nicht so sehr auf fundamentalen Nachfroschungen beruht haben, sondern auf Euphorie.

Und das kann langtfristig nicht hinhauen. Zwar ist optimistische Stimmung immer besser als pessimistische, und viel Optimismus kann die Wirtschaft auch antreiben und sozusagen zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung werden. Aber es gibt eben doch auch eine Schattenseite: Die Gefahr von Enttäuschungen steigt.

Und nun zum Sport: Der US-Skifahrer Bode Miller wird in wenigen Wochen bei den Olympischen Spielen in Turin an den Start gehen, und könnte dort, laut dem Time-Magazin als erster „fünf Medaillen“ holen. Damit sind die Erwartungen gesetzt. Kommt Miller mit drei Mal Gold zurück, werden die Fans enttäuscht sein. Kommt er hingegen mit fünf Medaillen zurück, werden sie nicht begeistert sein. Immerhin hat Miller nur sein Soll erfüllt.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 26-01-2006 18:53

Bush kritisiert GM und Ford

In Detroit ist die Stimmung trübe. Die Automobilindustrie steckt in einer schweren Krise, allein in dieser Woche hat man etwa 35 000 Entlassungen bei Ford und DaimlerChrysler und einen Verlustvon 5 Milliarden Dollar bei GM gemendet. Und jetzt kommt auch noch Schelte aus Washington, wo man eigentlich Hilfe erwartet hatte.

Seit langem nämlich versuchen General Motors und Ford, die Milliardenlöcher in ihren Pensionskassen vom Steuerzahler auffüllen zu lassen. Und dank guter Beziehungen zu Bush & Co. war das gar kein allzu gewagter Gedanke. Zwar verhandeln die Unternehmen weiter mit der Gewerkschaft über Zugeständnisse von Mitarbeitern und Pensionären sowie eine künftige höhere Eigenbeteiligung an der Krankenversicherung, doch war die Notlösung Washington immer ein durchaus realistisches Szenario.

Nun die Absage. „Statt in Washington auf Hilfe zu hoffen, sollen die einfach bessere Autos bauen“, knurrt Präsident George W. Bush nach Informationen des Wall Street Journal. Das sind ganz neue Töne gegenüber der Industrie. Doch trifft Bush ausnahmsweise einmal den Nagel auf den Kopf. Kritische Experten sagen schon lange, dass ein Auto-Hersteller nicht nur wegen hoher Pensionsverpflichtungen in Schwierigkeiten sein kann, sondern immer auch weil er nicht genug Autos verkauft.

In den Sorgen um Renten und Versicherungen, Bilanzen und Entlassungen haben GM und Ford längst ihr Kerngeschäft vergessen. Aktuelle Umfragen vom Marktforscher J.D. Powers zeigen das. Das Institut führt seit Jahren Statistik über die Zuverlässigkeit aller möglichen Modelle und notiert, welcher Wagen in den ersten drei Jahren wie oft zur Reparatur muss.

Eines vorweg: Die Amerikaner haben sich in den letzten beiden Jahren gegenüber der japanischen Konkurrenz durchaus verbessert. Im Luxus-Segment, zum Beispiel, fahren die Detroit-Marken Lincoln, Cadillac und Buick nur knapp hinter Porsche und Lexus und haben die teuren Serien von Toyota ebenso abgehängt wie die Luxustöchter Infiniti von Nissan und Acura von Honda.

Unterhalb der Oberklasse sieht es weniger gut aus, da fahren GM und Ford im internationelen Vergleich nur im Mittelfeld mit.

Fast durchweg enttäuschend fallen allerdings Verbraucherumfragen aus, die J.D. Powers neben den Wartungsstatistiken führt. In der Meinung der Verbraucher kommen die amerikanischen Marken deutlich schlechter Weg als Toyota und Subaru, und selbst die technisch etwas abgeschlagene Markt Suzuki bekommt in vielen Kategorien besere Noten.

Die Diskrepanz beruht größtenteils darauf, dass Autofahrer längst andere Schwerpunkte setzen als die Unternehmen. Die bauen zwar sicherere Autos als früher, konzentrieren sich sonst aber eher auf Zubehör und bessere Ausstattung statt auf wesentliche Dinge wie den Motor. Der verbraucht bei GM und Ford noch immer mehr als bei den Asiaten, und in Zeiten hoher Benzinpreise ist das ein schlagendes Argument für oder gegen den Kauf eines Autos – das zeigt nicht zuletzt die unterdurchschnittliche Bewertung der GM-Luxuskiste Hummer, der übelsten Spritschleuder auf amerikanischen Straßen.

Laut einer aktuellen Statistik der US-Umweltministeriums EPA verbaucht der durchschnittliche Kleinwagen bei GM 7,6 Liter auf 100 Kilometer, bei Ford ganze 8,6 Liter. Das Vergleichsmodell kommt bei Toyota mit 6,6 Litern und bei Honda mit 6,2 Litern aus. In der Mittelklasse sieht es nicht anders aus, und erst bei Kleinbussen und SUV gleichen sich die Zahlen etwas an, immer noch mit einem Vorteil für die Asiaten.

Ein weiteres Problem für US-Wagen sind die zahlreichen Rückruf-Aktionen. Sorgfältiges Arbeiten und bessere Kontrollen bei Zulieferern hätten GM und Ford in den letzten Jahren hunderte Millionen Dollar gespart und das Image bewahrt. Das nämlich leidet auch unter einer Rückrufaktion, wenn nur ein kleines, noch so bedeutungsloses Plastikteil ausgetauscht werden muss. Ein Grund mehr für GM, sich bei den Verhandlungen mit dem wichtigsten Zulieferer Delphi auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das dürfte jetzt aber auch leichter fallen, denn der verlockende Ausweg nach Washington scheint nun erst einmal blockiert zu sein.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 27-01-2006 21:30

Rückblick: Dumm und dümmer

Die Zeit der Jahresrückblicke ist eigentlich vorbei. Doch lohnt es sich, auch Ende Januar noch eine Ausnahme zu machen. Ein amerikanisches Wirtschaftsmagazin zieht nämlich eine ganz besondere Bilanz: Die 100 dümmsten Business-Momente.

Ein Blick in die seitenlange Liste von „Business 2.0“ zeigt, dass sich amerikanische Unternehmen und Unternehmer eine ganze Reihe enormer Dummheiten erlaubt haben. Mancher lag mit einer ganzen Produkt- oder Marketingstrategie gehörig daneben, andere wiederum ließen sich in rufschädigenden Situationen erwischen… am Ende gilt für alle: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Amerika lacht über:

Conrad Black, den ehemaligen CEO von Hollinger. Der sah sich einer Betrugsklage gegenüber und soll der Firma zig Millionen unterschlagen haben. Um die Anklage zu schwächen, schlich sich Black in die Firmenzentrale und klaute kurzerhand mehrere Boxen mit Dokumenten. Zu dumm: Die Überwachungskamera sah zu und lieferte dem Gericht Bilder, die Black wirklich nicht mehr rechtfertigen konnte.

Ein anderer CEO of Abwegen war Harry Stonecipher. Der Flugzeugriese Boeing hatte ihn angeheuert, um nach dem Pentagon-Skandal wieder Moral in das Unternehmen zu bringen. Stonecipher selbst war indes eine schlechte Wahl. Kaum im Chefsessel angelangt, begann er eine Affäre mit einer Mitarbeiterin – und verstoß so gegen den Kodex der Firma, den er selbst eingeführt hatte. Stonecipher musste gehen.

Kürzer waren die Abenteuer des Robert McCormick. Der CEO des Internet-Providers soll sich im New Yorker Strip-Club Scores für 241 000 Dollar vergnügt haben – zahlen wollte er nicht. Nach einer Klage von American Express gestand er, wenigstens 20 000 Dollar in Drinks und erotische Tänze investiert zu haben. Das reichte allerdings für eine Kündigung.

Doch nicht alle Pannen sind den Chefs anzulasten. Bei manchen Unternehmen ging die ganze Strategie daneben. Der Cornflakes-Riese General Mills sprang auf den Gesundheits- und Fitnesszug auf, ohne allzu sehr über sein eigenes Produkt nachgedacht zu haben. So warb man für „gesunde“ Flocken wie „Cocoa Puffs“ und „Count Chocula“ und ließ in TV-Spots sogar den „Lucky-Charms“-Wichtel Hanteln stemmen – den sportlichen Dreh nahm den Zuckerbomben allerdings kein Kunde ab.

Einen Werbe-Fauxpas historischer Güte leistete sich Wal-Mart. Nachdem ein lokales Gremium in Arizona gegen den Bau eines neuen Super-Centers gestimmt hatte, schaltete der Einzelhändler doppelseitige Anzeigen mit dem Bild einer Bücherverbrennung unter den Nazis. Bildunterschrift: „Wollen wir uns von der Regierung vorschreiben lassen, was wir lesen sollen? Nein. Also sollen wir uns auch nicht vorschreiben lassen, wo wir einkaufen können.“ Die Proteste ließen nicht lange auf sich warten, Wal-Mart plädierte auf Ignoranz: Man habe die historische Bedeutung des Fotos verkannt.

Apropos Werbung: American Airlines hatte bei einem Preisausschreiben 24 Freiflüge als ersten Preis ausgelobt, wollte dem Gewinner aber die anfallenden Steuern und Gebühren nicht erstatten. Der hätte somit auf seinen Gewinn 19 000 Dollar zahlen müssen – 800 Dollar pro Flug – und lehnte dankend ab.

Ein weitere Werbefeldzug ging dem New Yorker Radiosender WQHT97 daneben. Bei Live-Veranstaltungen hatten die Moderatoren Konzertkarten an Frauen vergeben, die sich in Ohrfeigen-Wettbewerben beweisen wollten – diese Gewaltaktion ging dem Staatsanwalt zu weit. Eine Strafe von 240 000 Dollar dürfte dem Sender wie eine gewaltige Ohrfeige erschienen sein.

Ein anderer Radiosender scheiterte derweil an einem Porträt über Bob Marley. Eine qualitativ hochwertige Dokumentation, so der Sender in einem Brief an die Stiftung des Reggae-Stars, könne nur gelingen, wenn man mit ihm ein persönliches Interview bekäme. In der Zeitplanung sei man flexibel. Nun, Bob Marley ist weniger flexibel, schließlich ist er seit einem Vierteljahrhundert tot.

Wir fassen zusammen: Ganz schön verrückt, was manchem Unternehmen passierte. Und wo wir bei „verrückt“ sind. Die Firma Vermont Teddy Bear steckte zum Valentinstag einen Plüschbären in eine Zwangsjacke und verkaufte ihn samt Anstaltsdokument mit der Diagnose: Verrückt nach Dir! Der Verband der geisitg Behinderten beschwerte sich und hatte Erfolg: Vermont nahm den Bären vom Markt – was direkt zum cleversten Geschäfts-Moment des Jahres führte. Sammler verkaufen den verrückten Bären nun auf Ebay – für 300 Dollar.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 30-01-2006 20:29

Prozessauftakt: USA gegen Enron

Nicht dass in dieser Woche nicht genug los wäre. In Washington tagt die Notenbank und spricht der Präsident, in Wien debattiert die Opec, an der Wall Street endet ein volatiler Monat – und trotzdem blickt alles nach Houston, Texas. Dort beginnt an diesem Montag der Prozess gegen Ken Lay und Jeffrey Skilling, die ehemaligen Chefs von Enron.

Es ist nicht der erste Enron-Prozess. Bereits siebzehn Top-Manager sind seit dem Zusammenbruch des Energieriesen Ende 2001 verurteilt worden oder haben sich schuldig bekannt. Allein der Prozess gegen die beiden CEO, Firmengründer Kenneth Lay und seinen Nachfolger für sechs Monate, Jeff Skilling, ließ lange auf sich warten. Mehr als vier Jahre liegt der größte Wall-Street-Skandal aller Zeiten nun zurück. Man wartet gespannt auf den Tag der Abrechnung.

Um es vorweg zu nehmen: Gegen Jeff Skilling, der vor seiner Zeit als CEO schon Chef des operativen Geschäfts war, liegen 31 Anklagepunkte vor, gegen Ken Lay sind es 11 Punkte. Befindet das Gericht die Angeklagten in allen Punkten für schuldig, dürften die Ex-Bosse für den Rest ihres Lebens hinter Gitter wandern.

Tausende amerikanischer Anleger und Enron-Mitarbeiter dürften das als große Genugtuung sehen. Denn sie blicken auf ein düsteres Kapitel zurück. Die meisten Geschädigten hatten bereits für General Electric gearbeitet, als dessen Ableger in Portland, Oregon, 1997 von Enron übernommen wurde. GE-Rentenpläne wurden in Enron-Pläne umgewandelt und fast ausschließlich in Enron-Aktien investiert. Als die Aktie im Herbst 2001 ihren Sturz begann, wurden die Mitarbeiterkonten eingefroren und Tausende mussten zusehen, wie sich ihre Ersparnisse in Luft auflösten. Sie alle dürften auf hohe Strafen für Lay und Skilling hoffen.

Doch genau das ist das Problem zum Prozessauftakt. Die Verteidigung hat zunächst beantragt, die Verhandlung zu verlegen – in Houston können Lay und Skilling keinen fairen Prozess erwarten. Das mag stimmen, immerhin haben allein in der texanischen Großstadt mindestens 4000 Einwohner Job und Altersvorsorge verloren. Doch anderswo sieht es nicht besser aus.

Ein großer Teil der Bevölkerung im westlichen Teil der USA steht Enron alles andere als neutral gegenüber. Während der Energiekrise nach der Deregulierung der Märkte zahlte so mancher Bürger Wucherpreise an Enron. Kalifornien traf es besonders hart. Enron verschickte Millionen von Kilowattstunden in andere Staaten und sorgte für eine künstliche Knappheit am Pazifik. In den Fabriken standen die Fließbänder still, in Krankenhäusern fielen Maschinen und in Labors die Kühlschränke aus. In Läden im ganzen Staat wurde es dunkel, Ampeln fielen aus. Derweil scherzte Skilling: Anders als Kalifornien sei die Titanic wenigstens hell erleuchtet untergegangen.

Einen Schaden von mehr als 10 Milliarden Dollar hat der Staat Kalifornien bis heute nur etwa zur Hälfte wieder gutgemacht.

Und dann wären da auch noch die Leute in Chicago. Auch sie dürften nicht gut auf Enron zu sprechen sein. Die Stadt war Hauptsitz des Bilanzprüfers Arthur Andersen, der nach dem Skandal um Enron gemeinsam mit dem Stromkonzern unterging. Die Verstrickung einzelner Mitarbeiter in den Enron-Betrug hatte die Glaubwürdigkeit der Agentur beschädigt, der sämtliche Kunden davon liefen. Arthur Andersen war bald pleite, und 28 000 Mitarbeiter standen auf der Straße.

Weitere Enron-Opfer finden sich an der Wall Street und in Konzernen im ganzen Land. Der Betrug beim Stromkonzern war es schließlich, der die Verabschiedung des Bilanzgesetzes Sarbanes-Oxley nach sich zog. Die verschärften Vorschriften für börsennotierte Unternehmen kosten Corporate America Millionen.

Nun haben Kenneth Lay und Jeffrey Skilling verfassungsmäßig ein Recht auf einen fairen Prozess mit unvoreingenommenen Geschworenen. Der ist ihnen in Houston nicht sicher. Anderswo aber auch nicht. Entsprechend lange wird es dauern, bis zunächst einmal die zwölfköpfige Jury steht. Wie lange sich der Prozess "USA vs. Lay/Skilling" hinziehen wird, steht ohnehin in den Sternen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 30-01-2006 20:37

Telekommunikations-Ausrüster geben starke Signale

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http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...e-1302038.html

Starlight 31-01-2006 18:05

Abschied von Alan Greenspan

Viel ist geschrieben worden über Alan Greenspan in den letzten Tagen. Wenn der scheidende Notenbank-Chef am Dienstagnachmittag die Federal Reserve in Washington, D.C. verlässt, dann geht eine Ära zu Ende. Die Greenspan-Jahre waren gute Jahre für die US-Konjunktur, doch wird der „Magier“ auch gerne überschätzt.

Es gibt kaum einen Experten heutzutage, der sich allzu kritisch über Alan Greenspan äußern bag. Der Kauz hat über anderthalb Jahrzehnte an der Spitze der Notenbank eine gottgleiche Aura aufgebaut, die ihm keiner streitig machen will. Zumal Greenspan es keineswegs leicht hatte, in seine nun über alle Kritik gestellte Position zu kommen.

Im Gegenteil: Als Greenspan 1987 sein Amt antrat, kommentierte der Wirtschaftsjournalist Jude Wanniski in der USA Today, er habe „nicht die notwendige Kompetenz, die Geschicke der Notenbank zu leiten“. Solche pauschale Kritik verbeitet sich heute natürlich, seine Kompetenz hat Greenspan ja lange genug bewiesen.

Denn die Bilanz seiner Amtszeit ist beeindruckend. Unter Greenspans Führung sah die US-Konjunktur die zwei längsten Wirtschaftsaufschwünge und die zwei mildesten Rezessionen ihrer Geschichte. Arbeitslosigkeit und Inflation waren in den zwanzig Jahren vor Greenspan auf deutlich höheren Niveaus. Der „Leidensindex“, der Inflation und Arbeitslosigkeit vereinfachend zusammenfasst, fiel während Greenspans Amtszeit auf durchschnittlich 8,6 Prozent zurück. Vorher, zwischen 1967 und 1987, hatte der Durchschnitt bei 13 Prozent gelegen.

Doch gibt es durchaus Punkte, in denen sich an der Allmacht von „Mr. G“ zweifeln lässt. Denn nicht alles, was man Greenspan heute zuschreibt, war auch dessen Verdienst. Gemessen am Inflationsverlauf, beispielsweise, kann die Performance aller großen Zentralbanken glänzen. Der Abwärtstrend bei der Inflation ist kein amerikanisches, sondern ein globales Phänomen. Bei den Verbraucherpeisen steht der US-Kerninflation von 2 Prozent ein Wert von 1,7 Prozent in den OSZE-Staaten gegenüber. So gesehen schnitt das Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht besser ab als alle anderen Industriestaaten.

Und auch dass die US-Konjunktur in den vergangenen 18 Jahren im internationalen Vergleich durchaus robuster arbeitete, liegt nicht unbedingt am Fed-Chef. Dass das reale Wirtschaftswachstum in den USA zwischen 1987 und 2004 jährlich 3,1 Prozent betrug, hinkten die Euro-Zone hingegen 2,3 Prozent und in Japan nur 2,1 Prozent, ist eher mit strukturellen Schwierigkeiten in anderen Staaten als mit der Zinspolitik zu erklären.

Das soll nicht heißen, dass Greenspan beliebig austauschbar gewesen wäre. Der scheidende Notenbanker hat es verstanden, nach Finanzschocks wie dem Platzen der Spekulationsblase aggressiv durchzugreifen und dadurch wirtschaftliche Schäden zu begrenzen. Durch seine manchmal verwirrenden, aber wohl durchdachten Äußerungen nahm er zudem häufig unnötige Volatilität aus dem Markt.

So hat Greenspan seine Verdienste, und die Wall Street wird ihn vermissen – zumindest kurzzeitig. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Börse meist negativ auf einen Führungswechsel in der Notenbank reagiert hat. Auch die Stab-Übergabe an Ben Bernanke könnte den Markt zunächst einmal belasten, obwohl dessen Qualifikation für den Job außer Frage steht.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 31-01-2006 18:10

Aus Angst wird Euphorie
Von Mark Arbeter, technischer Chefanalyst bei S&P
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http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...e-1306107.html

Starlight 01-02-2006 20:39

Bush beeindruckt die Wall Street nicht

Wenngleich man an der Wall Street tagtäglich vor allem auf den Gesundheitszustand von Corporate America achtet, ist auch allgemein die Lage der Nation von Bedeutung. Das Land bietet schließlich den Nährboden für die Unternehmen, stellt Infrastruktur, Nachfrage und kassiert Steuern. Die Lage der Nation ist wichtig, der Bericht zur selbigen hingegen nicht. Die lange erwartete Rede von George W. Bush am Dienstagabend geht im Mittwochshandel weitgehend unter.

Wirklich überraschend ist es nicht, dass sich auf dem Parkett kaum einer um die Worte des Präsidenten schert. Der Bericht zur Lage der Nation, einst eingeführt als kritisches Update für den interessierten Bürger, ist in den letzten Jahren immer mehr zu einem Werbeinstrument verkommen und ist unter George W. Bush ein rein parteipolitisches Instrument, das eher Propaganda- als Aufklärungscharakter hat.

Das ist nicht zuletzt an der Reaktion des Publikums zu erkennen. Statt dem Präsidenten zuzuhören und nur hin und wieder einmal zu applaudieren, springen die Zuhörer alle zwei, drei Sätze lang von den Stühlen aus und geben stehende Ovationen – jedenfalls genau die Häfte der Zuhörer. Die rechte Saalhälfte, in der die republikanischen Abgeordneten und ihre Gäste sitzen, jubeln, die linke Hälfte mit den Demokraten bleibt regungslos sitzen und blickt trotzig auf einen Staatschef, der Wahrheit, Wunsch und Vision munter vermengt.

Nehmen wir die Abhängigkeit der Amerikaner vom Öl: Dass die USA ohne das schwarze Gold keinen Schritt tun können, ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass die zunehmenden Importe aus instabilen Ländern ein Versorgungsrisiko darstellen. Beides weiß man aber nicht erst seit gestern, und dass der Öl-Millionär Bush nun eindringlich mahnt, die USA müsse verstärkt an alternativen Energien forschen, ist alles andere als glaubwürdig. Bis vor wenigen Wochen hatten die Republikaner noch daran festgehalten, dass der Weg aus der Öl-Krise vor allem über Bohrungen im Naturschutzgebiet in Alaska führen müsse.

Ein wirkliches Umdenken hat auch im Zusammenhang mit der Krankenversicherung nicht stattgefunden. Bush spricht weiterhin von Reformen, will kleine und mittlere Unternehmen Policen im pool und damit günstiger kaufen lassen. Zudem sollen Versicherungskonten privatisiert werden und damit besser Renditen schaffen. Das alles klingt schön und gut, hält einer näheren Betrachtung aber nicht stand: Weder sinken die Kosten noch steigt der Versicherungsschutz, kritisiert der zuständige demokratische Experte Max Baucus, zudem würden unter dem aktuellen Plan der Regierung ausgerechnet für die ärmeren Amerikaner erneut die Beiträge steigen.

Überhaupt dürften auch in den letzten drei Bush-Jahren vor allem die oberen Zehntausend profitieren. Der Präsident hält weiter an seinen Steuersenkungen fest und begründet seine Euphorie mit dem Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre. Dies ist zwar nicht von der Hand zu weisen, muss aber gegen Verbraucherverschuldung, Immobilienblase, Energiekrise und das Haushalts- und Handelsdefizit aufgerechnet werden.

Apropos Defizit: Das dürfte durch die geplanten Steuersenkungen weiter ansteigen, zumal Amerika weiterhin mit hohen Militärausgaben zu kämpfen hat. Die Lage im Irak ist äußerst kritisch, doch nicht einmal das wollte Bush in seiner Rede zugeben. Man sei in diesem Konflikt, um zu gewinnen, so Bush, „und wir werden gewinnen“.

Solche Durchhalteparolen mögen beim Volk ankommen und könnten Bush vielleicht sogar kurzfristig aus dem allertiefsten Umfrage-Loch heraushelfen. Experten sind nach dem Bericht zur Lage der Nation aber nicht beeindruckt, und entsprechend gleichgültig geht man an der Wall Street damit um.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 02-02-2006 20:57

Fehlstart für United Airlines

Up and away… an der Wall Street sieht man gerne Dinge abheben. Den Kurs aller Aktien, beispielsweise. Oder Flugzeuge von Boeing, die sich im letzten Jahr besser denn je verkauft haben. Oder Flugzeuge, auf deren Heckruder United Airlines steht. Der zweitgrößte US-Carier fliegt in dieser Woche aus einem dreijährigen Gläubigerschutz.

Kein anderes US-Unternehmen hat sich je so viel Zeit zur Umstrukturierung genommen wie United Airlines. Doch drei Jahre waren wohl nötig und seinerzeit vom Konkursgericht genehmigt worden. Immerhin war nicht nur ein einzelnes Unternehmen in Not geraten, sondern eine ganze Branche, was den Fall nicht leichter machte.

Doch nun will das Unternehmen soweit sein, die Aktie notiert an diesem Donnerstag erstmals an der Nasdaq. Das Papier mit dem Kürzel „UAUA“ ging am Morgen für 40 Dollar an den Start. Mit 125 Millionen Aktien kommt United damit auf eine größere Marktkapitalisierung als American Airlines. Allerdings hätte man sich einen besseren Start gewünscht. Statt ordentlich Auftrieb erfährt die Aktie Turbulenzen. In den ersten Stunden ging es zunächst einmal um mehr als 8 Prozent herunter.

Das mag einerseits an einer negativen Einstiegsprognose von Prudential liegen. Die dortigen Analysten würden das Papier bei Stärke auf jeden Fall abstoßen. Selbst wenn UAUA kurzzeitig klettern könnte, dürfte sich der Kurs mittelfristig wohl der AMR-Aktie annähern und bei 25 Dollar pendeln.

Vielen Anlegern scheint das einzuleuchten, wie der frühe Handel zeigt. Wirklich überraschend ist das nicht. Dass zeitgleich mit Uniteds Aufstieg aus dem Konkursverfahren die Konkurrenten Delta Air Lines und Northwest Airlines kurz davorstehen, macht dem Markt ebenso zu schaffen, wie ein Blick auf die Bilanz.

Den wenngleich das Management von United die Kosten gesenkt hat und im Vergleich zu früheren Jahren 7 Milliarden Dollar jährlich sparen will, bleiben viele Probleme. So konnte das Unternehmen zwar an den Lohnkosten arbeiten, nicht aber an den Benzinkosten. Und die sind nicht nur anhaltend hoch, sondern dürften vor allem langfristig eher steigen als fallen. Ende Januar kostete ein Fass Flugbenzin 78,04 Dollar, was etwa 8 Prozent über dem Vorjahres-Durchschnitt ist.

Diese höheren Kosten können aber nicht mehr ohne weiteres ausgeglichen werden. Denn die Haupteinnahmen der Fluggesellschaften – nicht nur bei United, sondern branchenweit – sind die stark sinkenden Ticketpreise. Längst haben Billig-Airlines ihr Revier abgesteckt, längst sind Internet-Schnäppchen so verbreitet, dass die Unternehmen nicht mehr auf zahlungskräftige Kundschaft für Vollpreis-Tickets zählen kann. Wichtigster Konkurrent für United dürfte JetBlue sein.

Wie verfahren die Situation ist, zeigt sich an der jüngsten Quartalsbilanz von United: Selbst abzüglich der Restrukturierungskosten blieb dem Unternehmen zuletzt ein Verlust von 182 Millionen Dollar. Das dürfte sich so scnell nicht ändern. Selbst wenn einige Branchenexperten mit schwarzen Zahlen bis Jahresende rechnen, gibt es solche Prognosen aus dem United-Management nicht.

Das ist zu wenig Selbstvertrauen für die Wall Street. Anleger halten sich von der Aktie daher fern, und United hebt nicht ab.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 02-02-2006 22:44

FAZ.NET-Interview mit Elaine Garzarelli
„Bei 80 Dollar für Öl müssen wir unsere Prognosen korrigieren”

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http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...n-1305677.html

Starlight 03-02-2006 20:40

Mohammed-Cartoon beschäftigt die Wall Street

Der Ärger um Karikaturen einer dänischen Zeitung, die den Propheten Mohammed zeigen, erreicht zum Wochenschluss die Wall Street. Während sich Amerika ohnehin gerne über religiöse Darstellungen mokiert und selten Spaß versteht, geht es diesmal weniger um moralische Bedenken als vielmehr um wirtschaftliche Interessen.

Die amerikanische Börse rechnet mit dem Schlimmsten: einem Boykott. Dass Kunden in vielen islamischen Ländern dänische Waren boykottieren, hat bereits Folgen gehabt. Der Lebensmittelkonzern Aria Foods hat erste Entlassungen angekündigt. Experten rechnen damit, dass der Zorn religiöser Fundamentalisten schnell auf Waren aus anderen europäischen, und später vielleicht allgemein aus westlichen Staaten ausgedehnt werden kann.

Besonders sorgt man sich um die klassisch amerikanischen Marken, die in der Vergangenenheit schon mehrfach unter Antipathien gegen den Westen allgemein oder Amerika im speziellen gelitten haben, darunter natürlich Coca-Cola und McDonald´s.

Für die Aktien hat die erste Sorge allerdings noch keine direkten Folgen, schließlich gibt es noch keine präzisen Boykott-Aufrufe. Jane Arraf, Vorsitzende des amerikanischen Concil for Foreign Relations, rechnet damit auch nicht, zumal die Cartoons in Amerika bisher nicht im großen Stil verbreitet worden sind – von Missgeschicken einmal abgesehen. Keine Minute nachdem eine Moderatorin beim Börsensender CNBC erklärt hatte, dass man die umstrittenen Zeichnungen nicht zeigen werde, tauchte die Zeichnung von Mohammed mit dem Bomben-Turban ausgerechnet in einem Hintergrundbericht auf, in diesem Fall in den Händen eines wütenden islamischen Demonstranten.

Die Sorge um einen Warenboykott ist auf dem Parkett nicht ganz unberechtigt. Immerhin ist man entsprechende Schritte aus dem eigenen Land zur genüge gewöhnt. Immer wieder rufen Aktivistengruppen zu ähnlichen Maßnahmen auf. Eine Gruppe konservativer Christen hat erst am Freitagmorgen dazu aufgerufen, den Sender NBC zu boykottieren, weil in einer nur sehr vage bekannten, weil noch nicht gesendeten, Folge der Schwulen-Comedy „Will & Grace“ ein Verweis auf die Kreuzigung Jesu zu sehen sein soll, denn man als Affront betrachtet.

Am Donnerstag sorgte derweil die Washington Post mit einer Karikatur für Aufruhr. Ein Arzt mit Namesschild „Dr. Rumsfeld“ stuft einen arm- und bein-amputierten Soldaten als „kampf-erprobt“ ein, womit sich der Zeichner über den Verteidigungsminister lustig macht, der nach jüngsten Äußerungen die Stärke der US-Armee beschönigt. Rumsfeld macht sich trotz zahlreicher Gegenstimmen von Expertenseite keine Sorgen um die imm er schwächer bestückte Truppe, die nicht etwa überlastet, sondern eben kampf-erbrobt und gestählt sei. Leser aus dem konservativen Lager erkannten die Kritik an Rumsfeld nicht und sahen in dem Cartoon einen Angriff auf die tapferen US-Soldaten – die Washington Post wird seither beschimpft und als „Washington Kom-Post“ verhöhnt. Bis zu einem Boykott dürfte nicht viel fehlen.

Amerika hat aus eigener Erfahrung gelernt, dass Menschen heutzutage nicht mehr soviel einzustecken bereit sind, wie früher. Opposition mündet schnell in Klagen und Boykotte und kann teuer werden – je konservativer das Land, desto eher. Umso besorgter blickt man nun auf die Krawalle in islamischen Staaten, wo schon dänische Flaggen brennen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 03-02-2006 20:50

„Januareffekt” spricht für positives Börsenjahr

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http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...r-1302486.html

Starlight 06-02-2006 19:33

Schlechte Nachrichten aus Detroit

Aus Detroit ist man schlechte Nachrichten gewöhnt. Die jüngsten kamen am Sonntagabend, allerdings im schönen Gewand: In einem spannenden Super Bowl setzten sich die Pittburgh Steelers gegen die Seaatle Seahawks durch – und bescherten der Börse damit ein Börenjahr. Wenn man dem Super-Bowl-Indikator glaubt.

Die gute Nachricht: Kaum einer glaubt mehr an den Super-Bowl-Indikator. Das nicht ganz ernst gemeinte Börsen-Barometer, nachdem der Sieg eines Teams aus der NFC-Division die Kurse klettern lässt und ein Sieg des AFC-Teams die Aktien drückt, hat zwar eine Trefferquote von rund 80 Prozent. Ausgerechnet in den letzten Jahren lagen allzu Football-begeisterte Anleger aber stets daneben.

Dass der Super Bowl von allen amerikanischen TV-Events im ganzen Jahr die höchsten Einschaltquoten hat, liegt natürlich auch nicht an den prophetischen Qualitäten des Spiels in bezug auf den Aktienhandel. Vielmehr feiern Football-Fans im ganzen Land einfach das alljährliche Endspiel der beiden besten Teams, den Höhepunkt einer langen Saison. Und sie feiern immer doller und immer aufwendiger, in diesem Jahr sogar mit einem Auftritt der Rolling Stones in der Halbzeitpause.

Die britischen Rocker mögen in den letzten Jahrzehnten viel von ihrer einstigen Schockwirkung eingebüßt haben. Allein, den Verantwortlichen beim Super-Bowl-Sender ABC waren Jagger & Co. noch immer zu heiß. Zwei sexuelle Andeutungen mussten aus „Start me up“ und „Rough Justice“ verschwinden – immerhin ist das Football-Endspiel längst nicht mehr Rauhbeinen in Kneipen vorbehalten, sondern zum Familienereignis geworden.

Entsprechend hart waren die Auflagen an die Unternehmen, die während des Super Bowl Anzeigen schalten wollten. Ein Werbepreis von saftigen 2,5 Millionen Dollar für 30 Sekunden war letztlich nicht die schwerste Hürde, die P.R.-Experten aus Corporate America nehmen mussten. Vielmehr mussten sie sich überlegen: Wie falle ich auf, ohne negativ aufzufallen.

Wirklich gelungen ist das nur einer Handvoll von Unternehmen. Hauptkunde Anheuser-Busch hatte ein paar außergewöhnlich witzige Spots geschaltet, und auch die Spots von FedEx und vom Mobilfunkriesen Sprint kamen bei Zuschauern gut an. Zahlreiche andere Unternehmen müssen sich überlegen, ob sich die 2,5 Millionen Dollar (plus Produktionskosten) anderweitig nicht sinnvoller hätten einsetzen lassen.

Völlig daneben gingen Analysten zufolge die äußerst langweiligen Spots von Motorola und Procter & Gamble. Der Konsumriese warb für einen neuen Gilette-Rasierer mit fünf Klingen. „War das wirklich ein Produkt“, wird ein fassungsloser Werbe-Experte im Wall Street Journal zitiert. „Ich dachte, das wäre ein Witz. Wann kommt der erste Rasierer mit acht Klingen?“

Ebenfalls völlig daneben ging das Engagement der Automobilriesen. Am besten platziert war noch Ford, immerhin der Namenspatron des Stadions. Mit Werbespots für die neuen Modelle konnte man indes ebenso wenig beeindrucken wie der Konkurrent General Motors… Detroit tut sich eben schwer zur Zeit.

Dass GM am Tag nach dem großen Spiel die Dividende kürzen soll und Analysten weiter mit schwachen Absatzzahlen für die US-Hersteller rechnen, dürfte manchen Football-Enthusiasten schnell wieder auf den Boden der Tatsachen bringen. Super Bowl hin, Quaterback her, Detroit ist und bleibt die Stadt schlechter Nachrichten.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 07-02-2006 20:52

“Fair Play“ bei GM

General Motors galt lange als eines der übelsten Unternehmen in Corporate America. Nicht zuletzt Michael Moores Dokumentarfilm „Roger and Me“ über die sozialen Folgen von Outsourcing bei GM hatte den Ruf ruiniert. Nun aber löst man sich von der Vergangenheit. Für das aktuelle Restrukturierungskonzept gebührt dem Autobauer der „Fair Play“-Preis.

Dass Corporate America in den letzten Jahren immer mehr zum Sinnbild des puren Bösen geworden ist, hat man nur einer Handvoll Leuten zu verdanken. Sie sitzen in den Chef-Etagen der großen Konzerne, verstecken sich hinter Kürzeln wie CEO, CFO oder COO. Vielen ist ihr Aufstieg an die Konzernspitze über die Jahre zu Kopf gestiegen, vielen hat Hybris den Blick vernebelt – viele sind mittlerweile über ihre Gier gestolpert.

Beispiele gefällig? Den ehemaligen Tyco-Chef Dennis Koszlowski dürfte jahrelanger Exzess auf Firmenkosten für viele Jahre hinter Gitter bringen, den Chefs von Enron droht in einem aktuellen Prozess in Texas das gleiche Schicksal. Phil Purcell flog bei Morgan Stanley ebenso über seine Arroganz wie CEO Don Carty bei American Airlines, nachdem er seinen Mitarbeitern Gehälter und Renten drastisch kürzte, nur um sich selbst eine fette Gehaltserhöhung zu gönnen.

Manche CEOs aber scheinen aus den Fehlern ihrer Kollegen gelernt zu haben, nicht zuletzt Rick Wagoner bei General Motors. Dessen Unternehmen steckt in der tiefsten Krise seiner Geschichte, und einen großen Anteil daran haben die außergewöhnlich hohen Zahlungen in die Kranken- und Rentenversicherung für die Mitarbeiter. Obwohl nun Zyniker dem größten amerikanischen Autobauer seit Jahren raten, zur Verbesserung der Gewinnlage einfach bessere Autos zu bauen, kommt das Unternehmen um Kostensenkungen nicht herum.

Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen hat Wagoner aber eingesehen, dass sich Kostensenkungen leichter von vielen Schultern tragen lassen. So werden nicht nur den Männern am Fließband die Renten gekürzt. Wagoner selbst verdienst ab sofort nur noch die Hälfte, gleiches widerfährt den Direktoren. Das wiederum macht es Anlegern leichter, ihrerseits Opfer zu bringen. Dass die Dividende auf 25 Cent pro Aktie halbiert wird, löst daher keinen Verkaufsdruck aus. Im Gegenteil: Die Aktie klettert am Dienstag, weil Aktionäre erkennen, dass das Management mit Hochdruck und unter Aufbringung eigener Opfer an der Restrukturierung des Konzerns arbeitet.

Ganz neu ist Wagoners Idee übrigens nicht, ausgerechnet in der Autobranche hat sich das Modell bereits bewährt. Als Lee Iaccoca 1979 als Präsident und letzte Hoffnung zum krisengeschüttelten Konkurrenten Chrysler kam, setzte er sein eigenes Gehalt auf einen einzigen, symbolischen Dollar. Auch die übrigen Vorstandsgehälter fielen, die Moral stieg – und Chrysler fuhr wenig später vom Pannenstreifen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 08-02-2006 20:31

Werbung und Medaillen

Dabei sein ist alles? Von wegen. In den USA zählt nur der Sieg. Das war vor einigen Tagen beim Super Bowl so, wo die heldenhaften Pittsburgh Steelers gegen irgendein längst vergesses Team gewannen. Und das wird bei der anstehenden Olympiade so sein, was den zu General Electric gehörenden Sender NBC vor ein Problem stellt.

Amerikanische Sportler nämlich mögen auch in Turin recht gut abschneiden. Allerdings sind die Medaillenchancen längst nicht so hoch wie bei den Sommerspielen. Zuletzt in Athen hat die US-Auswahl sämtliche Medaillenrekorde gebrochen, und das ganze Land sah begeistert zu.

Nach Turin schickt man mit dem zuletzt auf Schlagzeilen abonnierten Ski-As Bode Miller und den Einkunstläuferinnen Sasha Cohen und Michelle Kwan zwar auch einige Top-Favoriten, allerdings werden die Sportler unter dem Star-spangled Banner die Spiele wohl nicht so dominieren wie im Sommer. Zu stark ist die Konkurrenz aus den skandinavischen Ländern, zu zahlreich sind Rand-Sportarten (Curling, etc…) von denen die meisten Amerikaner noch nie gehört haben.

Das hat direkte Auswirkungen auf das Fernsehpublikum. Die Fans sind nämlich nur mit Goldmedaillen und Sieger-Hymnen bei der Stange zu halten. Entsprechend werden die Einschaltquoten für Turin deutlich unter denen für Athen liegen. Das wiederum hat finanzielle Folgen: Experten rechnen kurz vor Eröffnung der Spiele damit, dass Corporate America etwa 900 Millionen Dollar in Fernseh-Werbung stecken wird. Das sind rund 20 Prozent mehr als bei den Winterspielen vor vier Jahren in Nagano, aber satte 33 Prozent weniger als während der Sommerspiele in Athen eingenommen wurden.

Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Spiele in den nächsten Wochen noch immer das Fernseh-Ereignis Nummer Eins sein werden. Die großen Kunsumartikler lassen es sich nicht nehmen, einmal vor einem im Geiste vereinten Publikum zu werben. Dass auf Sofas im ganzen Land nicht Yankees- gegen Red-Sox-Fans streiten, sondern alle Zuschauer hinter dem Team USA stehen, soll die Resonanz auf die Werbung verbessern.

Entsprechend großzügig investieren Coca-Cola und McDonald’s, und der Kreditkartenriese Visa nutzt die Gelegenheit gar zur Einführung eines neuen Mottos. Nach 20 Jahren wird „It’s everywhere you want to be“, abgelöst, denn der Spruch ist obsolet geworden. Längst sind Kreditkarten so verbreitet, dass auch die Konkurrenz überall akzeptiert wird. „Life takes Visa“ heißt es künftig, während der Olympiade läuft die neue Kampagne an.

Einer der größten Werbekunden von NBC ist aber: NBC selbst. Für den Fernsehsender aus der GE-Familie sind die Olympischen Spiele nämlich mehr als eine Einnahmequelle. Nachdem die Quoten des Netzwerks in den letzten Jahren stetig gefallen sind, nutzt man das außergewöhnlich große Publikum zur Vorstellung einiger neuer Sendungen, die dann ab März anlaufen sollen. TV-Kritiker, die erste Folgen der neuen Serien gesehen haben, glauben an eind starke Saison für den Sender – unter anderem dank der starken Eigenwerbung während der Spiele.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 09-02-2006 20:33

Skepsis gegenüber „Bond“

Sein Name ist Bond, und die Wall Street grüßt ihn freundlich. Mehr aber auch nicht. Denn er kommt recht stillos daher, ohne Martini und Blondine, sehr wohl aber mit einer 30-jährigen Laufzeit. Die Rede ist nicht vom britischen Agenten 007, sondern der der neuen amerikanischen Staatsanleihe, einer Niederlage für die republikanische Regierung.

Recht selbstsicher hatten Präsident Bush und Co. die 30-jährigen Bonds nämlich 2001 abgeschafft. Damals hatten die USA einen dicken Haushaltsüberschuss, und man gab sich der Phantasie hin, dass das wohl für immer so bleiben würde. Entsprechend naheliegend schien es, die laufenden Zinskosten zu senken und keine weiteren Schuldverschreibungen auszugeben.

Doch dann kam alles anders. Fünf Jahre nach Abschaffung der 30-jährigen Bonds ist Amerika so verschuldet wie nie zuvor, und der jüngst vorgelegte Haushalt mit 2,8 Billionen Dollar auf der Ausgabenseite hat erneut auch die pessimistischsten Befürchtungen übertroffen. Hinzu kommt, dass Bush weiterhin die Steuersenkungen für Unternehmen und Oberschicht langfristig im Gesetz verankern will und dass die Kosten für die Kriege im Irak und Afghanistan weiter wachsen und schwer abzuschätzen sind.

„Es war Hybris vom ersten Moment an“, fasst Charles Dumas vom Lobard Street Research zusammen. „Man hatte sich auf einen ewigen Haushaltsüberschuss eingestellt und damit gerechnet, dass die gesamte Staatsverschuldung bald abgezahlt sei.“

Nun, so kam es nicht, und jetzt sind neue langfristige Anleihen auf dem Markt. Die Nachfrage war zuletzt groß, vor allem von Seiten der Versicherungen und Rentenfonds. Die kaufen nun die ersten Papiere über 14 Milliarden Dollar, bis Ende des Jahres sollen Dreißiger in einem Gesamtwert von 30 Milliarden Dollar ausgegeben werden.

Die weitere Ausgabe langfristiger Anleihen ist darüber hinaus geplant, was die Wall Street als einen Hinweis auf langfristige Defizite versteht.

Washington begibt sich damit auf dünnes Eis. Analysten glauben zwar nicht, dass das hohe Defizit kurzfristig Probleme schafft. Langfristig aber sind die Folgen nicht zu leugnen. Die USA werden als Investmentziel unattraktiver, wenn im Ausland der Eindruck entsteht, man könne die eigene Verschuldung nicht mehr in den Griff bekommen.

Der Verbraucher wäre direkt betroffen: Sinken die ausländischen Investments in den USA dürfte es bis zu weiteren Zinsanhebungen nämlich ein kleiner Schritt sein. So begrüßt man den 30-jährigen Bond an der Wall Street mit äußerster Skepsis.

Der rote Teppich bleibt seinem älteren, britischen Namensvetter vorbehalten.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 13-02-2006 20:27

Sorge um Zwangsvollstreckungen

Nicht, dass man nicht damit gerechnet hätte: Es mehren sich die Zeichen für ein Ende des Immobilien-Booms in den USA. Eine neue Statistik über Zwangsvollstreckungen macht es den Bullen immer schwerer, die Situation schön zu reden, zumal schon der regelmäßige Blick auf die Branche zuletzt für Unmut auf dem Parkett gesorgt hatte.

Der Trend ist nicht neu: Die Zahl der neu gebauten Häuser wächst seit einigen Monaten nicht mehr so schnell wie erwartet. Häuser sind länger auf dem Markt als noch vor einem Jahr, und die Preise sinken. Jetzt aber bestätigt eine aktuelle Statistik einen Aufwärtstrend, der endgültig zum Sargnagel der Konjunktur werden könnte: Die Zahl der Zwangsvollstreckungen nimmt rapide zu.

Auch das kommt nicht aus heiterem Himmel. Zwar freuten sich die Optimisten, unter anderem die Konjunktur-Experten hinter Präsident George W. Bush, lange darüber, dass noch nie in der Geschichte der USA mehr Bürger eigenen Wohnbesitz – Haus oder Appartement – hatten. Andererseits vergaßen sie regelmäßig darauf hinzuweisen, dass dem durchschnittlichen Besitzer noch nie in der Geschichte der USA ein so kleiner Anteil gehörte wie in den letzten Jahren.

Wer in den USA ein eigenes Haus will, zahlt nur einen mickrigen Anteil an, der Rest wird finanziert. Dank niedriger Zinsen konnten sich die Hypothekenbanken mit sensationellen Angeboten überbieten. Wurden manche Investoren noch vor drei Jahren von Zinszahlungen während der ersten Monate befreit, durften sie zuletzt sogar weniger als die zinsfreie Monatsrate abzahlen. Damit stieg der Wert der Hypothek für den Kunden, anstatt Monat für Monat zu schrumpfen.

Dass dieser Trend so nicht anhalten könnte, war von vorne herein klar. Jetzt liefert die Immobilien-Statistik zum vierten Quartal 2005 den Beweis. Für etwa 850 000 Immobilien wurde im abgelaufenen Jahr die Zwangsvollstreckung eröffnet, die jeweiligen Zahlen stiegen vom ersten bis zum vierten Quartal konstant um insgesamt 25 Prozent.

Die meisten Vollstreckungen drohen erwartungsgemäß in den Großstädten und Vororten, in denen die Immobilenpreise in den letzten Jahren ab steilsten zulegten. In Washington, D.C. hat sich die Zahl der Fälle in 2005 vervierfacht, das benachbarte Virginia zeigt ein Plus von 150 Prozent. Ähnlich ist der Trend rund um Los Angeles sowie in Connecticut, wo viele Manhattan-Pendler leben.

Um 29 Prozent zurückgegangen ist die Zahl der Zwangsvollstreckungen in Florida, wo der Anteil der Fälle am Gesamtmarkt allerdings noch immer höher ist als in jedem anderen US-Bundesstaat. Auf immerhin 1,7 Prozent aller Immobilen klebt der Kuckuck.

Im historischen Vergleich, das sei eingeräumt, sind diese Zahlen noch nicht dramatisch. Die niedrigen Zinsen haben die Zahl der Zwangsvollstreckungen in den letzten Jahren auf ein historisch niedriges Niveau gedrückt. Doch langsam, so James Saccacio vom Immobilien-Institut RealtyTrac, nähern sich Zahlen früheren Durchschnittswerten an. Dort allerdings, so steht zu befürchten, dürften sie nicht verharren.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 14-02-2006 19:38

Das Geschäft mit Amor

Wer je von Amors Pfeil getroffen wurde, der hat heute Zahltag. Dabei sind es längst nicht nur Männer, die ihre Frauen beschenken – auch andersrum wird überrascht. Mit Blumen, Pralinen, Schmuck. Unterm Strich kommt da einiges zusammen: Der amerikanische Einzelhandel rechnet zum Valentinstag mit einem Umsatz von 13,7 Milliarden Dollar.

Die beste Nachricht zuerst: Dem amerikanischen Verbraucher scheint es weiter gut zu gehen. Gleichbleibend zu den Vorjahren feiern etwa 61 Prozent der Amerikaner Valentinstag, sie geben aber mehr aus denn je: 100,89 Dollar soll dem durchschnittlichen Liebenden sein Partner wert sein, und damit steigt der Gesamtumsatz für den Festtag um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Daran haben die Herren der Schöpfung natürlich weiter den größten Anteil. Genau 135,67 Dollar gibt John Doe am Valentinstag aus, Gattin Jane kommt auf 68,64 Dollar. Dieses 2:1-Verhältnis zwischen den Geschlechtern liegt etwa im historischen Mittel. Ganz schön verschoben hat sich aber die Auswahl der Geschenke.

So bringt nur noch knapp mehr als die Hälfte der Amerikaner am Valentinstag Blumen mit nach Hause, im letzten Jahr waren es noch 57,8 Prozent. Mehr denn je schauen dafür beim Juwelier rein: Fast jeder vierte Mann will mit Schmuck und Juwelen glänzen, was natürlich auch eine bessere Wertanlage ist als die gemeine Rose.

Die weiteren Verkaufsschlager sind dieselben wie in anderen Jahren auch: Die Grußkarten-Industrie feiert mit dem Valentinstag das drittgrößte Fest im Jahr, nach Weihnachten und Vatertag. Und für die Schokoladen-Branche ist Amor weiterhin der zuverlässigste Umsatzbringer überhaupt: 36 Millionen herzförmige Pralinenschachteln sollen zum Fest verschenkt werden.

Weniger häufig dürften die Geschenke nachgefragt werden, die der Börsensender CNBC als „heiße Tipps“ vorstellt. Angesichts der jüngsten Bonusrunde, die vielen Zuschauern erst kürzlich Millionenbeträge zugespielt hat, berichtet man über eine romantische Luxus-Yacht für rund 95 Millionen Dollar und über den diamantbesetzten Füller „La Modernista“ für 265 000 Dollar.

Solche Geschenke sind aber selbst unter verliebten Millionären selten, weiß der Vermögensverwalter und Bestseller-Autor Jim Trippon. Auch der durchschnittliche Millionär gebe zu Valentinstag nicht mehr als 200 000 Dollar aus, meint er im Interview. Aber das reicht ja schon für einige Dutzend Rosen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 15-02-2006 20:21

Gute Noten für Ben Bernanke

In seinem ersten Auftritt vor dem Kongress hat sich der neue Notenbank-Chef gut geschlagen. Greenspan-Nachfolger Ben Bernanke machte zwar klar, dass weitere Zinsanhebungen notwendig sein würden, um Preisstabilität zu gewährleisten. Den Markt erschreckte er damit aber nicht, zumal er Flexibilität betonte.

So wisse man, dass vor allem höhere Energiepreise die inflationären Tendenzen beschleunigen. Auch nach anderthalb Jahren stetiger Zinsschritte, die den Leitsatz von 1,0 auf mittlerweile 4,5 Prozent getrieben haben, sei man damit nicht zwingend am Ende der Anhebungen, zumal jüngste Wirtschaftsdaten auf eine robuste Konjunktur schließen ließen.

Darauf deuteten nicht zuletzt taufrische Zahlen, die erst unmittelbar vor Bernankes Auftritt bekannt gegeben worden waren. Danach liegt die Kapazitätsauslastung in Corporate America zur Zeit bei knapp über 80 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit vielen Jahren. Bernanke sieht durchaus die Gefahr, dass die US-Wirtschaft heiß laufen könnte.

Obwohl die Konjunktur im vierten Quartal nur ein Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent verzeichnet habe, dürfe man optimistisch sein. „Die US-Konjunktur ist gut auf Kurs“, meint Bernanke. Das BIP dürfte in diesem Jahr um 3,5 Prozent zulegen, die Inflation dürfe vorraussichtlich bei 2 Prozent liegen.

Doch gebe es durchaus Zeichen, die auf konjunkturelle Schwäche deuten, allen voran auf Seiten des Immobilienmarktes. Dort stehe eine Abkühlung bevor, ein dramatischer Einbruch sei aber wohl nicht zu befürchten. Dennoch steige mit jeder Abkühlung die Gefahr, dass das Konsumverhalten der Verbraucher leiden könnte.

Bernanke gab in seinem ersten Auftritt als Notenbank-Chef also einen groben Überblick über vieles, was sowohl der Wirtschaftsausschuss als auch die Wall Street schon wusste. Entsprechend moderat fielen die Auswirkungen im Handel aus. Zwar verbesserte sich der Dow kurz nach Bernankes ersten Sätzen auf ein neues Hoch, dann aber ging es bergab, was wiederum mehr mit der unerwartet starken Vortages-Rallye zu tun hatte als mit aktuellen Kommentaren.

Zumal sich aus des Fed-Chefs Kommentaren wenig Schlagzeilen formen ließen. Zwar steht Bernanke weiterhin hinter einem Inflationsziel, benennen wollte er ein solches aber ebenso wenig wie einen langrfistigen Leitzinsasatz. Dass sich Bernanke – wie schon Greenspan – bei der an seinen Bericht anschließenden Fragestunde auch von aggressiveren Senatoren nicht aus der Ruhe bringen ließ, gefiel an der Wall Street ebenso wie die Tatsache, dass sich Bernanke – besser als Greenspan – recht klar ausdrückte und keine allzu schwammigen Erklärungen verlas.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 16-02-2006 20:21

Freiheit und Geschäft in China

Die Augen der Wall Street mögen am Mittwoch auf Ben Bernanke gelegen haben. Doch nur ein paar Zimmer neben dem Fed-Chef, ebenfalls im Capitol, fand eine nicht minder wichtige Anhörung statt. Yahoo, Google, Microsoft und Cisco mussten ihr Engagement in China rechtfertigen – und bekamen eine Schulstunde in Sachen bigotter Politik.

„Ich verstehe nicht, wie ihre Bosse nachts schlafen können“, entsetzte sich der demokratische Abgeordnete Tom Lantos aus Kalifornien. Dabei sind sich diese – fast – keiner Schuld bewusst. Google, beispielsweise, schämt sich zwar offen dafür, dass man die Suchmaschine für China zensiert hat und nur Informationen auffindbar macht, die von der Regierung abgesegnet sind. Doch, so Google-Anwalt Elliot Schrage, biete der Service des Unternehmens immer noch einen Netto-Gewinn für die Chinesen, die auch bisher nur limitierten Zugang zu Informationen gehabt hätten, nun aber schneller und einfacher arbeiten können.

Genauso sieht man das bei Yahoo. Und auch Cisco Systems, deren Hardware von der chinesischen Regierung unter anderem dazu benutzt wurde, Bürger festzunehmen, deren kritische Aussagen in Amerika unter freie Meinungsäußerung fallen würden, will keine Verantwortung übernehmen. Zu recht, und ganz nach amerikanischem Vorbild. Schließlich hat auch der US-Kongress eben erst bekräftigt, dass Schusswaffen-Hersteller für Morde mit ihren Waffen nicht belangt werden können.

Die Vorwürfe gegen Microsoft richten sich gegen die Schließung einer Website, die die chinesischen Behörden wegen unerwünscht kritischer Blogs erzwungen hatte. Abgesehen davon, dass sich das Unternehmen kaum gegen die Forderungen der Regierung hätte wehren können, besteht Microsoft-Rechtsbeistand Jack Krumholtz darauf, dass der Hightechriese zwar eine Website geschlossen, aber dafür 3,5 Millionen Usern erst zu einem Internet- und Blog-Forum verholfen habe.

In einem Punkt waren sich die Vertreter aller vier Unternehmen einig: Während man, wie der demokratische Abgeordnete Adam Smith aus Washington bekräftigte, kaum davon ausgehen könne, dass sich die Menschenrechtssituation in China verbessere, wenn Microsoft & Co. keine Geschäfte im Land hätten, sieht man den Handlungsbedarf ohnehin an anderer Stelle: beim Kongress.

Nicht von der Hand zu weisen sei immerhin die Tatsache, dass die US-Regierung China erst vor kurzem den Status eines „bevorzugten Handelspartners“ eingeräumt hat. Wenn sich die Unternehmen dafür schämen sollten, diesen Status zu nutzen, dann müsse sich doch vor allem der Kongress schämen, diesen überhaupt zugewiesen zu haben, schlug sich Robert Wechsler, Demokrat aus Florida, auf die Seite der Unternehmen.

Dana Rohrbacher wiederum, ein Republikaner aus Washington, wollte das nicht auf sich sitzen lassen. „Wer war denn die Lobby für den bevorzugten Status von China?“, fragte er verärgert. „Das waren doch wohl die Unternehmen.“ Das wahre Gewicht seiner Aussage, vor allem vor dem Hintergrund eines aktuell gewaltigen Lobby- und Bestechungsskandals, muss dem Abgeordneten erst später klar geworden sein.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 17-02-2006 22:04

Schnee-Bonus für die Konjunktur

Wer in New York aus dem Fenster sieht glaubt kaum, dass der schwerste Schneesturm der Geschichte erst eine Woche zurück liegt. Denn: Der Schnee ist so gut wie weg, der Alltag in Manhattan und im ganzen Nordosten ist kaum unterbrochen werden. Manche Experten glauben jetzt, dass der Schnee der US-Wirtschaft eher genutzt als geschadet hat.

Rückblickend scheint der Schnee die spannendste Geschichte der letzten Woche gewesen zu sein – trotz Bernanke und Quartalszahlen. Wir erinnern uns: In der Nach auf Freitag fing es an, und binnen weniger Stunden war New York City unter einer 70 Zentimeter dichten Schneedecke verschwunden. Für die Stadt ist so etwas zunächst einmal teuer: Bürgermeister Michael Bloomberg gibt als Faustregel aus: Jedes Inch kostet eine Million – so ist das Stadtsäckel nun um 27 Millionen Dollar leichter.

In anderen Städten – vom Schneesturm betroffen waren auch Washington, D.C., Boston, Philadelphia und Baltimore – sieht die Bilanz ähnlich aus. Doch Irwin Kellner, Professor für Volkswirtschaft an der New Yorker Hofstra University, schaut über die Kosten- auch die Nutzenseite an. Alle Städte im Nordosten hätten ihre Mitarbeiter Überstunden machen lassen und darüber hinaus Zeitarbeiter eingestellt, meint er. „Die Kaufkraft der Arbeitsnehmer im Nordosten steigt dadurch deutlich.“

Der Einsatz vieler Zeitarbeiter hatte eine weitere wichtige Folge: Der Schnee war schneller weg denn je. Die meisten Städte waren außergewöhnlich gut organisiert, und dass der Sturm am Samstag tobte, ließ genug Zeit zum Räumen, bevor zum Wochenbeginn die Wirtschaft massiv betroffen gewesen wäre. Die Folgeschäden des Schneesturms für die Konjunktur dürften damit niedriger sein als bei bisherigen Unwettern.

Nicht zu unterschätzen seien, so Kellner, auch die Ausgaben der Verbraucher für Winterartikel. Warme Kleidung hatte wegen des ungewöhnlich angehmen Winterwetters bis kurz vor dem angekündigten Schneesturm bleischwer im Regal gelegen. Die Umsätze unmittelbar vor dem Wochenende waren stark. Nicht nur an Kleidung, wohlgemerkt, sondern auch mit Schneeschaufeln und Schneefräsen, mit Salz und Schlitten.

Einen großen Schub, so Kellner, dürften auch die Lebensmitteluzmsätze erfahren. „Vor einem Schneesturm neigen die Leute zu Hamsterkäufen, während und nach dem Sturm essen sie mehr.“

Zahlen dazu wird es wohl in den nächsten Tagen geben, und vielleicht erfährt die US-Wirtschaft ja wirklich erstmals einen Schnee-Bonus. Trotzdem wäre man auch an der Wall Street froh, wenn der jüngste Sturm der letzte der Saison war.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 21-02-2006 19:58

Auf der Suche nach Spitzenkräften

Der Arbeitsmarkt gehört zu den Konjunkturbereichen, die Investoren am meisten Sorgen bereiten. Zum Wochenbeginn liegt eine neue Studie vor, die eine bisher wenig beachtete Seite der Problematik zeigt: Es mag zu viele Amerikaner geben, die Arbeit suchen, doch gibt es bei weitem zu wenige Qualifizierte unter ihnen.

Dass Arbeitgeber nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte finden, ist wohlgemerkt kein amerikanisches Problem. Die Analysten vom Marktforschungsinstitut Manpower haben Umfragen in 23 Ländern durchgeführt und sehen ein ähnliches Dilemma bei 33 000 Unternehmen überall – von den USA über Europa bis nach Asien.

Die größten Probleme, Führungspositionen zu füllen, sieht man in drei Bereichen: im Verkauf, in der Technologie und in der Produktentwicklung.

Vor allem im Verkauf suchten Unternehmen immer weniger einfach nach Köpfen, die Anrufe tätigen könnten. Vielmehr sucht man Fachleute, die ein Marktsegment inwendig kennen und durch selbst entwickelte und verfeinerte Verkaufssysteme den Umsatz maximieren.

„Die Talentkrise am Arbeitsmarkt wird immer schlimmer“, zieht Manpower-CEO Jeffrey Joerres Bilanz. Auch sei mit keiner raschen Verbesserung zu rechnen. In der Vergangenheit sei eine Talentknappheit immer zyklisch gewesen, „doch diesmal haben wir ein echtes Problem, das für Jahrzehnte andauern könnte.“

Ursachen für den verheerenden Trend gibt es viele, in den USA ist eine davon sicherlich die immer tiefere Kluft zwischen Ober- und Unterschicht. Man lebt nicht nur auf höchst unterschiedlichem Niveau, sondern man lehrt und lernt auch so. Während die amerikanischen Top-Unis wie Harvard, Stanford und MIT nach wie vor zu den internationalen Kaderschmieden gehören, baut das allgemeine Schulsystem weiter ab.

Die von Präsident George W. Bush einst vorgeschlagene Reform „No child left behind“, mit der das Niveau in den Schulen hatte angehoben werden sollen, ist bis heute nicht finanziert und angesichts des Rekorddefizits auch in naher Zukunft nicht finanzierbar. Dazu kommt, dass sich die öffentlichen Schulen mit immer größeren Schikanen herumärgern müssen, die vom eigentlichen Unterricht ablenken.

Da wäre die Diskussion um die Evolutionslehre im Biologieunterricht, der die Republikaner aus rein ideologischen Gründen die Lehre der Schöpfung gegenüberstellen wollten. Da wäre der anhaltende Streit um religiöse Formeln im Schulalltag. Am Wochenende wurde die Klage eines Psychologen in Texas bekannt, der die Grußformel „Good morning, boys and girls“ verbieten will. Mit der Unterscheidung in „Jungen“ und „Mädchen“ würden Lehrer die Kids im frühen Alter in ein geschlechtlich diskriminierendes Denken zwingen.

Solche Quatsch-Klagen machen es den ohnehin überstrapazierten Institutionen nicht eben leichter, den Lehrplan aufzubessern. Dazu aber wäre es allerhöchste Zeit, wie die Manpower-Studie zeigt.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 22-02-2006 20:40

Der Ausverkauf der Sicherheit

Schockierende Nachrichten meldet der Borowitz-Report: Die US-Regierung will ihr gesamtes Heimatschutzministerium an eine unbekannte nord-koreanische Firma namens Jim Kong-Il, Inc. verkaufen. Deren CEO, Mr. Jim, will sich nach der Übernahme zuerst um die nuklearen Sprengköpfe der USA kümmern, die sofort nach Nord-Korea verschifft werden sollen – sie dürften schließlich nicht in falsche Hände geraten.

Wen diese Entwicklung überrascht, dem sei gesagt, dass der Borovitz-Report eine Nachrichten-Parodie ist. Doch sie kommt der Realität erschreckend nahe. Tatsächlich will die US-Regierung nämlich die Operation der sechs wichtigsten Frachthäfen – New York, Newark, Philadelphia, Baltimore, Miami und New Orleans – für 6,8 Milliarden Dollar an Dubai Port World aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verkaufen.

Ausgerechnet von einer Regierung, die sich seit fünf Jahren ausschließlich und bedingungslos dem Heimatschutz verschrieben hat, hätte man das nicht zugetraut. Die Frachthäfen, der bis heute anfälligste Teil der Inneren Sicherheit, sollen aus einem Land betrieben werden, das finanzielle Verbindungen zu mindestens zwei Attentätern des 11. September 2001 hatte. Und das zudem ein wichtiger Transferpunkt für den Schmuggel von Atommaterial nach Iran, Nordkorea und Libyen gewesen sein soll. Erst in der vergangenen Woche haben die Regierungen von VAE und Iran bekannt gegeben, dass man die Geschäftsbeziehungen weiter ausbauen wolle.

Von alledem wollen Präsident George W. Bush und sein Heimatschutzminister Michael Chertoff nichts wissen. Der Verkauf sei wasserdicht, heißt es. Das Ministerium sehe Dubai Port World nicht als Sicherheitsrisiko. Außerdem gehe es nicht an, dass man die Häfen bisher von einer Firma aus London habe betreiben lassen, ein anderes Land – einen Verbündeten im Kampf gegen den Terror – nun aber benachteiligen wolle.

Eine solche Diskriminierung der „arabischen Partner“ sende ein „schreckliches Signal“, meint Finanzminister John Snow. Und Verteidigungsminister Dnald Rumsfeld bekräftigt, man habe mit den VAE eine starke Partnerschaft, auch im militärischen Bereich. Und schon deshalb nichts zu befürchten.

Diese Argumentation kann in den USA kaum jemand nachvollziehen, zumal die Bush-Regierung die Angst vor Sicherheitslücken und Terror in den letzten Jahren mit allen Mitteln aufgebauscht und politisch ausgeschlachtet hat. Jetzt sollen auf einmal wirtschaftliche Interessen wichtiger sein?

„Unsere Soldaten sind nicht für robusten Handel gestorben“, schreibt ein erboster Zuschauer an den Fernsehsender CNN. Und ein anderer meint: „Diese Art von Outsourcing geht zuweit.“ Zumal Dubai Port Worls nicht einmal im freien Markt tätig ist. Das Unternehmen untersteht der Regierung der VAE.

Entsprechend glaubt beim Wirtschaftssender CNBC nicht einmal ein Viertel der Befragten, dass der Protest gegen den Verkauf auf Protektionismus beruhe. Für 76 Prozent spricht einfach der gesunde Menschenvestand gegen den Deal.

Da ist was dran. Das zeigt nicht zuletzt die ungewohnte Einigkeit, mit der Republikaner und Demokraten gegen den Verkauf der Hafenorganisation kämpfen. Der Fraktionsführer der Republikaner, Bill Frist, hat zum Wochenbeginn gedroht, einen Verkauf notfalls per Gesetzesvorlage stoppen zu lassen. Die Unterstützung des Kongresses ist ihm sicher. Allein, das Weiße Haus läösst das kalt. Präsident Bush droht mit einem Veto – es wäre das erste in seiner mehr als fünfjährigen Amtszeit.

Dieses selbst für Bush außergewöhnlich sture Engagement ist umso unverständlicher, als der Präsident bis vor kurzem gar nichts von dem Deal mit Dubai gewusst haben will. So sollen nach offiziellen Angaben Finanz- und Heimatschutzministerium das Geschäft ausgehandelt haben, bevor das Weiße Haus informiert worden sei. Diese Vorstellung ist nicht minder grotesk als die Annahme, dass sich Bush nun vor den Karren spanen ließe und mit der Sicherheitspolitik das Kernstück seiner Regierung auf’s Spiel setzt.

Denn die Gefahr, dass in den US-Häfen unter falscher Aufsicht allerhand passieren kann, ist durchaus real. Die Frachthäfen sind seit Jahren als Schwachpunkt bekannt. Während Flugpassagiere sich vor der Einreise bekanntlich ausziehen und alle möglichen Schikanen über sich ergehen lassen müssen, kommen 95 Prozent der internationalen Fracht per Schiff ungeprüft ins Land. Nur 5 Prozent der Container werden geöffnet.

Die Praxis beruht unverständlicherweise darauf, dass man etwa 5000 Speditionen mit entsprechenden Sonderrechten ausgestattet habe, so dass diese ihre Fracht schon auf der Überfahrt nach Amerika selbst deklarieren können. Ob die Unternehmen die jeweiligen Sicherheitsauflagen, denen sie vor fünf Jahren zugestimmt haben, auch erfüllen, ist nie kontrolliert worden.

Dass die Regierung den Deal mit Dubai Port World dennoch so intensiv durchzudrücken versucht, kann nur mit den finanziellen Interessen einiger Beteiligten zu tun haben. Wenn die Regierung, und am Mittwoch auch die Hardliner im Wall Street Journal, der Gegenseite vorwerfen, „allgemein gegen Globalisierung“ zu sein, dann wirft sich eine ganz andere Frage auf: Warum haben Bush & Co. jüngst so vehement gegen die Übernahme des Öl-Riesen Unocal durch die chinesische CNOOC gekämpft? Seinerzeit hieß es, Öl sei ein Teil der Inneren Sicherheit und dürfe nicht ins Ausland verkauft werden, obwohl die betroffenen Öl-Vorräte nicht einmal auf amerikanischem Grund sondern vor der Küste Taiwans gelegen hatten.

Und noch eine andere Frage stellt sich: Warum findet sich eigentlich kein amerikanisches Unternehmen, dass die Frachthäfen organisieren kann?

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc

Starlight 22-02-2006 20:58

Technologie & Trend
Das Podcasting und dessen Gewinner

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http://www.faz.net/aktuell/finanzen/...r-1304280.html

Starlight 23-02-2006 20:39

Eine neue, alte Pipeline

Was für eine Nachricht: Die drei größten Energieriesen Amerikas bauen die längste Gas-Pipeline der Welt. Über mehr als 5500 Kilometer soll sie sich durch Alaska und Kanada bis nach Chicago winden und bald 7 Prozent der US-Nachfrage decken. Den Markt lässt das kalt. Das Projekt ist zwar beschlossen, aber noch viel zu weit weg.

Immerhin: Hinter der Planung einer Pipeline steckt mehr als die Festlegung einer Wegstrecke und die Kunst der Ingenieure, das anderthalb Meter dicke Rohr gegen Wind und Wetter, gegen Tiere und tektonische Verschiebungen abzusichern. All das wäre kein Problem. Schwieriger wird es, das Land für den Pipeline-Verlauf aufzukaufen und Grundstücksbesitzer zu entschädigen. Mit dem Staat Kanada müssen die meisten Wegrechte überhaupt erst verhandelt werden, und auch die Umweltschützer dürften bald Bedenken gegen das Projekt anmelden und klagen.

Ach ja, und dann stellt sich noch die Frage nach den Kapazitäten der Stahl-Hersteller. Ob die jederzeit genügend Material für das Projekt zur Verfügung haben, ist keineswegs sicher.

Frühestens 2010 soll dann mit der neuen Pipeline Gas von der Nordküste Alaskas in die 48 kontinentalen Bundesstaaten gefördert werden. Experten allerdings halten einen Termin um 2015 für wahrscheinlicher.

Wann auch immer das 20 Milliarden Dollar teure Gemeinschaftsprojekt von ExxonMobil, BP und ConocoPhilips aber fertig sein wird, sollen 130 Millionen Kubikmeter täglich befördert werden.

„Das neue Pipeline-Projekt passt in den Trend der letzten fünfzehn Jahre“, meint der Erdgas-Analyst Robert Ineson von Cambridge Energy Research Associates. „Gas wird immer weiter im Norden gewonnen, während Öl immer tiefer aus der Erde geholt werden muss.“ Die technischen Anforderungen seien enorm, die Kosten auch. Deshalb könnte das aktuell geplante Projekt auch das letzte seiner Art sein.

Irgendwo nämlich müssen Kosten gespart werden. Und wenn das nicht beim Fördern geht, dann eben bei der Anlieferung. In Zukunft dürfte sich dabei der Vertrieb von Flüssiggas bezahlt machen, glauben Analysten. Dessen Transport wird ohnehin immer wichtiger, da die USA immer größere Anteile ihres Verbrauchs aus Übersee importiert und meist nicht auf Pipelines zurückgreifen kann.

Für Flüssiggas spricht aber auch die Flexibilität des Transports. Kanister können per Schiff näher an den Ort der Nachfrage transportiert werden – das wiederum macht die Preise dynamischer. Mit guten und mit schlechten Auswirkungen: Im Januar fielen die Gas-Importe in den USA auf ein Drittel zurück, nachdem Japan und Großbritannien höhere Preise geboten hatten.

Flexibler wird der Markt aber auch durch den Wegfall immenser Fixkosten. Förderer dürften künftig schneller gewillt sein, neue Felder zu bearbeiten, weil sie nicht mehr die selben langfristigen Risiken eingehen wie mit der Finanzierung einer Milliarden-schweren Pipeline. Letztlich könnten dadurch die Förderquoten steigen und die Marktpreise sinken.

Dann wiederum ist klar, warum der Markt auf den Neubau der Alaska-Chicago-Pipeline nicht allzu euphorisch reagiert. Das Projekt ist im Prinzip schon überholt, bevor es begonnen hat.

Markus Koch © Wall Street Correspondents IncInc.

Starlight 27-02-2006 20:46

Die Maus und der Apfel

Disney-Aktionäre kommen sich seit einigen Monaten vor wie im Märchen. Die Aktie des Hollywoodkonzerns wandelt sich langsam vom Frosch zur Prinzessin. Spekulationen über eine mögliche Übernahme durch Apple heizen den Kurs nun erneut an, denn die Idee ist gar nicht so weit hergeholt.

Zwar ist ein Deal zwischen dem legendären Hollywood-Studio und dem iPod-Riesen zum Wochenbeginn nicht mehr als die Spekulation eines Börsenmagazins. Doch unwahrscheinlich wäre er nicht. Vor allem nicht, weil Disney-CEO Bob Iger den Konzern mit Weitblick umbaut und revolutioniert, seit er vor einem halben Jahr im Chefsessel Platz genommen hat.

Das war höchste Zeit: Unter Michael Eisner hatte Walt Disney zuletzt kaum noch Erfolge vorzuweisen, und der Aktienkurs reflektierte das. Bob Iger hat indes früh erkannt, dass einem Konzern, der seit langer Zeit festsitzt, nur große Einschnitte helfen. Entsprechend schritt der Neue mutig und in Siebenmeilenstiefeln zur Tat:

Schon Igers erster Coup zeigte in die richtige Richtung: Nachdem sich Disney unter Michael Eisner jahrelang mit dem Trickfilmspezialisten Pixar gestritten hatte, glättete er die Wogen und leitete eine Übernahme des Unternehmens ein, dass Disney in den letzten Jahren mit „Toy Story“ und „Finding Nemo“ die größten Erfolge beschert hatte.

Doch bindet Iger durch die Pixar-Übernahme nicht nur eines der heißesten Unternehmen der Filmbranche an sich, sondern eben auch dessen CEO und größten Anteilseigner – Steve Jobs. Der ist künftig mit einem Anteil von 7 Prozent größter Einzelaktionär im Maus-Konzern, und sein Wort hat Gewicht. Sollte Jobs eine Übernahme Disneys durch sein anderes Unternehmen – eben Apple – wollen, was angesichts der günstigen Bewertung gar nicht so unwahrscheinlich ist, dürften nicht viele widersprechen.

Denn dass ein Mann wie Jobs Disney modernisieren und für eine Zukunft in Hightech rüsten könnte, bezweifelt zwischen Wall Street und Hollywood keiner. Vor allem nicht in der Disney-Zentrale, jedenfalls nicht mehr. Zunächst, wohlgemerkt, hatten viele die Nase gerümpft, als Disneys Fernseh-Tochter ABC TV-Content wie „Desperate Housewives“ über Apple für den iPod freigab. Doch seither hat man 2 Millionen bezahlte Downloads verbucht und sieht einer Zukunft außerhalb des klassischen Fernsehprogramms ins Auge.

Das zeigte sich zuletzt erst vor zwei Wochen, als der Konzern gemeinsam mit Intel und Cisco einen neuen Service auf den Markt brachte: MovieBeam. Die Decoder-Box ist, regelmäßig aktualisiert, mit hundert Spielfilmen gefüllt und soll Kinohits künftig am Erscheinungstag der DVD direkt in die Wohnzimmer bringen. Den Verbraucher kostet das nicht mehr als bisher die Leihgebühr in der Videothek, die Margen für Disney steigen aber von etwa 90 Cent auf 2,80 Dollar pro Film.

Zwar ärgern sich die DVD-Vertriebspartner, darunter Blockbuster oder der Einzelhandelsriese Wal-Mart, doch davon lässt sich Bob Iger nicht einschüchtern. „Wir müssen neue Wege gehen, um unseren Content an den Kunden zu bringen“, statuierte er jüngst bei einem Analystentreffen. „Traditionelle Vertriebswege dürfen dabei kein Hindernis sein.“

Das sind große und mutige Worte, doch nichts anderes kann dem Konzern aus einer etwas verlorenen Marktsituation helfen. Anders als die größten Konkurrenten Time Warner und News Corp. hatte Disney bisher nämlich keinen firmeneigenen Zugang zum Kunden. Hingegen konnten Time Warner über seine eigene Kabeltochter bis ins Wohnzimmer vordringen und der Fox-Konzern über den Satelliten-Ableger DirecTV. Mit MovieBeam spielt Disney nun auch wieder mit, ein paar vergrätzte Einzelhändler sind da durchaus in Kauf zu nehmen.

Ob MovieBeam oder Direktvertrieb im Internet, niemand kann daran zweifeln, dass Steve Jobs mit seiner Expertise in Content (Pixar) und Hightech (Apple) für Disney neue Wachstumsmöglichkeiten ergründen und aufbauen kann. Disney-CEO Bob Iger hingegen scheint der Mann zu sein, unter dem selbst Quantensprünge wie ein Verkauf des Konzerns möglich wären.

Steve Jobs unterdessen hat sein Interesse an Disney noch nicht bekannt gegeben. Aber wer hätte nicht gerne sein eigenes „Magic Kingdom“?

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 28-02-2006 18:27

Olympia in der Fernseh-Krise

Dabei sein ist alles, lautet das olympische Motto. Das olympische Problem heißt: Es sind nicht allzu viele dabei. Wenige Tage nach Ende der Spiele in Turin ziehen amerikanische Fernsehsender und Sponsoren Bilanz, und man ist nicht zufrieden. Die Spiele scheinen viel von ihrem früheren Reiz verloren und kaum mehr Zuschauer gefunden zu haben.

Die Zahlen, die der Olympia-Sender NBC für die letzten zwei Wochen vorgelegt hat, sind erschütternd. Verglichen mit den Winterspielen vor vier Jahren sind die Einschaltquoten um 33 Prozent zurückgegangen. Zwar hatte man damals Heimvorteil mit den Spielen in Salt Lake City. Doch liegt man nach Turin auch um satte 20 Prozent unter den Quoten für Nagano 1998.

Olympia hat ein Image-Problem. „Die Spiele sind nicht mehr Tagesgespräch“, hat die Trendforscherin Irma Zandl beobachtet. „Die Winterolympiade hat keine Seele mehr.“

Das klingt umso erschütternder als sich vor allem die Amerikaner im Vorfeld redlich bemüht hatten. Wohl wissend, dass John and Jane Dow nicht aus Spaß am fairen Wettstreit einschalten, sondern um die Landsleute gewinnen zu sehen, baute man Superstars auf. Dass die gold-verdächtigen Eislaufsternchen aber entweder verletzt abreisten (Michele Kwan) oder stürzten (Sasha Cohen) half ebenso wenig wie der Komplett-Ausfall von auf Ski- und Party-As Bode Miller oder die Niederlage der Eishockey-Herren im Halbfinale.

Doch ob die Sportler punkten oder nicht, dürfte allein für die Fans wichtig sein. Für die Unternehmen, die Millionen in die Winterolympiade investiert haben, sind schwache Leistungen keine Entschuldigung für schlechte Quoten. NBC, die Fernsehtochter von General Electric, hat für die Olympiarechte von 2004 bis 2008 2,3 Milliarden Dollar gezahlt. Hauptsponsoren wie McDonald´s, Coca-Cola und Visa waren mit jeweils 50 Millionen Dollar beteiligt – da müssen Resultate her.

Da mag NBC-Sportchef Dick Ebersol lange besänftigen, die Olympiade verliere auch nicht mehr Zuschauer „als andere Glamour-Events wie Oscars oder Grammys“, letztlich hat der Sender keine Wahl: Die Olympia-Strategie muss geändert werden, um das Interesse wach zu halten. Erste Entwürfe lassen aber Zweifel daran aufkommen, ob die Rettung der Spiele gelingt. Denn neben wenigen guten Ideen finden sich einige, die ganz schnell nach hinten losgehen könnten:

So schlägt der auf Business-Events spezialisierte Produzent David Adler vor, die Spiele künftig wie Reality-TV aufzuziehen. Sportler sollten zur Beichte gebeten werden, wie es Zuschauer aus oder „The Bachelor“ kennen. Auch könnten die Athleten Mini-Kameras in der Mütze haben, während versteckte Kameras nächtliche Aktivitäten im Olympischen Dorf aufzeichnen. „Big Brother“ bei Olympia? In einer ersten Umfrage beim Internet-Portal AOL sprechen sich 88 Prozent gegen solchen Quatsch aus.

Ebenfalls aus Reality-Shows kommt die Idee von Fernsehproduzentin Catherine Muller. Wie bei den Talent-Shows sollten Zuschauer bei Telefon und Text-Message abstimmen und Ergebnisse beeinflussen können. Beim Eiskunstlauf hätten zwar auch die Preisrichter noch mitzureden, das „heißeste Paar der Olympiade“ könnten Fans aber wohl selbst ermitteln. Reality-Check: 84 Prozent der Befragten halten von dieser Idee nichts.

Andere programmatische Änderungen könnten durchaus zu höheren Quoten führen und würden auch dem Olympischen Geist nicht widersprechen. Dass bei Zeit-basierten Wettkämpfen wie Eisschnelllauf die besten drei in einem Final-Lauf direkt gegeneinander antreten und die Medaillen unter sich ausmachen müssten, könnte 62 Prozent zum Einschalten verleiten.

Mehr Musik und weniger Moderation könnte immerhin etwa der Hälfte der Amerikaner die Spiele interessanter machen. Mehrheitlich sprechen sich die Befragten aber gegen eine zu arge Modernisierung aus: Aus Olympia sollen keine X-Games werden, nach Snowboarding dürften damit nicht allzu viele neue Trendsportarten folgen.

Größte Enttäuschung für seriöse Trendforscher dürfte sein, dass sich neue Fernsehgewohnheiten scheinbar nicht nutzen lassen. Gemäß dem Trend schlägt der Medienprofessor Sreenath Sreenivasan von Columbia University vor, die Spiele auch im Handy-Format zu übertragen und kostenpflichtige Pakete für einzelne Sportler oder Disziplinen anzubieten. 87 Prozent der Befragten bei AOL erteilen dem Konzept eine klare Absage. Hätte man sich aber auch denken können: Wer abends schon nicht kostenlos bei NBC mitfiebern will, wird bestimmt nicht für Live-Curling auf dem Handy-Display in die Tasche greifen wollen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 01-03-2006 20:51

Millionenklage gegen den „König aller Medien“

In New York bahnt sich ein Gerichtsspektakel an, das die Wall Street und den Boulevard gleichermaßen fasziniert. Der Radiosender CBS, erst vor kurzem aus dem Viacom-Konglomerat ausgegliedert, verklagt seinen früheren Star-Moderator Howard Stern wegen Vertragsverletzung. Es geht um 500 Millionen Dollar.

Nicht nur der hohe Streitwert macht den Prozess interessant, sondern vor allem die beteiligten Personen. Howard Stern, selbst ernannter „König aller Medien“, ist Amerikas unanständigster DJ. In seiner Talk-Show geht es fast ausschließlich um Sex in allen Formen, dazu macht man sich über Frauen und Minderheiten lustig – kurz: bei Howard Stern ist der Tabu-Bruch Programm.

Ausgerechnet im prüden Amerika kommt das an: Sterns Quoten waren viele Jahre lang die höchsten in der gesamten Radiobranche. Entsprechend interessant war der Mann für Sirius Satellite Radio. Der junge Satellitensender, dem ausgerechnet der frühere Viacom-Chef Mel Karmazin vorsteht, hat Stern für fünf Jahre an sich gebunden – für 500 Millionen Dollar plus Bonus, falls Stern genügend Abonnenten bringen würde.

Stern hat die Quote erfüllt. Satte 200 Millionen Dollar soll er dafür im Januar kassiert haben, denn die Fans liefen dem Star hinterher wie die Ratten dem Mann mit der Flöte. Allerdings hatte Stern dem Umzug der Massen zu Sirius Satellite nach Kräften geholfen: Schon zwei Monate vor seinem Abschied von CBS propagierte er in seiner täglichen Show den Wechsel zum Konkurrenten und lobte ausführlich dessen Programm und Technologie – das passte seinen Chefs nicht.

Das wiederum ist verständlich, zumal die Fans nun nicht zwischen Sirius und CBS hin und her wechseln, sondern den traditionellen Sender gar nicht mehr antasten. Die Quoten für Sterns Nachfolger, den ehemaligen Van-Halen-Frontmann David Lee Roth, sind im Keller. Schuld daran sei Stern, der den Konkurrenten so aggressiv beworben habe – auf dem eigenen Sender. Das sei Vertragsbruch, heißt es bei CBS, wo man Stern nun sein Fünf-Jahres-Honorar bei Sirius abnehmen will.

Stern sieht das ganze als einen „privaten Rachefeldzug“ von Les Moonves, der das Motiv für die Klage nicht in seiner unerlaubten Werbung für den Konkurrenten sehe, sondern in persönlicher Enttäuschung. Entsprechend persönlich wehrt sich der Radio-Star. „Das ist ein ganz falscher Typ“, schimpft er gegen Moonves. „Das sieht man ja schon an seinem falschen Haar.“

Solche Töne gefallen dem Boulevard, der den außerordentlich stark behaarten DJ auf sämtlichen Titelseiten feiert.

Die Wall Street schaut sich das Theater derweil aus der Distanz an und stellt fest: Die Aktien beider Sender – CBS und Sirius Satellite – sind seit Wochen am Fallen. Vom Prozessausgang könnte abhängen, wer sich zuerst erholt.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc..

Starlight 02-03-2006 20:35

Sorgen um die Vogelgrippe

Deutschland mag den USA ein guter Partner sein, für die meisten ist es aber nur eins: ziemlich weit weg. Ein ganzer Ozean trennt die beiden Staaten. Doch das ist nicht allzu viel, wenn es um die Verbreitung der Vogelgrippe geht: Seit in Deutschland die ersten Tiere verendet sind, ist auch in den USA die Sorge gewachsen.

Der Tenor, der die Experten in den US-Medien eint, ist ähnlich wie in Deutschland: Man nimmt die Seuche ernst, bereitet Maßnahmen gegen den Virus vor, will aber eine Panik vermeiden. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass die Vogelgrippe nicht von Mensch zu Mensch ansteckend ist. Und dass die bisher gezählten 173 infizierten Menschen (darunter 93 Todesfälle) nicht etwa beim Verzehr von Hünchenfleisch, sondern durch Kontakt mit infizierten Tieren und Kadavern angesteckt wurden.

Wichtigstes Argument der Experten im Kampf gegen eine Massenpanik ist aber, dass die Ansteckungsgefahr von Zuchttieren, also vor allem Geflügel auf Farmen, in den USA deutlich geringer sein dürfte als sonstwo auf der Welt. Vor allem mit dem asiatischen Raum ließen sich US-Farmen nicht vergleichen, meint Richard Lobb vom National Chicken Councel, dem Branchenverband der Geflügelzüchter.

„In Asien kommen Sie in ein Dorf, und da läuf das Geflügel frei in den Straßen umher“, so Lobb. In den USA hingegen würden professionell gezüchtete Hühner, Enten, Gänse und Truthähne normalerweise in Hallen gehalten. Selbst Tiere in Freilandhaltung, die etwa 1 Prozent des Marktes ausmachen, seien durch Zäune abgeschirmt vom Kontakt mit wilden Tieren und Zugvögeln. Diese aber seien das größte Ansteckungsrisiko, wenn sie mit Zuchttieren in Berührung kämen oder sich den gleichen Tümpel teilten.

Die größten amerikanischen Geflügelzüchter, Tyson Foods und Pilgrim´s Pride machen sich daher auch keine großen Sorgen um das Geschäft. Das ist zwar naiv, immerhin bricht auch bei McDonald´s und den Steakhäusern im ganzen Land regelmäßig das Geschäft ein, wann immer nur eine einzige Kuh mit Verdacht auf Rinderwahn zusammenbricht. Zudem wissen die Unternehmen, wie teuer ein Erntfall wäre: Als die Vogelgrippe 1983/84 schon einmal in den USA ausgebrochen war, mussten allein im Bundesstaat Pennsylvania 15 Millionen Tiere getötet werden.

Auch haben die US-Geflügelzüchter in den letzten Wochen ihre Exporte bereits um ein Drittel einbrechen sehen, da andere von der Vogelgrippe betroffene Länder bemüht sind, zunächst ihre eigenen – sicheren – Bestände zu verbrauchen. Dennoch: Die Geflügelzüchter halten nach jüngsten Kommentaren an ihren Prognosen fest.

Tyson Foods und Pilgrim´s Pride sind nicht die einzigen Unternehmen, die von einer Epidemie betroffen wären. Sollte es in den USA zu einer Ausbreitung der Vogelgrippe kommen, deren Impfstoff nach wie vor nur begrenzt zur Verfügung steht, wären die Folgen immens. Selbst eine leichte Ausbreitung könnte nach Schätzungen der Regierung 75 Millionen Amerikaner betreffen, 100 000 von ihnen töten und das Wirtschaftswachstum um 1,5 Prozent drücken.

Eine große Epidemie hingegen dürfte nach ersten Prognosen 90 Millionen Amerikaner treffen und 2 Millionen Menschen töten. Die Wirtschaft könnte in eine Rezession gestoßen werden mit einem um 5 Prozent sinkenden BIP. Zum Vergleich: Der normalen Grippe fallen jedes Jahr nur etwa 36 000 meist ältere Amerikaner zum Opfer.

Von einer Vogelgrippe-Epidemie indes wären alle Altersgruppen betroffen. Deshalb arbeiten Firmen bereits an Notfall-Plänen, erneuern Versicherungen und instruieren Mitarbeiter in Heimarbeit. Man glaubt nicht an den Ernstfall, will aber gut vorbereitet sein, falls es zum Äußersten komme.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 03-03-2006 20:54

„Oscar“ bringt das große Geld
Er ist klein und kahlköpfig, und doch reißen sich Hollywood-Stars um den Kerl. Die Rede ist vom Oscar, der am Wochenende zum 78. Mal vergeben wird. Hollywood ist gespannt, zwischen Rotem Teppich und Nachfeiern bahnt sich eine spektakuläre Party an. Auch die Wall Street schaut zu, denn es geht neben der Filmkunst auch um viel Geld.

Dass der Oscar Filmen nicht nur Anerkennung und Prestige bringt, ist weithin bekannt. Und doch ist die Situation in diesem Jahr anders als sonst. Denn der Geldregen für Oscar-Gewinner könnte fetter ausfallen denn je zuvor. Der Grund: Unter den Filmen mit den meisten Nominierungen sind kaum Kassenschlager. Viele kleine Produktionen werden durch den Oscar nicht nur geadelt, sondern einer Mehrheit erst bekannt – die Ticketverkäufe an den Kinokassen könnten ab der nächsten Woceh in die Höhe schnellen.

Allein unter den fünf Filmen, die als „Bester Film“ und „Beste Regie“ in den wichtigsten Kategorien nominiert sind, hat noch kein einziger die 100-Millionen-Grenze überschritten. Und zwar bei weitem nicht. Selbst der mittlerweile weithin bekannte Schwulen-Western „Brokeback Mountain“ hat bisher nur 75,8 Millionen Dollar eingespielt. Der Streifen aus der Focus-Schmiede von NBC Universal, einer Tochter von General Electric, gilt als haushoher Favorit und könnte mit einem Oscar ausgezeichnet auch die Kinofans interessieren, die sich bisher wegen des anstößigen Themas – Homo-Sex unter Amerikas männlichsten Männern – von dem Streifen ferngehalten hatten.

Von NBC Universal stammt mit „München“ ein zweiter Film, der für beide Top-Kategorien nominiert ist. Steven Spielbergs Arbeit zum Olympia-Attentat von 1972 hat bieher rund 50 Millionen eingespielt, ebenso wie „Crash“, ein Film über Rassismus in Los Angeles, den Lionsgate Films ins Rennen schickt. Jeweils unter 30 Millionen haben die beiden anderen Kandidaten bisher eingespielt, und entsprechend hoch wäre der Oscar-Bonus für „Good Night, and Good Luck“ von Time Warner und „Capote“ von Sony.

Die kleinen Filme könnten ihre Einspielergebnisse locker verdoppeln, meint der Film-Analyst Gitesh Pandya. „Wer mit 50 Millionen Dollar ins Rennen geht, könnte gut 100 Millionen rausholen“, so der Experte, der schon erste Zahlen gesehen hat. So hat „Good Night, and Good Luck“ die Zahl der bespielten Kinos in der Woche nach der Oscar-Nominierung von 105 auf 800 gesteigert.

Den bisher erfolgreichsten Film unter den Nominierten für die wichtigsten Kategorien hat übrigens Fox aus dem News-Corp.-Imperium beigesteuert. Die Johnny-Cash-Bio „Walk the Line“ hat bisher 117,6 Millionen Dollar eingespielt. Statuen könnten am Sonntagabend an die beiden Hauptdarsteller Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon gehen, die aber nicht als Favoriten gelten.

Größter Verlierer unter den großen Studios ist übrigens – wie so oft in den letzten Jahren – Walt Disney. Nur das Moral-Märchen „Narnia“ ist für den Oscar nimoniert, allerdings nur in weniger wichtigen Kategorien wie Make-Up und Spezialeffekte.

Disney könnte hingegen in einer anderen Kategorie zulegen. Die Fernseh-Tochter ABC nämlich überträgt die größte Party Hollywoods live und damit nach dem SuperBowl schon das zweite Mega-Ereignis in diesem Jahr. Und nachdem die Einschaltquoten für den Oscar in den letzten Jahren stetis niedriger wurden, hofft man nun auf eine Trendwende. ABC hat den Comedy-Talker Jon Stewart als Moderator verpflichtet. Dessen Polit-Komik, bekannt durch Stewarts tägliche Sendung beim TV-Sender „Comedy Central“ soll ein größeres und jüngeres Publikum anlocklen als in den letzten Jahren.

Ob der Plan aufgeht und entsprechend die Werbe-Einnahmen in den nächsten Jahren steigen könnten, wird sich am Sonntagabend zeigen – die Wall Street dürfte schon im frühen Montagshandel reagieren.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 06-03-2006 18:52

Der Blackberry darf weiterlaufen

Drei Millionen Amerikaner atmen am Montagmorgen auf: Ihr geliebter Blackberry peibst noch und wird auch weiter funktionieren. Research in Motion, der Hersteller des Taschen-Computers, hat sich im Patentstreit mit NTP geeinigt. Doch geht das Unternehmen aus dem langjährigen Streit nicht unbeschadet heraus.

Schaut man nur auf die Aktie von Research in Motion, scheint die Welt wieder in Ordnung zu sein. Um 13 Prozent verbessert sich das Papier mit dem Tickerkürzel „RIMM“, und damit sind die Verluste der letzten vier Wochen auch schon wieder aufgeholt. Doch ist fraglich, ob es die Aktie jemals wieder an die 100-Dollar-Marke schaffen kann, die vor anderthalb Jahren einmal zu fallen drohte.

Dass Research in Motion 613 Millionen Dollar an den Patentverwalter NTP abdrücken muss, dürfte einen Aufwärtstrend des Papiers wohl kaum stoppen. Dass das Management am Morgen die Gewinnschätzungen für das laufende Quartal um fast 20 Prozent gesenkt hat, auch nicht. Dass eine Einigung mit NTP Geld kosten und die Gewinne kurzzeitig beschnitten würden, war ja klar.

Was die Aktie indes langfristig belasten könnte, sind zweierlei Fragen: Vertraut der Anleger dem Management von Research in Motion? Und wie stark profitieren Konkurrenten wie Palm von der monatelangen Krise beim Blackberry?

Zunächst: Das Management von Research in Motion geht als großer Verlierer aus der Schlacht mit NTP. Eine Einigung hat zwar verhindert, dass das Unternehmen 3,2 Millionen Blackberry in den USA abschalten musste, doch hätte man eine solche Einigung bereits 2002 erreichen können, nachdem sich RIM zum ersten Mal dazu bekannt hatte, widerrechtlich Patente zur Funk-Übermittlung von Emails genutzt zu haben.

Läppische 50 Millionen Dollar hätte es damals gekostet, NTP zufriedenzu stellen – weit weniger als ein Zehntel dessen, was jetzt auf den Tisch gelegt werden muss. Die Sturheit der RIM-Chefs hat sich nicht bezahlt gemacht, und dass sie eine Zeit lang mit absurden Argumenten den Streit aufrecht erhalten hatten, dürfte ihnen ebenfalls manchen Anleger vergrault hatten. So hatte man einmal erklärt, die US-Patentrechte seien für RIM nicht von Belang, weil man ja ein kanadisches Unternehmen sei. Dass die US-Behörden aber dennoch die 3,2 Millionen US-Geräte hätten abschalten können – und damit den Großteil des RIM-Geschäfts – hatte man nicht bedacht.

Solche Managementfehler könnten Unternehmen und Aktie ebenso langfristig schaden, wie ein allgemeiner Vertrauensverlust beim Kunden. Monatelang zitterten Unternehmen um die Geräte ihrer Mitarbeiter. Etwa 900 Dollar hätte die System-Umstellung pro Gerät gekostet, hätte man den Blackberry verloren. Ein Unternehmen mit tausend angeschlossenen Nutzern, durchaus üblich in großen Konzernen, wäre schnell bei einer Million Dollar an Restruktukturierungskosten gelandet.

Die fallen jetzt nicht an, doch blickt man mit Sorge auf die kleinen Geräte, die in den letzten Jahren für ebenso viele negative wie positive Schlagzeilen gesorgt hatten. Mancher dürfte sich während der langen Periode der Unsicherheit auf die Seite eines Blackberry-Konkurrenten geschlagen haben. Palm ist einer der großen Gewinner aus dem Patentstreit bei RIM, wie der Kursverlauf des letzten Jahres zeigt.

Am Montag verliert Palm 6 Prozent, während Research in Motion deutlich klettert. Wie gut sich Blackberry & Co. aus der Krise befreien können, wird sich aber erst an den langfristigen Bewegungen in den nächsten Monaten zeigen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 07-03-2006 20:11

Aus NYSE wird NYX

Die Geschichte der New York Stock Exchange begann 1792 unter einer Platane als 24 New Yorker Händler das „Buttonwood Agreement“ unterzeichneten. In den folgenden 214 Jahren war die Börse an der Wall Street ein geheimnisvoller Ort, der in dieser Woche transparenter werden soll denn je: Die Börse gibt am Mittwoch eigene Aktien aus.

Unter dem Tickerkürzel „NYX“ wird die NYSE LLC. an der Wall Street gehandelt werden. Die zunächst ausgegebenen Papiere sind dabei nichts anderes als die umbenannten Aktien von Archipelago, der bisher schon börsennotierten elektronischen Handelsplattform, mit der die NYSE im April letzten fusionierte. Sie belaufen sich auf 30 Prozent des Gesamtwertes des Unternehmens.

Die übrigen 70 Prozent der Aktien werden in den nächsten Wochen an die bisherigen Sitz-Eigner der Börse verteilt und können dann auf den Markt kommen. Wenn danach der Börsengang der NYSE abgeschlossen ist, hat die Wall Street die größte finanzielle Revolution seit dem legendären Treffen der Broker unter der Platane hinter sich: Die NYSE ist in der Zukunft angekommen.

Das war in den letzten Jahren umso notwendiger geworden, als zahlreiche Skandale das Vertrauen der Welt in die Institution an der Wall Street erschüttert hatten. Der Ärger hatte 2003 begonnen, als der damalige NYSE-Chef Dick Grasso über ein skandalöses Gehalts-Paket von 191 Millionen Dollar stolperte, für das er ausgerechnet in dieser Woche vor der Generalstaatsanwaltschaft aussagen und ab Oktober vor Gericht geradestehen muss.

In Grassos Gier hatte gegipfelt, was sich zuvor über Jahrzehnte und Jahrhunderte in Hinterzimmergeschäften angebahnt hatte. Das Ende der NYSE als elitärer Club mit höchst fragwürdigen Regeln, mit nicht öffentlichen Strukturen und Gehältern, mit schwer nachvollziehbarem Barmittel-Fluss und häufigen Klagen gegen willkürlich verhängte Ordnungsstrafen musste zu einer Zeit kommen, in der ja auch die an der Börse gehandelten Unternehmen wieder schärfer kontrolliert und zu mehr Transparenz verdonnert werden.

Mit dem IPO ist die Weiterentwicklung allerdings nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Dass die altehrwürdige NYSE mit einer elektronischen Plattform zusammengeht, lässt die weitere Richtung erkennen – der Handel auf dem traditionsreichen Parkett wird an Bedeutung verlieren. Schon seit einiger Zeit ist ein Hybrid-Modell beschlossen, dass elektronischen Handel gleichberechtigt neben das Parkett stellt.

132 Aktien sind zur Zeit mit Genehmigung durch die SEC in dem Hybrid-Versuch integriert, darunter einige Dow-Aktien wie IBM, Boeing und Walt Disney. Gehandelt werden sie von Spezialisten wie La Branche und Van der Moolen sowie Investmenthäusern wie Bank of America, die zur Zeit etwa 700 Transaktionen täglich elektronisch ausführen mit einer Durchschnittsgröße von 3700 Aktien.

Schon Mitte März soll der Hybrid-Test abgeschlossen sein, danach sollte einer Umsetzung des Modells in die alltägliche Praxis nichts mehr im Wege stehen.

Die nächste Veränderung könnte die bevorzugte Ware der NYSE betreffen: Während die Börse zur Zeit noch auf Aktien spezialisiert ist, halten Experten eine Übernahme im Optionshandel für möglich. Zwei Zahlen sprechen dafür: Das Das Handelsvolumen mit Aktien ist im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent gestiegen, das Handelsvolumen mit Optionen hingegen um 30 Prozent. Solche Wachstumsraten dürften John Thain gefallen, dem ehemaligen Goldman-Sachs-Mann, der sich seit dem Fall Dick Grassos um die Geschäfte an der NYSE kümmert.

Letzterer übrigens lobt das Werk seines Nachfolgers in höchsten Tönen. John Thain sei ein Mann mit Visionen, meinte Dick Grasso am Dienstagmorgen auf dem Weg zu seiner Vernehmung. Thain wird das kaum beeindrucken. Unter seiner Leitung fordert die NYSE einen Großteil des Grasso-Gehalts zurück, und von dieser Forderung wird man trotz allen Schulterklopfens nicht ablassen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 08-03-2006 21:23

Harry Potter und der Notenbank-Chef

Amerika wartet auf einen neuen Schmöker. Nach dem „Da Vinci Code“ und dem Riesen-Erfolg von „Harry Potter“ soll in diesem Sommer ein Reißer in die Regale kommen, den das ganze Land verschlingen wird: Alan Greenspan schreibt seine Autobiographie. Hm… ob die Pläne des Verlegers Penguin Publishers aufgehen, darf bezweifelt werden.

Bei Penguin hält man große Stücke auf den Autor Greenspan. Einen Tag nach dem 80. Geburtstag des ehemaligen Notenbank-Chefs machte man ein entsprechend großzügiges Geschenk: Man zahlt Greenspan einen Vorschuss von 8 Millionen Dollar. Das ist das zweithöchste Honorar aller Zeiten. Greenspan steht damit nur hinter Bill Clinton (12 Millionen Dollar) zurück, Papst Johannes Paul II. (7 Millionen) lässt er hinter sich.

Amerikanische Buch-Kritiker halten den Deal für gewagt. Aus gutem Grund. Keith Kelly von der New York Post hält das Buch zwar für einen sicheren Bestseller in den USA, sieht aber wenig Erfolg in internationalen Märkten. Jon Friedman, der Medien-Experte von Marketwatch geht einen Schritt weiter. Das Greenspan-Buch „wird im Regierungsviertel von Washington, D.C. einschlagen und natürlich an der Wall Street. Auch im Bankenviertel von Boston werden sich interessierte Leser finden.“

Doch wo sonst wird jemand zum Greenspan-Wälzer greifen?

Man erinnere sich doch nur an die schrecklich langen und drögen Ausführungen, die der Chairman alle paar Monate vor dem Kongress gab. In monotoner Stimme folgte ein unverständlicher Schachtelsatz dem nächsten, nicht selten fanden die übertragenden Fernsehkameras eingeschlafene Zuhörer.

Dass Greenspan in aktiven Zeiten doch so viele zuhörten, lag allein an seiner politischen Bedeutung. Schließlich war der Fed-Chef nicht zur Unterhaltung da. Vielmehr unterrichtete der Chef-Experte die übrigen Experten über die drohende Inflation, die Tendenzen an Arbeits- und Immobilienmarkt und die daraus folgende Zinspolitik. Da lohnte es sich für Investoren genau zuzuhören, auch wenn es schwer fiel.

Wenn Greenspan nun ein Buch schreibt, in dem es nicht mehr um künftige Trends geht, sondern um eine Rückschau auf sein Leben und Werk, dann kann er in belehrendem Ton nicht punkten. Er muss unterhalten. Doch zu erwarten ist ein solcher Spurwechsel nicht. Wer wie Kritiker Kelly hofft, dass Greenspan nach seiner Amtszeit unter vier US-Präsidenten schmutzige Wäsche wachen wird, dürfte wohl enttäuscht werden. Und auch mit anderen Knüllern ist kaum zu rechnen. Weder dürfte Greenspan gestehen, dass in Wahrheit seine Frau die Zinspolitik der USA ausgetüftelt hat, noch dürfte er sein weitgehend unbekanntes – und uninteressantes – Privatleben breittreten.

Experten rechnen damit, dass Penguin nicht mehr als die Hälfte des Vorschusses an Greenspan wieder reinholen dürfte. Das wäre alles andere als ein Erfolg.

Dem ehemaligen Fed-Chefs kann es egal sein. Für ihn ist der Buch-Deal ein ganz großer. Nackte Zahlen bedeuten ihm mehr als sein Wert als unterhaltsamer Autor. Zumal er sein Publikum noch immer hat: Seit Greenspan aus dem Amt geschieden ist, lässt er sich als Redner buchen, sein Honorar liegt zwischen 100 000 und 250 000 Dollar und wird von einem Publikum gezahlt, dass nicht unterhalten werden will – sondern belehrt.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 09-03-2006 18:00

Über den Wolken wird abgezockt

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein… von wegen. Die amerikanischen Fluggesellschaften, die schon seit langem in einer schweren Krise stecken, wollen in diesem Sommer richtig Kasse machen. Nicht nur mit Flugtickets, sondern vor allem mit dem Service an Bord, eben, über den Wolken.

Zugegeben, die Fluggesellschaften hatten es in den letzten fünf Jahren nicht leicht. Spätestens seit im dritten Quartal 2001 der Beginn einer Rezession die Wirtschaft und die Terrorangriffe auf das World Trade Center kurz darauf den Tourismus belasteten, stecken die Unternehmen fest. Hohe Kosten ließen sich nicht einfach so senken: Zunächst waren da die Gewerkschaften, mit denen sich Gehalts- und Rentenkürzungen nicht so einfach durchsetzen ließen, und dann war da der dauernd steigende Ölpreis, so dass jede Kosteneinsparung bei Organisation und Personal gleich Mehrausgaben für Treibstoff gegenüberstanden.

Dann waren da auch noch die Billig-Anbieter, die den alt eingessesenen Unternehmen Marktanteile wegnahmen. Manches Unternehmen hat sich nun in jahrekangen Umstrukturierungen auf einen Neustart vorbereitet. Doch wer auch immer sich dieser Tage aus dem Gläubigerschutz erhebt, für den Kunden ist bei den Airlinesnichts mehr wie es einmal war.

Wie verzeifelt die Gesellschaften um Einnahmen kämpfen, sieht man an einer ganzen Reihe neuer Einnahmequellen, die die Branche in diesem Sommer durchsetzen will. Steigende Ticketpreise sind da noch am wenigsten überraschend, obwohl das Ausmaß fast skandalös ist: Transatlantische Strecken werden im Sommer bis zu 25 Prozent teurer sein als im Vorjahr, wie Branchen-Analysten errechnet haben. Für die Standardstrecke New York – London zahlen Kunden heuer 148 Dollar mehr als im Vorjahr, der Flug von Detrit nach Paris soll um 237 Dollar teurer werden.

Doch damit nicht genug: Wer erst einmal ein noch so teures Ticket hat, der wird in Zukunft weiter gemolken. Nach Informationen aus der Branche wollen die Fluggesellschaften die Gewichtsgrenzen für eingechecktes Gepäck von 31 auf nur noch 22 Kilogramm herunterfahren, für jedes Gramm zuviel wird dann ein Aufpreis verlangt. Manche Gesellschaften sollen auch überlegen, das Bord-Gepäck extra in Rechnung zu stellen.

Teurer wird aber nicht nur, was der Kunde mitbringt, sondern auch was er verzehrt. Northwest Airlines hat einen ersten Test abgeschlossen, in dem auch die bisher gratis verteilten Getränkedosen verkauft werden sollen. Das Management beurteilt den Versuch als gelungen und will künftig auf dem ganzen Streckennetz nur noch gegen Aufpreis servieren.

Noch einen Schritt weiter geht das Konzept mehrerer Gesellschaften, die künftig einen Aufpreis verlangen wollen, je nachdem wo der Kunde zu sitzen wünscht. Für Sitze am Gang gibt es einen Zuschlag, ein Sitz in der Notausgangsreihe – mit mehr Beinfreiheit – soll bis zu 75 Dollar extra kosten, weiß Terry Trippler, Flugzeug-Analyst von Cheapseats.com.

Der Erfolg eines solchen Konzeptes ist natürlich umstritten. In einer ersten Umfrage beim Börsensender CNBC haben fast 80 Prozent der Zuschauer erklärt, für einen bestimmten Sitz keinen Pfennig draufzahlen zu wollen. Das könnte bedeuten, dass immer mehr Kunden zu den Billig-Linien wechseln, die zunehmend auch transatlantisch fliegen.

Für die Airlines hieße das wiederum, dass man aus der Branchenkrise nicht so einfach herausfliegen könnte.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 10-03-2006 20:38

Die Folgen des Hafenstreits

Eigentlich müsste der umstrittene Hafen-Deal zwischen Washington, London und den Vereinigten Arabischen Emiraten ja von Tisch sein. Doch seit der VAE-geführte Hafenbetreiber DP World erklärt hat, man werde die Kontrolle über US-Anlagen an ein amerikanisches Unternehmen abgeben, geht der Streit erst richtig los.

Zur Erinnerung: Die traditionsreiche britische Schiff- und Hafengesellschaft P&O wurde jüngst an DP World verkauft, ein Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, das größtenteils stattlich gelenkt wird. Das ganze hätte amerikanischen Politikern und Anlegern egal sein können, hätte P&O nicht seit Jahren einige der größten Frachthäfen der USA betrieben, darunter New York, New Jersey, Baltimore, Miami und Los Angeles.

Die Häfen wiederum gelten in den sicherheitspolitisch höchst sensiblen USA als größte Lücke im System, immerhin kommen bis zu 95 Prozent der Fracht aus Übersee unkontrolliert ins Land. Als wäre das nicht schlimm genug, stimmte die US-Regierung – ohne Einbezug des Kongresses – jüngst der Übernahme der Hafen-Operationen durch ein Land zu, das nachweislich einige der Attentäter des 11. September 2001 finanziert hatte und in Sachen Sicherheitspolitik nicht der naheliegendste Partner ist.

Nun ist zwar nicht davon auszugehen, dass die Häfen unter arabischem Management ein offenes Tor für Terror gewesen wären. Einerseits hätten ja amerikanische Behörden noch immer die Sicherheits-Hoheit gehabt, und andererseits wäre einem Unternehmen kaum daran gelegen, seine eigenen teuer erworbenen Anlagen zu gefährden. Doch hätte der Regierung klar sein müssen, dass sich ein Verkauf der Häfen an ein arabisches Land unmöglich erklären ließe – zumal Bush & Co. ihre zweite Amtszeit einzig und allein der Panikmache im Zusammenhang mit möglichen terroristiscen Anschlägen gegen das Land zu verdanken haben.

Der Streit um den Hafen-Deal war also schnell ein rein politischer – und der erste in fünf Jahren, den Präsident Bush spektakulär verlor. Nicht nur die Demokraten, sondern auch führende Männer seiner eigenen Partei sperrten sich mit aller Kraft gegen die Kooperation mit den Emiraten und ließen sich in Vorbereitung eines eilig beschlossenen Gesetzes gegen den Deal auch durch ein von Bush angedrohtes Veto nicht abschrecken.

Bush wiederum war schnell in der Zwickmühle: Den Deal abzusagen, hätte ihm vermutlich lukrative Beziehungen in die Emirate zerstört. Den Deal durchzudrücken, hätte seiner Partei endgültig die im Herbst anstehenden Kongresswahlen versaut. Zu seinem Glück standen die VAE dem Präsidenten zur Seite: Am Donnerstag erklärte DP World, man werde die US-Operationen an ein amerikanisches Unternehmen abtreten und auf die Kontrolle der Häfen verzichten.

Damit hätte die Geschichte eigentlich vom Tisch sein können, wäre es zuletzt nur um den Deal an sich und nicht um Politik und Propaganda gegangen. So aber geht der Streit zwischen Washington und Wall Street weiter. Radikale Unterstützer der Globalisierung reagieren geschockt auf das Eingeständnis aus Dubai und machen nun Stimmung gegen diejenigen, die DP World nicht mit offenen Armen empfangen wollten.

„Wir sind sehr besorgt darüber, was dieser fehlgeschlagene Deal noch für Folgen haben wird“, meint Bill Reinsch vom National Foreign Trade Council, einer von international agierenden Konzernen geführten Lobby-Gruppe. Die USA würden das falsche Signal in die arabische Welt senden und künftige Kooperationen, Joint Ventures und sogar den Export im allgemeinen gefährden.

Allein der Flugzeugbauer Boeing arbeite doch gerade an einem Multimillionen-Auftrag mit der Emirates-Airline aus den VAE. Diesen Deal sieht man ebenso in Gefahr wie bereits unterschriebene Aufträge mit Etihad Airways über 1 Milliarde Dollar und kleinere Bestellungen von Fluggesellschaften in Jordanien und Ägypten. „Der arabische Markt ist einer unser wichtigsten Wachstumsmärkte“, wirft Boeing-Sprecher John Dern ein – aber: „Wir sehen noch keine Auswirkungen des P&O-Streits und rechnen auch nicht damit.“

Eine solche Stellungnahme passt der amerikanischen Regierung nun nicht ins Konzept. Nachdem man den ganzen Hafen-Deal katastrophal schlecht gemanaget hat, konnten Bush & Co. nur noch auf eine Möglichkeit hoffen, den Spieß umzudrehen und den Demokraten Hysterie und einen eingeschränkten Blick auf wirtschaftliche Interessen nachzusagen.

Bis jetzt aber zeichnen sich keine wirtschaftlichen Folgen ab, die – ohnehin gewagte – Vision einer arabischen Freihandelszone, bleibt gewahrt. Amerika verliert nichts, wenn es eine staatlich geführte Organisation aus dem arabischen Raum aus der Sicherheitspolitik heraushält. Wer hingegen verliert, ist allein die US-Regierung, deren arrogante Umgehung von Kongress und anderen Kontrollgremien bei der Zustimmung eines bedeutenden Deals völlig daneben ging. Je länger Bush & Co. nun auf dem Thema herumreiten, desto mehr Schaden werden sie sich zufügen. Anscheinend weiß man das in Washington aber nicht, denn auch einen Tag nach dem Rückzug Dubais und vermutlich noch für einige Tage ist die Diskussion „Sicherheit gegen globalen Handel“ Tagesthema in sämtlichen Medien.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 13-03-2006 18:18

Die Börsen im Merger-Wahn

Merger und Übernahmen bewegen die Wall Street immer wieder, in diesen Tagen geht es aber besonders heiß zu. Zahlreiche Meldungen nämlich drehen sich direkt um die Handelsplätze selbst: Jeder will mit jedem, möglichst schnell… und auch der größte deutsche Handelsplatz in Frankfurt ist interessanter denn je zuvor.

Doch fassen wir noch einmal die letzten Tage zusammen: Am Dienstag vergangener Woche schlossen sich die New York Stock Exchange und Archipelago zusammen, am Mittwoch nahm die Aktie der neu geschaffenen NYSE Group unter dem Tickerkürzel NYX den Handel auf dem Parkett auf.

Am Donnerstag schickte die Nasdaq ein 4,2 Milliarden Dollar schweres Übernahmeangebot an die London Stock Exchange, das am Freitag abgelehnt wurde. Die Briten fühlten ihr Unternehmen angesichts der zu erwartenden Synergien mit der Nasdaq unterbewertet. Sie hoffen – recht offen – auf ein neues Angebot, und bei der Nasdaq laufen bereits die internen Gespräche.

An diesem Montag nun heißt es, auch die NYSE Group habe Interesse an London. Ganz überaschend ist das nicht, denn die Notierung eigener Aktien war für den New Yorker Börsenchef John Thain immer nur ein erster Schritt in einer gewaltigen Restrukturierung des Handelsplatzes, die auch die Umstellung vom Parkett- auf elektronischen Handel beinhalten könnte.

Nun mag die NYSE Group an einem Übernahmeangebot für die bereits elektronisch laufende London Stock Exchange arbeiten. Doch Analysten bezweifeln, dass die Paarung optimal wäre. Eine Integration der LSE in die Nasdaq dürfte einfacher und profitabler sein, was für alle beteiligten Unternehmen eine ebenso wichtige Überlegung sein dürfte wie der Preis an sich.

Die NYSE könnte indes mit der Deutschen Börse in Frankfurt besser bedient sein. Immerhin: Frankfurt scheint einem Verkauf an einen Partner nicht ganz abgeneigt zu sein, und das in Deutschland etablierte Hybrid-Modell zwischen Parkett- und elektronischem Handel könnte der Wall Street den Weg in die Zukunft weisen.

Und noch ein anderer Punkt spricht dafür, dass sich die deutsch-amerikanische Freundschaft auf dem Parkett auszahlen könnte: Die NYSE ist, wie CEO John Thain mehrfach erklärt hat, nicht länger allein am Aktienhandel, sondern auch an anderen Investmentprodukten interessiert. Die Deutsche Börse wiederum ist Mehrheitseigner der Eurex Futures-Börse und daher noch interessanter für die New Yorker.

So reizvoll eine Übernahme also sein könnte, ganz leicht dürfte sie nicht sein. Die NYSE Group hat zur Zeit eine Marktkapitalisierung von 57,1 Millionen Dollar – etwa ein Zehntel der 509 Millionen Dollar, die die Deutsche Börse wiegt.

Am Preis allein dürfte eine Übernahme aber nicht scheitern, zumal konkurrierende Ideen auch nicht ohne Fehl sind: Einer seit langem diskutierten Fusion der deutschen und der französischen Börse stehen ganz andere Hindernisse im Weg: Bei aller Freundschaft düfte es den Nachbarstaaten nicht leicht fallen, sich auf einen Hauptsitz für den möglicherweise wichtigsten europäischen Handelsplatz zu entscheiden. Da könnte ein Investment aus Amerika Sinn machen.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.

Starlight 14-03-2006 19:28

Die „chinesische Mauer“ steht wieder

Die Wall Street hat eine neue Boom-Branche: Nach den Hausbauern und den Öl-Konzernen sind es nun die Investmentbanken, deren Ergebnisse in Rekordhöhen schießen. Die Zahlen von Goldman Sachs sind so fantastisch, dass mancher Witzbold an eine „Strafsteuer“ denkt, wie sie für die Öl-Branche diskutiert wird.

Die eigentlich spannende Geschichte hinter den Zahlen von Goldman Sachs ist aber eine andere. Sicher, man könnte sich – vor allem als Anleger – stundenlang über den historischen Umsatz und den großartigen Gewinn freuen. Vor allem aber muss man sich darüber wundern, wie weit die Analysten mit ihren Schätzungen daneben lagen.

Das Problem in Zahlen: Goldman Sachs blickt auf einen Gewinn von 5,41 Dollar pro Aktie, während Analysten mit 3,29 Dollar gerechnet hatten. Damit werden die Erwartungen um 65 Prozent geschlagen. Auch beim Umsatz hatten sich die Experten deutlich verkalkuliert: Die gemeldeten 10,3 Milliarden Dollar liegen um dicke 43 Prozent über den Erwartungen.

Zum Vergleich: In den vier Quartalen des Vorjahres hatten die Analysten die Ergebnisse der Investmentbanken nur um jeweils etwa 12 Prozent unterschätzt.

Doch so sehr man sich fragen möchte, inwiefern die „Experten“ immer ihr Geld wert sind, ist es doch ausnahmsweise einmal ein gutes Zeichen, dass sie so weit daneben liegen. Immerhin ist es erst ein paar Jahre her, dass die Analysten zu nahe bei den umsatz- und gewinnorientierten Bankern im eigenen Haus saßen. Um an lukrative Deals mit Unternehmen zu kommen, ließen letztere schon mal den Analysten nebenan eine positive Aktienempfehlung schreiben. Die einst etablierte „chinesische Mauer“, die den Informationsfluss zwischen Investmentbank und Research verhindern sollte, war eingefallen. Als der Betrug auffiel, hatten Anleger bereits Milliarden verloren.

Mittlerweile scheint man den Brokerhäusern wieder zu trauen, wie sich am Handel an den New Yorker Börsen leicht erkennen lässt – und zwar zu recht, wie ein Blick auf die jüngsten Quartalszahlen zeigt. Offensichtlich ist die „chinesische Mauer“ höher und breiter und unüberwindbarer denn je zuvor. Nicht nur, dass die Analysten Umsatz und Gewinn der Banken nicht mehr beeinflussen. Nein, sie wissen nicht einmal, wie gut es in der Branche läuft.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.


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